Kapitel 1:

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 »Nein, Nein, Nein! « schrie ich meinem Vater ins Gesicht, der mit meiner Mutter und meinem Bruder an unserem Esszimmertisch saß.

 »Rebecca, beruhig dich. « sagte er mit ruhiger Stimme, doch ich konnte mich nicht mehr halten.

 »Wie soll ich mich bitte beruhigen? Ihr habt mir gerade gesagt, dass wir diese Woche nach England ziehen und hier vorerst nicht mehr hinkommen. Ich will nicht hier weg, verdammt nochmal! Und nenn mich nicht Rebecca! « kreischte ich, meine Mutter hatte ihr Gesicht schon in ihren Händen vergraben.

 »Hätte ich es früher erfahr - «

 »Hätte, wäre, wenn! Habt ihr auch einmal nach meiner Meinung gefragt? Oder nach Tobias? « unterbrach ich ihn und schüttelte enttäuscht den Kopf. »Es ist so unfair von euch, dass du mir wegen deinem blöden Job mein Leben versaust, ich hasse dich! «

 Mein Vater war nun aufgestanden und meine Mutter versuchte mich zur Vernunft zu bringen.

 »Ich weiß, es ist hart für dich, aber ich kann nichts daran ändern. Aber das ist kein Grund mich zu hassen. « Tränen liefen mir über die Wange, ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Stattdessen verließ ich den Raum und rannte in mein Zimmer, wo ich mich einschloss. Ich vergrub meinen Kopf in meinem Kopfkissen und ließ meinen Tränen freien Lauf.

 Willkommen in meinem frisch zerstörten Leben. Mein Name ist Rebecca Mills, ich bin 16 ½ Jahre alt und ich habe lange, braune Haare, die mir fast bis zu meinem Bauchnabel gehen. Ich war immer zufrieden mit meinem Leben und mit meiner Familie kam ich immer super zurecht, doch heute hatte sich alles geändert. Mein Vater wurde nach London versetzt. Es bestand keine andere Möglichkeit, also haben mir meine Eltern mal so gerade beim Abendessen mitgeteilt, dass es am Samstag Tschüss Deutschland und Hallo England heißt und dann erwarteten sie noch, dass ich glücklich darüber bin.

 Wäre es noch ein paar Monate bis dahin, wäre es etwas anderes gewesen und hätte genug Zeit gehabt, um mich von allem hier zu verabschieden. Schließlich waren alle meine Freunde hier, ich ging hier zur Schule, ich war hier aufgewachsen und es war einfach der Ort, an dem ich mich am wohlsten fühlte, aber meine Eltern hatten anscheinend kein Verständnis, jedenfalls nicht das, was ich erwartet hätte.

 Wie sollte ich mich innerhalb von 3 Tagen, die mir bis Samstag noch blieben, von meinen ganzen Freundinnen verabschieden und wie sollte ich meinem Freund erklären, dass wir uns erstmal nicht sehen werden. Wie oft würden wir überhaupt nach Deutschland kommen? Ich schluchzte noch lauter und trampelte mit meinen Füßen auf meinem Bett herum.

 Ich würde vorzeitig nicht mehr mit Tessa, Lara und Juliana shoppen gehen und unvergessliche Mädelsabende machen, mit Nina tanzen oder mit Jacky joggen gehen. Ich könnte nicht mehr mit meiner Mannschaft Tischtennis spielen und ein paar Preise absahnen. Ich würde sie alle nicht mehr wiedersehen, für eine lange Zeit. Und das wollte ich nicht. 

 Und am meisten würde ich Chris vermissen. Seit nun mehr als einem Jahr waren wir beide zusammen. Wir hatten so viel durchgemacht, aber trotzdem hatten wir uns nie getrennt. Er war mein erster Freund und mit ihm war es einfach perfekt. Ich erinnerte mich immer wieder an unseren ersten Kuss, damals. Doch in Zukunft würde ich nicht mehr in seinen Armen einschlafen, ihn zu jeder Tageszeit anrufen, weil es mir schlecht geht oder mit ihm Zeit verbringen. Mein Leben ist von der einen auf die andere Sekunde zu Grunde gelaufen.

 Es klopfte an der Türe und die helle Stimme meiner Mutter ertönte. »Becca? Kann ich reinkommen? « Ich antwortete ihr nicht. Ein Schlüssel drehte sich im Schloss und meine Mutter trat in mein Zimmer. Geschockt schaute ich sie an. 

 »Seit wann hast du einen zweiten Schlüssel? « stotterte ich.

 »Wir haben für alles einen zweiten Schlüssel. Aber das ist jetzt nicht wichtig. « sie schloss die Türe und setze sich neben mich auf mein Bett. Ich richtete mich auf. Es war mir unangenehm, da ich mich unten nicht richtig verhalten habe.

 »Es ist schwer für dich, aber das ist noch kein Grund deinen Vater dafür so anzumachen. « sagte sie ruhig. Ich nickte stumm. »Sorry… « murmelte ich und verkniff mir, zu protestieren. Ihre Hand wanderte zu meiner Schulter und nach kurzen zögern legte sie ihren Arm um mich.

