11. Kapitel

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Am nächsten Morgen wachte ich auf und rieb mir die Augen. Nico hatte auf der Schlafcouch geschlafen, Jenni und ich in seinem Bett. "Alles in Ordnung bei dir?", flüsterte Nico leise. Jenni schlief noch. "Wie man es nimmt.", murmelte ich. Der Gedanke heute wieder nachhause zu gehen machte mir ein bisschen Angst. Nico kam zwar mit, aber ich wusste, sobald er das Haus verlassen hatte würden wir wieder Ärger bekommen.

"Mach dir nicht zu viele Gedanken, Sina. Es wird alles gut. Und wenn nicht, dann gehen wir zum Jugendamt. Ich guck mir das nicht mehr länger an wie du immer leidest." Ich lächelte ihn dankbar an. Egal was war, ich konnte immer auf ihn zählen. 

Als ich auf die Uhr sah erschrak ich. "Nico! Wir kommen zu spät zur Schule!" Das Wort Schule wirkte bei Jenni wie ein Wecker. Sie schlug die Augen auf und rief:" Verdammt, gestern war ich nicht und heute komm ich wegen euch zu spät." Mit den Worten sprang sie auf. "Ich bring dich jetzt, ganz ruhig Jenni.", seufzte Nico. 

Er hatte den Satz noch nicht fertig, da stand Jenni schon im Badezimmer. "Ich hole euch später nach der Schule ab und bleibe bei euch bis du Training hast.", murmelte Nico. Ans Training hatte ich gar nicht mehr gedacht, aber ich war mir sicher, dass mir Ablenkung gut tun würde. Und Mama war dann auch wieder da, also musste ich mir keine Gedanken machen, dass sich Papa an Jenni vergreift. 

Auch ich fing an mich fertig zu machen, von unzähligen Übernachtungen hatte ich noch Klamotten hier. Als wir fertig waren frühstückten wir noch schnell was. Nicos Eltern waren zum Glück schon arbeiten. Danach fuhren wir nachhause. Das Auto von meinem Vater stand nicht in der Einfahrt. "Wir sind gleich wieder da.", sagte ich zu Nico und stieg mit Jenni aus. Wir packten schnell alles zusammen, Mama hinterließ ich noch eine Nachricht, dann ging es ab in die Schule.

Nachdem Nico und ich Jenni abgesetzt hatten fuhren wir zu uns in die Schule. Dort wurde ich von Emma und Anna empfangen, die beide sehr erleichtert schienen, als sie mich sahen. "Geht es dir gut?", fragten die beiden mich. Nachdem ich sie erfolgreich beruhigt hatte, begrüßte Nico Anna mit einem Kuss und wir gingen rein.

"Haben Sie ihre Entschuldigung dabei, Frau Weißbusch?", fragte mein Lehrer mich. "Nein, habe ich nicht. Ich reiche sie Ihnen nach.", antwortete ich. Zum Glück ließ er mich dann in Ruhe. 

Die Schule war schnell vorbei. Nico und ich holten Jenni ab und fuhren nachhause. Mein Vater schien immer noch nicht da zu sein, aber Mama war da. Wir gingen zu dritt rein und sahen eine völlig aufgelöste Mama. 

"Was ist passiert?", fragte ich alarmiert. Erst reagierte sie nicht. "Mama!", rief ich und schüttelte sie an der Schulter. Sie stöhnte auf vor Schmerzen. Dann hob sie langsam und vorsichtig ihren Pulli hoch. Ihr kompletter Oberkörper war blau. "Oh mein Gott. Mama, wir fahren dich ins Krankenhaus.", schluchzte ich. Nico hielt Jenni im Arm. "Ich war schon.", sagte Mama leise. "Ich habe deinen Vater rausgeschmissen und die Polizei benachrichtigt." Kein normaler Mensch würde sich darüber freuen, aber ich tat es. "Das ist toll! Was ist jetzt mit ihm? Was haben die im Krankenhaus gesagt?", überhäufte ich sie mit Fragen. Mama warf einen Blick auf Jenni. Nico verstand und flüsterte ihr was ins Ohr, so dass sie in ihr Zimmer ging. Dann setzte er sich zu uns. 

"Die im Krankenhaus haben gesagt ich soll mich einfach nur ausruhen. Es sind ein paar schlimme Prellungen, aber es ist nicht gebrochen und ich habe keine inneren Verletzungen." Das beruhigte mich schon mal. "Die Polizei hat eine Verfügung gegen deinen Vater ausgestellt und fahndet jetzt nach ihm. Für all die Dinge die er gemacht hat kann er ins Gefängnis kommen. Er ist abgehauen, niemand weiß momentan wo er ist. Aber er darf sich weder euch noch mir näher als 100 Meter nähern." Ich war so erleichtert, dass ich anfing zu weinen wie ein Schlosshund. Nico nahm mich in den Arm und wiegte mich leise vor und zurück. "Jetzt wird alles gut.", murmelte er in mein Haar und ich nickte, weil ich wusste, dass er recht hatte. Ich weiß nicht, wann es mir das letzte mal so gut ging. "Die Schlösser sind schon ausgetauscht. Er kann hier nicht mehr rein und seine Nummer habe ich bei unseren Handys blocken lassen."

"Mama, du hast das richtige getan." Mama nickte. Sie wusste, dass es richtig war, auch wenn es ihr schwer viel das einzusehen. "Schatz...", sagte Mama leise und erschöpft. "Was ist?", fragte ich. "Nichts, nur geh bitte zu Jenni und rede mit ihr und dann mach dass du ab ins Training kommst. Ich muss mich mal hinlegen, die Schmerzmittel machen mich müde." Langsam erhob sie sich und ging in ihr Schlafzimmer.

"Meinst du bei ihr ist alles in Ordnung?", fragte ich Nico. "Ja. Nein. Also, sie ist traurig und entsetzt, aber gleichzeitig fühlt sie sich gut, weil sie dich, Jenni und sich selbst rettet. Du solltest sie in Ruhe lassen." Ich nickte dankbar.

"So und jetzt bringe ich dich ins Training.", lächelte er, zog mich kurz an sich und ließ mich dann wieder los. "Geb mir noch zehn Minuten.", sagte ich und deutete mit dem Kopf auf Jennis Zimmer. Er nickte und sagte: "Ich hole schon mal deine Tasche."

Ich ging zu Jenni und klopfte an die Tür. "Papa kommt nicht wieder, oder?", fragte Jenni. "Nein, Maus. Er kommt nicht wieder. Mama hat ihn endlich rausgeschmissen. Jetzt wird alles wieder gut." Jenni nickte, zeigte sonst aber keine Regung. "Ich lass dich mit Mama allein. Pass auf sie auf.", flüsterte ich und küsste sie sanft auf die Stirn. "Ja, ich pass auf sie auf." Ich drückte sie kurz, dann ging ich.

"Okay, wir können." Nico fuhr mich ins Training, keiner von uns sagte auch nur ein Wort. "Wir sehen uns. Und sag Anna hallo von mir.", lächelte er schließlich. Ich nahm die Tasche und holte tief Luft, denn ich musste nicht nur von dem Training morgen erzählen, sondern ich würde Anna und Emma auch von meinem Vater erzählen und davor hatte ich ehrlich gesagt ein wenig Angst...

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Freistoß für mein HerzWhere stories live. Discover now