Kapitel 6: Verloren

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Langsam öffne ich meine Augen und setze mich auf. Ich habe nicht gut geschlafen und fühle mich jetzt wach. Ich gucke mich um. Alle anderen schlafen noch tief und fest. Dann schaue ich auf mein Handy. Es ist gerade einmal 8 Uhr. Ich möchte die anderen nicht wecken, also schiebe ich meine Decke weg und stehe möglichst leise auf. Vorsichtig steige ich über die anderen. Als ich an Izzies Matratze vorbeilaufe, bewegt sie sich kurz. Ich halte inne und betrachte sie. Sie sieht so unfassbar süß aus, wenn sie schläft. Ihre braunen Locken umrahmen ihr Gesicht ein wenig zerzaust und sie wirkt so friedlich. Wie ein kleiner Engel.  Am liebsten würde ich mich jetzt zu ihr legen und mich an sie kuscheln. 

Ich seufze und gehe ins Bad. Man sieht mir definitiv an, dass ich nicht viel geschlafen habe. Ich habe dunkle Augenringe und mein Gesicht hat seltsame rote Flecken. Schnell hüpfe ich unter die Dusche und zwinge mich mit kaltem Wasser zu duschen, damit ich richtig wach werde. Dann ziehe ich mir einen gemütlichen Pulli an und schlüpfe in eine Jogginghose. Ich streiche meinen nassen Harre aus dem Gesicht und betrachte mich erneut im Spiegel. Schon besser. 

Auf dem Weg in die Küche werfe ich einen Blick auf die anderen. Immer noch keine Bewegung zu sehen. Also mache ich mir einen Kaffee und setze mich auf den Balkon. Es ist kälter, als ich dachte und ich bekomme eine Gänsehaut. Trotzdem setze ich mich auf den Boden und beobachte den Horizont. Die ersten Sonnenstrahlen des Tages streichen sanft über mein Gesicht und der kalte Wind umspielt meine Haare. Ich komme oft hierher, wenn ich nachdenken muss. Ich kriege meinen Kopf besser frei, wenn ich die Natur von hier oben beobachten kann.  

Eine Zeit lang sitze ich einfach nur da und verliere jegliches Zeitgefühl. Dann höre ich plötzlich, wie die Tür hinter mir aufgeht und spüre, wie mir eine  Decke um die Schultern gelegt wird. Ich drehe mich um und sehe Izzie vor mir stehen. Sie lächelt, aber nur mit dem Mund und nicht mit den Augen. Diese wirken eher mitgenommen. "Ich habe dich hier draußen gesehen und dachte, dass dir bestimmt kalt ist." "Danke", murmele ich etwas verwirrt. "Darf ich?", fragt sie und deutet auf den Platz neben mir. Ich nicke und rücke ein Stück beiseite, um ihr Platz zu machen. Nach einiger Zeit breche ich das Schweigen. "Kannst du nicht schlafen?" "Nein, ich schlafe schon seit einer ganzen Weile nicht mehr gut. Irgendwie mache ich mir zu viele Gedanken über alles. Ich weiß nicht..." Sie stockt. "Egal, vergiss es." Mein Herz schlägt so laut, dass ich mir sicher bin, dass sie es hören muss. "Nein, sag ruhig." Sie schaut mich an und ihre braunen Augen sehen traurig aus. Dann fährt sie fort. "Ich weiß, es klingt blöd, aber manchmal fühle ich mich einfach so verloren auf dieser Welt. In zwei Jahren sind wir fertig mit der Schule und dann? Was soll ich dann machen? Ich habe absolut keine Ahnung." Ich kann nicht anders, ich muss lächeln. Auch die perfekte Izzie macht sich Sorgen um ihre Zukunft. Und auf eine absurde Art und Weise ließ sie das noch perfekter auf mich wirken. Sie sieht, wie ich lache. "Ich sag ja, du hältst mich jetzt für verrückt." Schnell schüttele ich den Kopf. "Nein, das tue ich ganz und gar nicht." Ihr Gesichtsausdruck entspannt sich. Sie sieht erleichtert aus. Dann lehnt sie ihren Kopf an meine Schulter und ich atme den Geruch ihrer Haare ein. Ich muss das Verlangen unterdrücken, sie jetzt zu küssen. Sie ist so eine gute Freundin geworden, ich kann das jetzt nicht zerstören. Ich kann sie einfach nicht verlieren. Ich kann das hier nicht. 

Ein wenig zu plötzlich stehe ich auf. Erschrocken blickt sie mich an. "Es tut mir Leid", sage ich noch, dann gehe ich wieder in die Wohnung. In meinem Rücken spüre ich ihren durchdringenden Blick. 

She - Als mein Leben ins Wanken gerietWhere stories live. Discover now