 »Ich bin auch nicht gerade glücklich darüber, aber wir können es nun einmal nicht ändern. Und dir wird es dort bestimmt gefallen, wir werden mitten in London wohnen. « schwärmte sie. Ich schaute sie genervt an.

 »Es wird bestimmt schön für euch, aber für mich nicht. Mein Englisch ist nicht so gut, ich habe dort keine Freunde, ich kenn mich nicht aus und Chris ist auch nicht da! « sie seufzte.

 »Du wirst dort bestimmt schnell Anschluss finden. « versicherte sie mir. »Und wozu gibt es das Internet? Du kannst mit deinen Freunden Kontakt halten und Chris - «

 »Kannst du mich bitte was alleine lassen? Ich muss mir jetzt erstmal Gedanken darüber machen, wie ich ihm das erklären soll. « ich löste mich aus ihrer halben Umarmung, stand auf und stellte mich mit verschränkten Armen vor mein Fenster.

 Mein Bett knarrte leicht, die Schritte meiner Mutter entfernten sich von mir und die Tür fiel ins Schloss. Endlich hatte ich wieder meine Ruhe. Mein Blick schweifte über die Straße draußen. Von meinem Fenster hatte man so gut wie Alles im Blick. Ich konnte es mir gar nicht vorstellen, bald nicht mehr hier zu stehen.

 Ich drehte mich um und ging zu meinem Computer, um etwas Musik laufen zu lassen. Speziell hatte ich keine Musikrichtung, ich hörte nur dass, was mir auch gefiel. In dem Monitor wurde mein Gesicht gespiegelt und erschrak ein bisschen bei meinem Anblick. Meine Wimperntusche war durch die ganzen Tränen völlig verlaufen. Schnell klickte ich auf Zufall und das Lied »Too Close« von Alex Clare ertönte.

 Ich ging zu meinem großen Spiegel und entfernte die schwarzen Überreste. Ich benutze nicht viel Make-Up, da ich fand, dass ich nicht so viel brauchte. Ich war lieber natürlich, als dass ich eine halbe Tonne Schminke im Gesicht hatte. Mit ein bisschen Puder überdeckte ich meine Augenringe und ich tuschte meine Wimpern leicht. Meine Haare kämmte ich und machte sie zu einem Zopf zusammen.
Ich betrachtete mich im Spiegel. Mit meiner Figur war ich schon immer unzufrieden. Hier und da zu viel Speck, da zu wenig, da zu unreine Haut. Aber welches Mädchen machte sich darüber keine Gedanken? Ich war trotz alledem akzeptierte ich meine leichten Kurven.

 Für einen kurzen Moment vergaß ich, was ich eben erfahren hatte.  Es gab kein Zurück mehr, ich musste mit nach England, das wurde mir nun klar. Würde Tobi eigentlich noch mitkommen? Schließlich war er volljährig. Ich sollte ihn einfach fragen. Ich verließ mein Zimmer und klopfte an seinem Zimmer.

 »Herein. « rief er gefühlte 5 Minuten später, wahrscheinlich war er wieder am zocken. Tobias war groß, schlank und hatte kurze braune Haare. Vor einem Monat ist er 18 geworden und war gerade dabei, sein Abitur zu machen. »Was gibt’s? « fragte er und nahm seine Kopfhörer ab.

 »Wegen England. « stammelte ich. »Kommst du überhaupt noch mit? « ich kaute auf meiner Lippe herum, während ich ihm einen verzweifelten Blick zu warf. Er lehnte sich gemütlich in seinem Stuhl zurück.

 »Jap, ich kann meinen Abschluss dort machen, ist schon geregelt. « antwortete er und automatisch lächelte ich. Dann war ich nicht ganz alleine, denn mit ihm verstand ich mich außerordentlich gut.

 »Komm her. « sagte er und breitete seine Arme aus. Ich schmiss mich auf seinem Schoß und er nahm mich in den Arm.

 »Mach dir nicht so einen Kopf, es wird bestimmt viel besser, als du denkst!  «

 »Das sagt ihr alle, aber ich glaube da nicht dran… « murmelte ich, den Tränen schon wieder nahe.

 »Wenn du es dir jetzt schon schlecht redest, kein Wunder, dass du keine Lust hast! « lachte er. »Schlaf eine Nacht drüber, du hast immer noch drei Tage Zeit. Nicht viel, aber es sollte reichen. «

 »Danke. « Mit ihm konnte man über Alles reden und danach fühlte man sich automatisch besser. Ich lief wieder in mein Zimmer und plante, wie ich meine letzten 3 Tage in Deutschland verbringen sollte. Heute war Mittwoch und es war es halb sieben. Ich könnte mich noch mit Chris treffen, denn mit uns beiden wird es wahrscheinlich am schwersten. Morgen in der Schule würde ich es den Mädels sagen und ich könnte noch den ganzen Tag mit ihnen was verbringen und am Freitag müsste ich packen, bevor dann am Samstag mein neues, unerwünschtes Leben startete.

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