Kapitel 10

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Mit einer Diskothek, wo nicht allzu gute Stimmung herrscht, wäre ich noch klar gekommen. Aber doch nicht mit einer, wo sich niemand bewegt. Was ist nur aus der Jugend heutzutage bloß geworden, dass sie nicht einmal mehr tanzen wollen, obwohl sie in extra in eine Diskothek gegangen sind. Zu sagen, dass ich die Welt nicht mehr verstehe, wäre übertrieben. Allerdings ist mein Verwirren steigend. Ich wage einen Blick zu Alice. Sie scheint verstanden zu haben, was ich meine.

„Am besten passen wir uns einfach an. Es ist erst gerade mal acht Uhr. Die Leute werden schon noch tanzen. Wie wäre es, wenn wir uns etwas zu trinken holen?", erklärt sie optimistisch. Beim letzten Satz spricht sie in die Runde.

„Ich brauche ein Bier.", brummt Mason.

„Nein. Ich kaufe dir eine Cola, ok?", wiederspricht ihm sein Bruder. Ich bin schon davon ausgegangen, dass er einfach zustimmen würde und das Gespräch zu Ende sei, doch ich habe nicht mit dieser Folge gerechnet.

„Nee nicht doch. Für wie alt hälst du mich?", faucht der Jüngere nun schon fast wie eine Katze.

„Mason! Du bist underage. Vergiss es. Du willst doch nicht, dass ich Mom von deinem letzten Bier-Abenteuer erzähle.", warnt ihn der Ältere.

Masons Blick wird dunkel - und auch ein wenig traurig?

„Das würdest du nicht.", behauptet er.

„Oh doch. Hör mal, durch das Studieren erlange ich auch mehr Selbstbewusstsein. Und ob ich mich das trauen würde.", erwidert Louis in einem Ton, der keinen Widerstand duldet. Danach herrschen die nächsten Augenblicke Stille.

Fasziniert beobachte ich das Gespräch der Beiden. Mein Bruder und ich haben nie solche Diskussionen gehabt. Aber im Gegensatz zu uns, scheinen diese beiden Geschwister eine gemeinsame Vergangenheit zu haben. Irgendetwas muss mit seiner Mutter passiert sein. Ich werde herausfinden, was es ist. Er hat meine Neugier geweckt. Ich weiß. Neugier in Überdosis ist eine hässliche Sache. Zu meinem Pech bin ich damit geboren. Ach was solls, nobody's perfect!

„Ok. Also ich will Wasser und Irina wahrscheinlich auch, oder?' sie blickt kurz zu mir und bemerkt mein Nicken' Ok. Wisst ihr was? Ihr seid so toll Leute, ich lade euch ein. Also was wollt ihr?" Da ist aber jemand sehr spendabel. Thanks, Darling!

„Wir nehmen auch Wasser.", äußert sich Louis für die Zwei. Es scheint, dass Mason etwas entegen sagen möchte, doch sein Bruder entmachtet ihn mit einem weiteren noch so dunklen Blick. Ebenso verlässt Alice in dem Moment die Gruppe, um die Getränke zu besorgen.

Hm. Diesen Blick sollte ich mir merken, wenn Mason im Biologie Unterricht anfängt gegen all meine Vorschläge zum Durchführen eines Versuchs zu disskutieren.Glaubt mir, das passiert nämlich viel zu oft. Ach ja, habe ich schon erwähnt, dass Mason mein Partner und Banknachbar in Biologie ist? Meine Freunde ist so groß, dass ihr sie euch gar nicht vorstellen könnt.

„Wie einfach alle Wasser nehmen...", bemerke ich. Alle drehen sich zu mir.

„Na und?", fragt mein Lieblingsjunge.

Oh je. Seine Laune ist wirkich gesunken. Aber damit habe ich doch nichts zu tun!

„Naja, es ist mir eben nur aufgefallen.", verteidige ich mich schwach. Heute bin ich nicht so mutig. Glaubt nicht ich habe die verekelten Blicke der ganzen Barbie Puppen am Eingang nicht gesehen. Im Gegensatz zu Alice, die ein Kleid trägt, habe ich mich für meine einfachen schwarzen Sneaker, T-Shirt und Jeans entschieden. Ich bin halt nicht der Kleider-Typ. Tut mir leid! Dazu brauche ich aber jetzt nicht auch noch abwertende Kommentare. Fast war meine Hoffnung wieder gestiegen, dass er es bei dem belassen würde, doch wie sehr ich mich dabei getäuscht habe, beweist er mir mit seinen nächsten Sätzen.

