Kapitel 9

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„Blau oder schwarz?"

„Definitiv schwarz.", rate ich ihr. Sie nickt begeistert, als sie das schwarze Kleid vor sich hält. Es ist knielang und ungefähr ab der Taille mit schwarzer Spitze besetzt. Es zeigt ihre Figur und die tollen Kurven, auf die ich ehrlich neidisch bin.

Wir sind zu mir gegangen, da wir uns noch anziehen müssen. Alice war zu faul, zu sich nach Hause zu fahren, also haben wir beschlossen, dass ich ihr einfach etwas leihe. Seit etwa einer halben Stunde überlegen wir, was wir anziehen sollen. Mein Kleiderschrank ist von unten bis oben gefüllt, was dazu führt, dass die Auswahl dezent groß ist. Aber hey, lieber habe ich zu viel Kleidung, als zu wenig.

Ich werde gerade mit meinem Make-Up fertig, als Alice wieder umgezogen aus dem angrenzenden Badezimmer kommt. Ich begutachte sie von allen Seiten.

„Du siehst gut aus. Schon fast zu gut.", teile ich ihr mit. Ihre Augenbrauen heben sich andeutend.

„Wie soll das gehen? Zu gut?" Ein Pedosmiley hätte ihren Gesichtsausdruck jetzt am besten beschrieben. Ja, bei uns läuft oft viel zu schief.

„Ich denke, du weißt schon was ich meine. Soll ich dir noch deine Haare machen?", frage ich nach.

„Ja bitte. Warte, ich suche mir nur noch schnell einen Stuhl." Das ist schon eine Leistung, denn auch, wenn mein Taschengeld ziemlich gut ausfällt und mein Zimmer groß ist, kann man schon seit Längerem den Boden nicht mehr erkennen. Ich glaube, wenn ich einmal älter bin, dann werde ich vielleicht ein Messie. Auf das Gesicht meiner Eltern werde ich mich sehr freuen. Gerade, als sich Alice, die eigentlich mit ganzem Namen Alisa heißt auf meinem quietschendem pinken Plastikstuhl niederlässt, grummelt mein Bauch lautstark. Ihr Blick schießt sofort zu mir.

„Irina, hast du heute schon etwas gegessen?", fragt sie mich warnend. Oh nein, bitte nicht.

„Einen Apfel?", sage ich vorsichtig. Was wird wohl jetzt kommen?

„Du isst jetzt etwas! Jetzt und nicht später!", fordert sie mich auf. Mir entkommt nur ein Seufzen.

„Wenn ich die ganze Zeit etwas zu mir nehme, dann nehme ich auch nicht ab. Außerdem fällt mir auf, dass ich heute noch gar keinen Sport gemacht habe.", teile ich meine Gedanken mir ihr. Ihr Blick wird dunkel. Das verheißt nichts gutes.

„Du willst das doch nicht ernsthaft durchziehen, oder?!", schreit sie mich schon fast an.

„Al, ich muss abnehmen, selbst mein Arzt hat mir das gesagt!", kämpfe ich zurück.

Denn das ist auch die Wahrheit. Ich wiege 25 Kilo mehr als ich sollte. Es gab zwar manchmal so etwas wie Hänseleien, aber nie sehr lange. Und trotzdem fühle ich mich schon seit Ewigkeiten in meinem eigenen Körper unwohl. Aus diesem Grund begann ich vor einer Woche gesund abzunehmen. Mit keiner Diät oder so. Nein ganz langsam, naja nicht zu langsam aber eben gesund.

„Versprich mir aber, dass du kein Lauch wirst!" WTF? Was soll das bedeuten?

„Lauch?!"

„Ja, Mason und Louis sind beide totale Läuche! Warte ist das überhaupt richtig? Wie heißt Lauch im Plural? Irina?"

„Ich habe keine Ahnung.", gebe ich ehrlich zu. Diskutieren wir gerade ernsthaft über Wörter? Man, unser Niveau muss wirklich gesunken sein. Höchstens ein minimales Level. Nicht mehr. Hoffentlich!

