Kapitel 2 *

22.1K 832 22
                                    

Während der zweistündigen Fahrt zum Rudel zurück, sprach keiner von uns ein Wort. Allesamt  waren wir von Schweigen umhüllt und man konnte nur die leise Musik, welche aus dem Radio drang hören. Jeder von uns schien in seinen eigenen Gedanken versunken zu sein.

Tante Jess war damit beschäftigt auf die alte Landstraße zu achten, damit sie nicht direkt in die Schlaglöcher fuhr. Ethan hingegen hatte sich ganz zurückgezogen und starrte nun mit einer emotionslosen Miene aus dem Fenster.

Man könnte meinen er wäre tot, doch dank meines weiterentwickelten Gehörs konnte ich seinen Herzschlag und seinen regelmäßigen Atem hören.

Meine Aufmerksamkeit wurde jedoch von den ersten Regentropfen, welche auf der Windschutzscheibe auftrafen, unterbrochen. Während der Regen langsam auf uns hinab prasselte, umgab uns immer mehr eine Art Melancholie.

Auch wenn die meisten diese Art von Wetter hassten, liebte ich es. Ich liebte es in vollkommener Dunkelheit in meinem Zimmer zu liegen und den leichten Regentropfen zuzuhören - wie diese gegen mein Fenster klopfen.

Ich wandte meinen Blick wieder der Straße zu und erkannte in der Ferne bereits das Ende der Landstraße. Das Ende der Landstraße bedeutete nicht nur dass wir unserem Ziel näher kamen, sondern auch dass unser kleiner Friede, unsere winzige Freiheit langsam aber sicher ein Ende fand. Bald schon müssten wir uns wieder dem Monster entgegenstellen, welches sich Vater nannte.

Ein weiteres Mal blickte in aus dem Fenster und sah in der Ferne die ersten Häuser, welche den Rudelsmitgliedern gehörten.
Die Rudelmitglieder die nicht im Rudelhaus wohnten, entschieden sich öfters dafür in ein eigenes Haus zu ziehen.

Wenn man an allen Familienhäusern vorbei fährt, so kommt man am Ende der Straße vor einem riesigen Gebäude zu stehen. Dieses Gebäude, welches einer Villa gleicht war unser Rudelhaus und darin lebten etwa 150 Personen.

Als Tante Jess in unsere Einfahrt fuhr, merkte ich dass unsere gemeinsame Fahrt hierher viel zu schnell vorüber war.

Tante Jess hatte inzwischen den Motor ausgeschalten und machte sich daran, aus dem Auto zu steigen. Ethan tat es ihr gleich und nachdem er ein letztes Mal leise aufseufzte stieg er schlussendlich aus.

Ich sah wie die beiden unser Gepäck aus dem Kofferraum hievten, auf dem Boden abstellten und wie Tante Jess zum Abschied Ethan noch umarmte.

Ich hingegen saß immer noch wie versteinert da und schaute geistesabwesend den Türgriff an. Ich wollte nicht aus der Sicherheit dieses Autos aussteigen und der Realität entgegentreten, welche mein Todesurteil sein würde.

Doch ich wusste, ich musste stark sein. Nicht für mich, sondern für Ethan. Denn ganz das, hatte ich Mum versprochen.

Ein letztes Mal holte ich tief Luft, trat heraus und befand mich sofort in den Armen meiner geliebten Tante.

„Du wirst mir fehlen Schätzchen. Pass gut auf Ethan und dich auf und kommt mich bald wieder besuchen.". Sanft ließ sie ihre Finger über meine Wange gleiten und wischte mir meine Tränen weg. Ich blickte in ihre goldbraunen Augen, welche mich genauso traurig durch einen Tränenschleier hinweg ansahen. Dieser Abschied war wesentlich schwerer, als ich es mir vorgestellt hatte.

Tante Jess war nämlich wie unsere beste Freundin. Sie hatte immer ein Ohr für uns offen, doch am meisten war sie für uns wie eine zweite Mutter.

Nebeneinander standen Ethan und ich in der Einfahrt und sahen dabei zu, wie sich ihr Auto immer mehr und mehr von uns entfernte.

„Ich will nicht zurück.". Meinte Ethan der sich zum Haus umgedreht hatte. „Ich weiß Ethan, ich weiß.". Ich nahm unser Gepäck, schmiss es mir über die Schultern und deutete Ethan, dass er mir folgen soll.

„Egal was passiert, bleib einfach hinter mir ok?". Alle meine Sorgen, alle fürchterlichen Szenarien, welche mir während der ganzen Fahrt lang durch den Kopf geschwirrt sind waren allerdings umsonst gewesen, denn niemand war im Haus. Der große böse Wolf war nicht da.

I'm the Alpha's biggest mistakeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt