》Kapitel 40 - Rückkehr《

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Kreischend zappelte ich wie ein gestrandetes Säugetier herum und versuchte den Kannibalen abzuschütteln, aber er war hartnäckig und sehr hungrig. Meine Augen waren zusammengekniffen, um die Tränen zurückzuhalten, da ich gerade lebendig gehäutet wurde.
Dieser Schmerz übertraf beinahe meinen psychischen Schmerz, denn nie hätte ich mir vorstellen können, dass eine Häutung dermaßen schmerzte.

Also lag ich im Recht, was dem Tod in dieser Nacht anging. Nur, dass ich durch einem Monster starb und nicht aufgrund der Kälte.
Wenn ich diese Situation mit meinen vorherigen Erlebnissen verglich, war dies eines der harmlosesten und zugleich schmerzvollsten Geschehnisse.
Denn wäre ich in der Lage gewesen, mich zu konzentrieren, könnte ich möglicherweise eine Welle herbeirufen oder nochmal einen Blitz einschlagen lassen. Doch obwohl ich gerade am Verzweifeln war, blieb das Unwetter aus, was nicht gerade hilfreich war.

Ich war zu einer bebenden Kugel zusammengerollt, während er sich hingekniet hatte und sich an meinem Arm vergnügte.
Es wäre mir eindeutig lieber gewesen, wenn die Kälte mich umgebracht hätte.
Immer wieder wiederholte ich das Wort bitte, aber er ignorierte mein Jammern und genoss es, an meinem Körper zu saugen.

Mittlerweile war der Schmerz derartig schlimm, dass ich es schaffte, meinen Arm mit aller aufbringenden Kraft wegzuziehen, als sein Griff für eine Sekunde etwas lockerer wurde.
Beschützend drehte ich mich auf der Stelle auf den Bauch, sodass meine Arme unter mir lagen, damit er nicht dran kam.
Doch er machte keine Anstalten, mich ein weiteres Mal anzugreifen. Stattdessen war nur mein verzerrtes Stöhnen zu hören, als hätte er sich bereits aus dem Staub gemacht, aber sein Geruch nach Wald gelangte immer noch intensiv in meine Nase.

"Verschwinde, du kannibalischer Vampir ", keuchte ich und traute mich nicht, meinen Arm anzusehen, da ich befürchtete, dass mein Unterarm sonst vor meinen Augen abbrach, weil diese Bestie selbst meine Knochen durchbrochen hatte.

"Selbst in lebensgefährlichen Situationen bleibst du stets frech, dass solltest du vermeiden, wenn du demnächst überleben möchtest", tadelte mich eine Stimme, die mein Leid um einiges verschlimmerte.
Das war keineswegs möglich.
Augenblicklich sprang ich auf, weil mich der Schock meinen körperlichen Schmerz vergessen gelassen hat. Direkt danach starrte ich auf meinen Arm, um ihm zu zeigen, was er da angerichtet hatte.

Allerdings machte sich ein Problem bemerkbar, sodass ich ungläubig auf meinen gesunden Arm schaute, der weder blutete, noch Bissspuren besaß. Selbst die Schmerzen waren auf wundersamerweise verflogen.
Doch ich hatte den Schmerz eindeutig gespürt und suchte verzweifelt nach den Verletzungen.
Aber sie waren allesamt verschwunden.
Verwirrt blickte ich zu Andrew hinauf, der seine Maske, als auch seine Kleidung entledigt hatte und nun in farbenfrohen Klamotten vor mir stand.

"Überrascht?", erkundigte er sich lachend.
Sprachlos wanderte mein Blick zwischen meinem Arm und ihm hin und her. Es war schwer zu sagen, welches mir mehr Angst machte.
"Müsstest du denn nicht unter den Toten weilen?", erkundigte ich mich schüchtern und schaute betreten auf meinen Arm.
Er war Tod gewesen, denn er hatte aufgehört zu atmen, welches bedeutete, dass er genau wie Ash von den Toten auferstanden ist.
Kein Wunder, dass er sich wie ein Kannibale aufgeführt hatte, nur fehlten die Verletzungen..

