Chapter 9

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Tick, Tack. Tick, Tack. Das Einzige was im Raum zu hören war, war das Ticken der Uhr, das Kritzeln eines Stiftes, mit dem der Typ hinten in der Ecke über sein Papier kratzte und das regelmäßige Atmen von uns fünf Schülern plus den Lehrer. Außerdem das Blättern der Zeitung, in der der Aufsichtslehrer laß.
Während Hayley stumm aus dem Fenster schaute, Harry ohne einmal weg zu schauen, auf die Uhr sah und das Mädchen schräg vor mir schon die ganze Zeit auf ihren Tisch starrte, wanderte mein Blick unruhig durch den Raum. Manchmal schaute ich raus, dann beobachtete ich Hayley oder musterte den Lehrer. Im Gegensatz zu uns Schülern, sah er nicht so gelangweilt aus, anscheinend schien er sich über seine Zeitung von vorgestern zu freuen. Woher ich wusste, dass sie von vorgestern war? Die Schlagzeile auf der Titelseite, war die von vorgestern. Ich fänds interessant, wenn da stehen würde ‚Psychokiller aus Psychiatrie ausgebrochen’ oder ‚Neuer Schokoriegel erfunden’, aber doch nicht ‚Entlaufene Kuh von Bauer wiedergefunden’. Wen interessierte das?
Laut aufstöhnend ließ ich meinen Kopf vor mich auf den Tisch knallen und bekam nur ein „Ruhe!“ von dem Lehrer zu hören. War das sein Ernst? Er hatte zwar am Anfang, als er den Raum betrat gesagt, dass er keinen Mucks von uns hören wollte, aber das er damit gemeint hatte, dass wir nicht mal atmen durften, hatte er nicht erwähnt. Vielleicht hätte er es noch sagen sollen.
„Tut mir leid, dass ich ein Lebewesen bin und auch mal atmen muss, damit ich überlebe.“, gab ich zickig von mir und hob meinen Kopf, nur um in das genervt Gesicht des Lehrers zu schauen. „Shhhh!“, zischte er nur und schaute mich streng an. Mir entwich ein leises zischendes „Spießer“ und ich hörte, wie der Lehrer gegen das Pult trat. Ein Schmunzeln bildete sich auf meinem Gesicht und ich legte meinen Kopf wieder auf den Tisch vor mir, mein Blick zu Hayley gerichtet, die immer noch aus dem Fenster schaute. Wieso? Was war da draußen so interessant? Leider konnte ich von meinem Platz aus, nur die riesige Birke sehen, die auf der Wiese vor dem Fenster stand. Aber als ich mich aufrichtete und mit meinem Stuhl nach hinten kippelte, mich dabei am Tisch fest krallte, um ja nicht hinzufliegen, sah ich endlich, was sie so interessant fand.
Ein paar Meter weiter auf einer Mauer, saßen Louis und Zayn und vor ihnen kickten Liam und Niall einen Ball hin und her. Wahrscheinlich warteten sie bis das Fußballtraining anfing und Zayn wurde wahrscheinlich von Harry dazu verdonnert auf ihn zu warten.
„Pass auf, dass du nicht anfängst zu sabbern.“, zischte ich grinsend zu Hayley rüber, die sich erschrocken zu mir drehte. „Was?“, zischte sie fragend zurück und mein Blick huschte kurz zu Liam, der gerade den Ball auf seinem Fuß balancierte. Hayley schaute mich ernst an, doch ich grinste nur. Ich wusste doch genau, wie sexy sie das fand. Ich wackelte grinsend mit den Augenbrauen und bekam eine Sekunde später ihren Stift gegen den Kopf. „Aua.“, wisperte ich, strich mir über die Stirn und zog einen Schmollmund. Plötzlich hörte ich hinter mir ein leises Auflachen und sofort schoss mein Blick zu Harry. „Lach nicht!“, knurrte ich zwischen zusammengepressten Zähnen hervor, aber er zeigte Hayley nur einen Daumen für ihren Wurf. Genervt hob ich den Stift auf, der neben mir auf dem Boden lag und warf ihn Harry gegen den Kopf, der kurz nach Luft schnappte und mich sauer anfunkelte. „Pech.“, formte ich tonlos mit meinen Lippen und drehte mich wieder nach vorne.
