Kapitel 20: Für dich

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Ich liege friedlich auf Izzies Schulter. Ihre Finger streichen sanft über meinen Arm und ich schaue ihr tief in die Augen. "Das war wunderschön", sagt sie mit einem Lächeln. Das stimmt, es war der absolute Wahnsinn. Gerade als ich etwas erwidern will, öffnet sich plötzlich die Tür zu meinem Zimmer. Ich höre die Stimme meiner Mutter rufen: "Jessie? Schläfst du noch? Dein Vater und ich..." Und plötzlich steht sie mitten im Raum und starrt uns an. Izzie und ich zucken zusammen und werfen uns schnell eine Decke über. "Scheiße! Mama, das ist nicht das, wonach es aussieht!" Ihr steht das Entsetzen ins Gesicht geschrieben. "Wir reden unten." Mit diesen Worten macht sie auf dem Absatz kehrt und stürmt aus meinem Zimmer. Stöhnen lasse ich meinen Kopf auf das Kissen fallen. Ich könnte schreien. Izzie springt auf und zieht sich schnell an. "Hör zu, Iz, es tut mir so Leid! Ich weiß gar nicht, was sie schon hier machen, eigentlich sollten sie noch zwei Tage weg sein." Sie lächelt mich aufmunternd an. "Das war unerwartet, aber du kannst ja nichts dafür. Mach dir lieber Gedanken darüber, wie du ihnen das jetzt erklärst." Mir schießen Tränen in die Augen. "So ein Mist! Ich bin am Arsch. Das kann ich nicht!" Sie ist jetzt fertig mit anziehen und kommt wieder  zu mir ans Bett. "Wir schaffen das zusammen. Mach dir keine Sorgen, das wird schon alles." Damit gibt sie mir einen flüchtigen Kuss und zieht mir die Decke weg. "Und jetzt ziehst du dich an!" 

Auf dem Weg die Treppe hinunter ins Wohnzimmer werde ich das Gefühl nicht los, mich gleich übergeben zu müssen. Mir ist entsetzlich schlecht und in meinem Hals hat sich ein großer Knoten gebildet. Izzie läuft neben mir und drückt meine Hand. "Schon okay, ich bin bei dir." Ich bin ihr so dankbar, dass sie nicht schreiend abgehauen ist, als meine Mutter plötzlich im Zimmer stand. Unten angekommen warten meine Eltern schon auf mich. Mein Vater ist ganz bleich und sieht schrecklich aus. Ohne mich auch nur anzuschauen, wendet sich meine Mutter an Izzie. "Du solltest jetzt besser gehen." Sie wirft mir einen fragenden Blick zu , doch ich schüttele den Kopf. Auf meinen Lippen forme ich die Worte: "Bitte bleib." Sie nickt und bleibt. Meine Mutter seufzt laut. Ihre Augen sind leicht gerötet. Hat sie geweint? Nach einigen Momenten grausamer Stille, traue ich mich, das Wort zu ergreifen. "Was macht ihr schon hier? Ihr wolltet doch viel länger wegbleiben." Ihre Augenbrauen ziehen sich zusammen. Es ist offensichtlich, dass sie gerne Antworten hätte und es nicht mag, dass ich so um den heißen Brei herumrede. Doch sie sieht nicht wütend aus. Vielleicht enttäuscht, aber nicht wütend. "Deinem Vater geht es nicht gut. Ich glaube er kriegt einen fiesen Virus. Deswegen haben wir uns entschieden, früher zurückzukommen." Sie spricht nicht weiter. Sie wartet ab, bis ich anfange. Hilflos schaue ich zu meinem Vater. Aber auch er sitzt reglos da und sagt kein Wort. Ich spüre, wie Izzie den Druck an meiner Hand verstärkt. Ich atme tief durch. "Mama, Papa, das hier ist meine Freundin Izzie." Mein Vater steht langsam auf. "Freundin im Sinne von ihr habt eine Beziehung?" Ich versuche zu schlucken, doch der Kloß in meinem Hals ist noch größer geworden. Ich nicke. "Ja." "Heißt das, du bist lesbisch?" Die Frage kann ich nur schwer beantworten. Deswegen lasse ich mir kurz Zeit, um nachzudenken. "Das weiß ich nicht. Vielleicht kann ich auch Männer lieben, aber im Moment gehört mein Herz einer Frau." Ich beiße mir auf die Unterlippe. Mein Herz rast wie verrückt und ich habe Angst, dass es vor Nervosität explodiert. Meine Mutter räuspert sich. "Wie lange seid ihr Zwei schon..." Meine Stimme ist heiser, als ich antworte. "Ungefähr drei Monate." Ich sehe, wie meine Worte sie verletzen. Ihre Augen werden feucht. "Warum sprichst du nicht mit uns? Wir sind deine Eltern, du solltest mit uns über alles reden können. Wann wolltest du es uns sagen?" Meine Unterlippe beginnt zu zittern und ich merke, wie auch ich kurz davor bin zu weinen. "Ich weiß nicht. Mama, Papa, ich wollte wirklich mit euch reden, aber ich muss mir erst einmal selbst über alles klar werden." Ihre Gesichtszüge werden sanft und sie kommt auf mich zu. Dann legt sie ihre Arme um mich und drückt mich fest an sich. Noch nie war eine Umarmung so tröstlich. Es tut wirklich gut, diese Nähe zu spüren. Ich fühle mich, wie ein kleines Kind, das Schutz in den Armen seiner Mutter findet. "Schon okay", flüstert sie, "Du bist unsere Tochter. Wir lieben dich über alles und das wird auch immer so bleiben. Aber bitte sag uns ab jetzt einfach direkt die Wahrheit." Jetzt weine ich vor Erleichterung. "Ich werde es versuchen." Ich sehe Izzie im Hintergrund stehen. Unsere Blicke treffen sich. Ich bemerke, wie ihre braunen Augen vor Freude strahlen. Gott, ich liebe dieses Mädchen. "Danke", flüstere ich.

She - Als mein Leben ins Wanken gerietWhere stories live. Discover now