"Ich war nie Tod", verkündete er das Unmögliche und ich starrte ihn mit einer Mischung aus Ungläubigkeit und Erleichterung an. Einerseits, weil ich selbst gesehen hatte, wie er in die Tiefe des Ozeans gesunken war und andererseits, weil er keine solche Kreatur wie Ash war, denn das würde ich sonst nicht verkraften.
Dann müsste ich mir nochmals von einer Person, die ich liebte, anhören, was für ein schlechter Mensch ich war. Zwar wusste ich genau, dass es der Wahrheit entsprach, aber es tat weh, es von geliebten Menschen bestätigt zu bekommen.

Er schüttelte gespielt enttäuscht den Kopf, als er meinen Gesichtsausdruck sah und erläuterte:"Du kannst mich nicht töten. Wenn mir ein Blitz nichts anhaben kann, dann kann mir eine bloße Erwürgung erst recht nichts anhaben."
Ich schaute ihn entgeistert an und erklärte:"Du hast aufgehört zu atmen! Ich habe doch genau gesehen, wie du im Wasser versunken bist!"

Seufzend rieb er sich die Stirn, als erklärte er einem Kindergartenkind gerade das Alphabet. "Ich muss nicht atmen. Nur habe ich mich daran gewöhnt, es zu tun. Außerdem würde ich sonst auffallen, wenn ich ohne Sauerstoff einwandfrei herumlaufen würde. Ich habe nur so getan, als hättest du mich abgemurkst, damit deine Wut und deine Lüste nach meinem Tod für eine Weile gestillt sind."

Ich war total durcheinander und plumpste wie ein nasser Sack Kartoffeln, auf den kratzigen Sand, der bereits an meinem ganzen Körper klebte.
Voller Bedauern vergrub ich mein Gesicht in meinen Händen. Warum war ich das Opfer in diesem Leben?

"Tut es dir nicht leid, dass du versucht hast, mich umzubringen? Ich kann nachvollziehen, dass du gerade viel durchmachst, aber einen Mord zu begehen, ist mehr als unmenschlich."

Wütend sah ich zu ihm hinauf und versuchte meinem Zorn nicht die Oberhand gewinnen zu lassen. "Du verstehst gar nichts. Hast du sehen müssen, wie deine Mutter ermordet in ihrem Zimmer hängt? Wie dein Vater vor deinen Augen stirbt? Wie deine beste Freundin von einem Tag auf dem nächsten herzlos ist? Wie dein bester Freund nach deinem Herz verlangt? Wie du zusehen musst, wie du andere Lebewesen abmurkst, nur um dich selbst zu schützen? Der einzigen Person, die einen liebt, sagen müssen, dass du es nochmal tun würdest? Denn das ist das Problem. Ich bereue es nicht, dich erwürgt zu haben. Wahrscheinlich würde ich es sogar wieder tun. Also nein, es tut mir nicht leid."

Der Blickkontakt wurde kein einziges Mal unterbrochen, bis er sich zu mir hinabbeugte und den Blick kurz abwandte, um Luft zu holen.
"Glaub mir, dass ist nicht gerade leicht für mich, denn du bist eine echt harte Nuss, die man knacken muss. Aber ich nehme diese Herausforderung mit Vergnügen an. Mag sein, dass du mich nochmal umbringen würdest, aber ich weiß, was du mir gegenüber empfindest. Du brauchst nicht anfangen, sie abzustreiten, denn du selbst hast mir deine Gefühle eben gestanden. Verlass dich drauf, dass ich deine Meinung über die Liebe ändern werde."
Der nannte mich hartnäckig?

Verständnislos starrte ich ihn mit offenem Mund an und krächzte:"Warum? Warum kannst du dir nicht jemanden suchen, der dich auch verdient hat?"
Mein Herz pochte verkrampft gegen meine Brust und ich holte stockend nach Luft.
"Weil ich dich liebe", begründete er und erhob sich, "Du bist meine einzige Liebe und ich werde es nicht verspielen. Für dich ist es mir Wert, am Ende verletzt zu werden." Er lächelte verkniffen und spazierte mit den Händen in den Hosentaschen zum Zelt.
Ohne sich nochmal umzudrehen, kroch er hinein und auch wenn er mich nicht wörtlich eingeladen hatte, wusste ich, dass er auf mich wartete.

Ich rang mit mir und saß mit einem blutenden Herzen da, weil ich spürte, wie er ein weiteres Stück meines Herzens stiehl.

#qotd: Eine kurze Meinung zur Geschichte?

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