Ich kramte in meiner Tasche nach etwas Essbarem, aber da war wirklich nichts mehr. Ich schob meinen Kopf immer weiter in meine Tasche, in der Hoffnung, doch noch was zu finden oder wenigstens Kaugummi, als mich plötzlich was im Nacken traf. Tief einatmend drehte ich mich langsam zu Harry um, der mich zufrieden angrinste.
„Übertreib es nicht, Lockenkopf!“, platzte es aus mir heraus und der Lehrer schlug auf das Pult, was alle im Raum zusammen zucken ließ, worauf der Typ hinten im Raum, aus Schreck seinen Stift fallen ließ und ihn dann genervt wieder aufhob. Er warf mir einen kurzen tötenden Blick zu und widmete sich dann wieder seiner Kritzelei. Harry grinste mich nur zufrieden an und als sich der Lehrer räusperte, drehte ich mich wieder nach vorne. Mr. Harsen, so hieß er übrigens, schaute mich ermahnend an, schaute dann auch streng zu Harry und widmete sich danach wieder seiner Zeitung, in der er gerade das Kreuzworträtsel löste.
Während sich auf seinem Gesicht ein Grübeln ausbreitete, war Hayley schon wieder dabei Liam und die anderen zu beobachten. Da ich auch was sehen wollte, weil es echt extrem langweilig war und ich ja sonst nichts machen konnte oder durfte, kippelte ich wieder nach hinten und schaute zu Louis, der gerade zum Fenster gerannt kam, weil irgendwer den Ball direkt hier her geschossen hatte. Louis grinste breit, als er uns sah, hob den Ball auf und wank uns zu. Hayley grinste zurück, während ich wild zurück winkte und dabei fast mit dem Stuhl nach hinten kippte. Louis lachte, das sah und hörte man sogar durch die geschlossenen Fenster und ich winkte noch wilder zurück, was Mr. Harsen wieder auf mich aufmerksam machte.
„Erin!“, ermahnte er mich streng. Entgeistert drehte ich mich zu ihm. „Ich hab doch nur-“, wollte ich mich verteidigen, doch Mr. Harsen unterbrach mich. „Nein! Und ist es dir erlaubt zu kippeln?“ Angespannt schaute er mich an und langsam setzte ich mich wieder normal hin. „Aber darf ich nichtmal-“
„Nein!“
„Aber ich wollte doch nur-“
„Hör auf mit mir zu diskutieren Erin.“ Mr. Harsen und ich schauten uns einen Moment genervt an, ich konnte sogar sehen, wie sich sein Kiefer anspannte. Ein klares Zeichen, dass er kurz davor war auszurasten. Wie ein Vulkan kurz vor seinem Ausbruch. Es brodelte in ihm, das wusste ich genau. Mr. Harsen hatte die schwächsten Nerven, die ich an einem Lehrer je gesehen hatte und deswegen verstand ich auch nicht, wieso er die Aufsicht beim Nachsitzen war.
Noch einen kurzen ermahnenden Blick an mich und dann wand er sich wieder seinem Kreuzworträtsel zu und sofort bildete sich wieder dieser grübelnde Ausdruck auf seinem Gesicht. Zwischen seinen Augenbrauen bildete sich sogar eine Falte, was ihn noch älter aussehen ließ, als er es eh schon war. 