„Du musst nicht immer alles laut sagen, was du denkst. Es interessiert nicht immer jeden, was du tust oder wie es dir geht. Es gibt auch noch andere Menschen auf dieser Welt, als dich. Klar? Niemand verlangt von dir, dass du mit uns redest, ok?"

Es wäre gelogen, wenn ich sagen würde, es hätte mich nicht verletzt. Aber es ist nichts neues für mich. Alice ist meine einzige Freundin an unserer Schule, denn die anderen machen immer einen riesigen Bogen um mich, wenn sie mich sehen. Aber um ehrlich zu sein, ich hätte nicht in tausend Jahren damit gerechnet, dass Mason so fies und gemein zu mir sein wollte oder würde. Aber es ist okay. Ich schlucke den Schmerz einfach herunter und tue so, als wäre nichts passiert.

"Mason.", knurrt Louis epört und geschockt. Er ist also auch überrascht. Wie gut. Ich dachte, schon dass ich die Einzigste wäre.

Fragt mich nicht wie oder warum, aber ich glaube Mason scheint erst jetzt zu realisieren, was er eben gerade von sich gegeben hat. Ich bin mir nicht sicher ob ich mich freuen soll oder doch lieber weinen.

"Shit. Irina, so war das alles nicht gemeint. Ich würde dich nie verletzten wollen. Es ist nur so, dass momentan...jedenfalls hat mich dieser dumme Idiot, der neben mir steht sehr wütend gemacht und mich wütend möchte keiner so gerne erleben. Es tut mir leid."

Was soll ich jetzt davon halten? Einerseits könnte er es ernst meinen, aber vielleicht will er ja doch nur ein falsches Spiel mit mir spielen. Verdammt, wieso komme ich immer in solche Situationen, wo ich nicht weis, wie ich handeln soll? Aber vor allem. Was hat das Wütend sein mit dem zu tun, was er vorhin zu mir gesagt hat. Er hat von sich selbst angefangen,zu sagen, dass etwas nicht stimmt, aber er hat sich selbst gestoppt!

"Willst du damit sagen, dass du zu einem verdammten Hurensohn mutierst, wenn du wütend wirst?", fasse ich also sachlich und ohne Farbe in meiner Stimme zusammen.

Er nickt. Aber lächelt auch traurig. Naja, was soll man sagen? Die Einsicht ist der erste Schritt zur Besserung.

"Es tut mir wirklich leid, das musst du mir glauben.", bittet er, nein fleht mich schon fast an.

"Was glaubst du, wie soll ich dir vertrauen können?", entgegne ich jetzt auch mit erhobener Stimme. Diese Diskussion macht mich müde. Und das will ich nicht sein. Definitiv nicht.

"Du musst einfach.", verlangt er.

"Du setzt das einfach voraus, oder?", schreie ich schon fast. Die neugierigen Köpfe, die sich zu uns drehen, ignoriere ich.

"Ja. Schon.", er scheint nicht zu verstehen, worauf ich hinaus will.

"Ich weis etwas.", äußere ich mich fast gruselig ruhig. Dieses Lautwerden hilft doch sowieso nichts! Ich weis noch wie mein Religionslehrer in der 7. Klasse immer zu uns gesagt hat, dass wir uns wie ziwilisierte Mitteleuropäer verhalten sollen. Das tue ich hiermit.

"Und das wäre?" Sein Ton ist vorsichtig, was mir irgendwie gefällt, aber irgendwie auch nicht.

Ich sammele all' meinen Mut und Gefühle. In diesem Moment geschehen mehrere Dinge. Alice kommt wieder und ich spreche meinen Gedanken aus.

"Erzähl mir was los ist. Denn mit Momentan... oder deinem traurigen Blick, wenn du über deine Mutter redest komme ich nicht weit. Und sei wirklich ehrlich bitte."



Honest HumansWhere stories live. Discover now