- 31 -

1.1K 125 12
                                    

„Und warum dürfen sie nichts von der Henkersmahlzeit essen", frage ich ihn während wir mit schnellen Schritten den Gang entlang zu Tamis Zelle gehen. Sie liegt meiner am nächsten.

„Adam, was glaubst du, wie ihr Menschen hier im Schlachthaus getötet werdet?"

„Nun, es gibt ja sooo viele Möglichkeiten einen Menschen zu töten. Man kann ihn erschießen, hängen, den Kopf abhacken ..."

„... oder vergiften."

„Die Henkersmahlzeit ist vergiftet?"

„Ist sie."

Wir erreichen Tamis Zelle und Damik schließt sie auf.

Sofort stürze ich rein. „Tami, hast du irgendwas davon gegessen?!", frage ich sie panisch.

Sie erschrickt. „Ich ... nein ... warum?", stottert sie.

„Weil das wortwörtlich unsere letzte Mahlzeit werden sollte. Sie ist vergiftet. Du hast wirklich nichts davon gegessen?!"

„Habe ich nicht", antwortet sie verängstigt und schüttelt wild ihren Kopf hin und her.

„Gut. Komm. Wir müssen uns beeilen und Toni und Lukas holen, bevor sie was davon essen."

Wir folgen Damik weiter.

„Was genau für Gift ist das denn?", fragt Tami ihn.

„Eine chemische Mischung aus unterschiedlichen Mitteln, die in übermäßigen Dosen alle samt unverträglich für den menschlichen Körper sind und schon vereinzelt zum Tod führen können. Zusammen also erstrecht."

„Aber sind wir dann überhaupt noch genießbar? Also ich meine, könnt ihr uns dann überhaupt noch essen, wenn unser Körper mit Gift vollgepumpt ist?"

„Diese Mittel sind nur für den menschlichen Körper schädlich, jedoch nicht für unseren."

Tami und ich sind still. Wer denkt sich denn sowas aus?!

Wir halten an der nächsten Zelle. Der von Lukas. Damik öffnet die Tür und wieder lautet meine erste Frage „Hast du irgendetwas davon gegessen?".

„Was? Warum fragst du?"

„Weil das Zeug vergiftet ist und uns alle umbringen soll. Also bitte sag mir, dass du nichts davon gegessen hast."

„Ich bitte dich, Adam. Als würde ich irgendetwas davon auch nur anrühren, was mir die Besetzer vor die Nase stellen."

Ich atme erleichtert aus. „Ok, dann weiter zu Toni."

Tonis Zelle ist nur zwei Türen weiter. Auch ihn will ich grade fragen, ob er etwas von seiner Henkersmahlzeit gegessen hat, als ich mich plötzlich selber dabei unterbreche.

„Toni, hast du ... Toni? Wo ist deine Henkersmahlzeit?"

„Man hat mir noch keine gebracht", er zuckt mit den Schultern.

„Dann werden sie gleichkommen. Wir müssen uns verstecken, bis er sie hat. Sonst werden sie uns suchen", erklärt uns Damik.

„Ok, aber wo?", frage ich ihn.

„Lukas' Zelle", schlägt Tami vor.

„Toni, du darfst nicht einen Bissen von deiner Henkersmahlzeit essen. Sie wollen uns damit vergiften", warne ich ihn.

„Alles klar", antwortet er locker und nickt.

Mit dem stimmt doch wirklich was nicht.

Ich schließe die Tür wieder und zwänge mich dann mit Tami, Lukas und Damik in den kleinen Raum. Wir warten still auf die Räder des Servierwagens und das Stampfen eines Starken.

Wir müssen nicht lange warten. Vielleicht zwei oder drei Minuten. Das war eigentlich verdammt knapp, wenn man darüber nachdenkt.

Als das Stampfen wieder leiser wird, öffnet Damik die Tür wieder und holt Toni aus seiner Zelle.

„Und jetzt?", frage ich Damik, welcher schon wieder weiterläuft. Wir folgen ihm, auch wenn wir nicht ganz sicher sind, wo er uns hinführt.

„Deine Schwester liegt noch auf der Aufwachstation, Adam."

„Sie ist noch nicht wach?"

„Adam ...", setzt er an und stockt dann.

Scheiße, was ist los?! Was ist mit Aurora?!

„Damik, was ist? Geht es meiner Schwester gut?"

„Ja, aber ... die Betäubung ist darauf ausgerichtet, sogar einen kräftigen Mann für mehrere Stunden außer Gefecht zu setzen. Sie ist noch nicht ganz bei sich und das, obwohl sie nun schon seit über einer Woche hier ist. Aurora ist recht klein und zierlich. Es kam schon öfters vor, dass Kinder länger Bewusstlos waren, aber bei Aurora ist es anders."

Damik ist recht schnell. Wir versuchen alle mit ihm mitzuhalten, während er uns durch ein Labyrinth von weißen Gängen führt, aus dem ich nie alleine rausgefunden hätte.

„Was meinst du damit, dass es bei Aurora anders ist?"

„Sie war zwischenzeitlich schon ein paar Mal wach und hat sogar gesprochen. Schwach, aber sie hat gesprochen. Und dann viel sie wieder für Stunden in die Betäubung und ihre Werte sanken. Das ist sehr selten, aber es gab schon solche Fälle wie jetzt bei ihr. Es ist so als würde sie die ganze Zeit versuchen gegen diesen Schlaf anzukämpfen und es auch hin und wieder schaffen aufzuwachen, bevor der Schlaf sie wieder einholt und sie ihr Bewusstsein verliert."

Was zum Teufel versucht er mir gerade zu sagen?!

„Und das bedeutet jetzt was?"

„Es kann sein, dass wir sie jetzt nicht wach bekommen werden."

„Dann werde ich sie tragen. Das ist kein Problem. Hauptsache wir kriegen sie hier irgendwie raus."

„Adam, du scheinst nicht zu verstehen. Aurora, oder besser gesagt ihr Körper, versucht sich gegen die Betäubung zu wehren."

„Sie ist eben eine Kämpferin, na und?"

„Desto mehr sie dagegen ankämpft, desto länger wird ihr Körper brauchen, das Serum zu bekämpfen und desto länger wird es auch dauern, bis sie wieder wach ist."

Ok, jetzt macht er mir doch langsam Angst.

„Damik, sie wird doch wieder aufwachen oder?", frage ich ihn und sauge scharf die Luft ein, als seine Mundwinkel sich doch tatsächlich ein Stück nach unten bewegen.

„Damik?!" Ich halte an und balle meine Hände zu Fäusten. „Sag mir, dass meine kleine Schwester wieder aufwachen wird aus eurer beschissenen Betäubung?"

„Sie wird wieder aufwachen, Adam. Aber es kann sein, dass das Serum sie bis dahin geschädigt hat."

Rehaugen (Band 1)Où les histoires vivent. Découvrez maintenant