Gelangweilt lehnte ich mich zurück. Louis war wieder verschwunden und wahrscheinlich wieder bei den anderen. Ich fing an, die ganzen vielen kleinen Löcher in der Decke zu zählen, ja so langweilig war mir schon. Ich verzählte mich immer wieder und durfte auch immer wieder von vorne anfangen und das wiederholte Auftippen von Harrys Schuh auf den Boden hinter mir, machte das alles nicht besser. Ich konnte mich nicht konzentrieren und meine Nerven strapazierte der Esel noch mehr, als sie es eh schon waren. Ich meine Nachsitzen, nichts zu Essen haben und dabei einen Mordshunger, ein strenger Lehrer, der einen nicht mal seinem Bruder winken ließ, die beste Freundin starrt geiernd aus dem Fenster, die anderen im Raum waren für nichts zu gebrauchen und dann noch das Geschehen von vorhin mit Niall. Ich sage ja, heute ist nicht mein Tag.
Als ich mich nun zum unzähligsten Mal verzählt hatte und Harry immer noch nicht aufgehört hatte immer wieder auf den Boden zu tippen, haute ich einmal mit meinen flachen Händen auf den Tisch und drehte mich aggressiv zu Harry um. „Kannst du das mal lassen?“, giftete ich ihn an und schaute in sein erschrockenes Gesicht. Doch sein erschrockener Ausdruck wich sofort und er grinste mich provozierend an. Er erwiderte nichts, nein, er tippte einfach weiter munter mit seinem Schuh auf den Boden und er wusste, dass er mich nicht hätte mehr provozieren können.
„Lass das!“, sagte ich lauter und hörte wie Mr. Harsen seine Zeitung auf den Tisch knallte. „Erin!“, nannte er meinen Namen laut und wütend, doch ignorierte ihn einfach. „Lass das, Styles!“, wiederholte ich mich, dieses Mal zischend und drehte mich ganz zu ihm um, sodass ich richtig vor ihm saß und stoppte das Auftippen seines Fußes, indem ich ihm auf seinen Fuß trat. Erschrocken zog er seinen zurück und funkelte mich sauer an. „Geht’s dir noch gut?“ „Das sollte ich dich fragen! Ich hab mehrmals gesagt, du sollst das lassen! Selbst Schuld! Ich hoffe ich hab deinen Fuß zerquetscht!“ Bei meiner Äußerung hörte man zum ersten Mal das Mädchen im Raum. Sie kicherte leicht und als Harry und ich zu ihr schauten, schaute sie verschämt weg. Niemand von uns wusste wieso sie hier war und ich verstand es auch einfach nicht. Sie war so ruhig und sagte nicht ein Wort, sie war total in sich gekehrt und ich konnte mir nicht vorstellen, dass sie irgendwas angestellt hatte. 
„Leider muss ich dich enttäuschen! Meinem Fuß geht es nach wie vor prächtig.“, riss Harry mich aus meinen Gedanken. Gerade wollte ich was erwidern, da stand plötzlich Mr. Harsen neben uns, schaute uns wütend an, war sogar schon rot vor Wut. „Was soll das? Ich habe euch von Anfang an gesagt ihr sollt ruhig sein, keinen Mucks von euch geben, bis die anderthalb Stunden vorbei sind, aber ihr könnt euch einfach nicht daran halten! Hat man euch denn nicht ordentlich erzogen?“, brüllte er uns an und spuckte dabei, was mich grinsen ließ, als Harry sich angeekelt durchs Gesicht wischte.
„Jetzt grinst du auch noch so provozierend! Erin, ich denke ich sollte mal mit deinen Eltern reden!“, brüllte er und wurde noch roter, wovon ich dachte, dass es unmöglich war. Ich wollte mich verteidigen, doch als ich plötzlich was gegen meinen Kopf bekam und zu Harry schaute, der nur grinste und ich dann den Stift auf dem Boden liegen sah, sah ich rot. Ich schnappte  mir den Stift und wollte ihn gerade gegen Harrys Kopf werfen, als Mr. Harsen mein Handgelenk packte und auch Harrys, da er sich schützend die Hände vors Gesicht hielt.
„Jetzt geht ihr eindeutig zu weit!“, brüllte Mr. Harsen und wollte uns gerade hochziehen, wahrscheinlich wollte er mit uns zum Direktor, als plötzlich die Tür aufgeschlagen wurde. Alle Blicke wanderten zur Tür, in der ein mir total unbekanntes Mädchen stand. Ihre langen braunen Harre fielen ihr Glatt über die Schulter und ihre braunen Augen, wanderten irritiert von dem Pult, wo sie anscheinend erwartet hatte Mr. Harsen vorzufinden, zu uns. Mr. Harsen hatte Harrys und mein Handgelenk immer noch in seinen alten knochigen Händen, doch sein Griff lockerte sich, als er das Mädchen sah.
„Und du bist?“, fragte er barsch und ließ uns los. „Ehh… mir wurde gesagt, hier findet das Nachsitzen statt.“, sagte das Mädchen nur und wendete ihren Blick kopfschüttelnd von mir und Harry ab, als Mr. Harsen auf sie zu ging. „Ich wollte wissen, wer du bist, nicht was dir gesagt wurde.“, meinte er schroff und blieb vor ihr stehen. „Haben sie schon mal was von Abstand gehört? Sie rücken mir ziemlich auf die Pelle!“, meinte sie und drückte ihn ein kleines Stück von sich weg. Mr. Harsen schaute sie empört an, wollte gerade was sagen, doch da fing das Mädchen wieder an zu sprechen. „Ich bin Rose. Rose Miller. Und ich bin hier, weil ich zum Nachsitzen hier her geschickt wurde.“, erklärte sie. „Bin ich hier richtig?“ Mr. Harsen beäugte das Mädchen kritisch und nickte dann. „Ja. Aber wieso kommst du erst so spät?“
„Weil“, fing Rose an und lehnte sich an einem Tisch ab, „ich den Raum nicht gefunden habe. Ich bin erst seit heute hier und kenne mich hier nicht aus.“ Mr. Harsen warf einen Blick auf seine Armanduhr. „Du bist fast eine Stunde zu spät?“, stellte er fest und schaute Rose auf eine Erklärung wartend an. „Da haben sie recht, Mr… Harsen? Ich glaube das war ihr Name oder?“ Mr. Harsen nickte nur. „Naja, ich hatte Hunger und bin noch zum Bäcker gegangen. Und dann hab ich den netten Hausmeister gefragt, wo ich denn hin muss und er war so freundlich mir den Weg zu erklären.“ Rose grinste breit. Ich lachte nur und auch Hayley und Harry lachten leise. Das Mädchen gefiel mir. Sie war frech, nahm kein Blatt vor den Mund und ließ sich nicht einschüchtern. 
„Setz dich.“, befahl Mr. Harsen ruppig, Rose gehorchte und setzte sich auf den freien Platz vor mir. Ich beobachtete Mr. Harsen wir er sich wieder auf seinen Platz vorne am Pult begab, uns alle nochmal anschaute, bevor er wieder an seinem Kreuzworträtsel scheiterte. Erst als ich sicher war, dass er sich wieder voll und ganz nur auf das Kreuzworträtsel konzentrierte, tickte ich Rose an. Grinsend drehte sie sich zu mir um. „Ehm…“, fing ich leise an, „du warst doch beim Bäcker oder?“ Sie nickte nur. „Und eh… dann hast du sicherlich was zu Essen oder?“ Sie fing an zu lachen und drehte sich wieder nach vorne. Für einen Augenblick wühlte sie in ihrer Tasche rum, dann drehte sie sich wieder zu mir um und streckte mir eine Tüte entgegen. „Bitteschön.“ Dankend nahm ich die Tüte an und fing fast an zu sabbern, als ich den Inhalt sah. Ein Schokobrötchen. „Lass es dir schmecken.“ Rose grinste mich breit an. „Ich liebe dich.“, entfloh es meinem Mund fast tonlos, doch Rose hatte es gehört und lachte nur. Ich stimmte in ihr Lachen ein und biss dann endlich von dem köstlichen Schokobrötchen ab. Und es war besser als alles andere in dem Moment. 

Something StupidWhere stories live. Discover now