"Naja egal. Also eine Orange und ein Lauch passen nicht zusammen. Definitiv nicht.", füge ich noch schnell hinzu. Schauen wir mal, ob sie die Anspielung versteht.

"Was?! Nein! Du bist keine Orange!"

"Doch.", sage ich trotzig. Das Spiel, das ihr alle bestimmt kennt geht so ein paar Minuten weiter, während ich Wimperntusche bei ihr auftrage und sie dann endlich fertig ist.

Wir sind schon unten vor der Haustür, als Alice plötzlich innehält. Ihre Augen wirken geschockt und verängstigt.

"Wie sollen wir im Club bloß tanzen, ohne dass die Boys uns komisch anschauen?"

Mit einem unterdrückten Lächeln seufze ich. Ich hatte schon gedacht, es sei etwas schlimmes.

"Letzten Freitag schienst du keine Probleme gehabt zu haben, dich vor der gesamten Klasse zu blamieren." Ihre Augenbraue hebt sich. Tja, ich kann auch fies sein. Das tut mir auch ehrlich leid. Nicht. :)

"Du bist gemein. Naja ich schlage dann mal vor, dass wir rausgehen. Die Jungs warten bestimmt schon.", äußert sie sich schnell. Ich nicke und folge ihr aus der Haustür.

Mason hatte zu einer schwarzen Hose und einem grauen Shirt gewechselt, während Louis jetzt eine Lederjacke trug. Soso. Smirk.

"Wer fährt?", frage ich neugierig. Alice und ich sind beide noch Learner's und dürfen noch nicht fahren, und um zu Fuß zu gehen, ist die Strecke zu weit.

"Ich!", meldet sich der Lover meiner besten Freundin. War ja irgendwie klar.

"Wie alt bist du eigentlich?" Hätte ich das wirklich fragen sollen? Naja jetzt ist es sowieso zu spät.

"18. Werde aber im Mai 19.", antwortet er knapp. Und so machen wir uns auf den Weg zu Break The Limit.

Die komplette Autofahrt über mussten wir One Direction hören, denn das ist Masons' absolute Lieblingsband. Niemand durfte sich beschweren, es sei denn man wollte schmerzhaft seinen Ellenbogen im Magen spüren. Mittlerweile kann ich jetzt History, Olivia und Drag Me Down auswendig. Glücklicherweise saßen wir beide Mädchen hinten und Gott sei Dank hatte Alice ihr Handy und ihre Kopfhörer dabei. Cheating ist nicht immer schlecht. Oder? :)

Die Diskothek war auf der linken Seite eines Marktplatzes. In der Mitte stand ein Springbrunnen und außen herum waren nur normale Häuser zu sehen. Das Einzige woran man möglicherweise erkennen hätte erkennen können, dass hier die Disko war, waren die vielen Teenager und Leute in unserem Alter, die entweder draußen rauchten, oder heimlich Vodka, Whiskey oder anderes austauschten. Das Angeben seiner besten neuen Karre oder Motorrades darf man nicht außer Acht lassen. Des Weiteren kam einem schon von mehr als zehn Meter Abstand der laute Bass entgegen.

"Auf ins Getümmel, würde ich sagen.", sagte ich, als ich mich zu meinen Freunden umdrehte. Sie lächelten alle und so machten wir uns auf den Weg. Anscheinend war jeder zu tief in seine eigene Gedanken versunken. Sollen sie doch, manchmal tut das echt gut.

Wir wiesen uns am Eingang aus und schon waren wir im richtigen Raum. Verschieden bunte Lichter gingen durch den Saal und an den Rändern und Ecken standen kleine runde/hohe weiße Plastiktische, an denen sich schon viele Leute angesammelt hatten und nun mit ihren Freunden tratschten. Ebenso hatte auch der DJ aufgelegt und spielte zugegeben wirklich gute Musik.

Ja, für euch klingt das jetzt wie ein normaler Besuch in einer Diskothek. Doch meiner Meinung nach, war das hier nicht so normal. Der Raum war von oben bis unten mit Menschen gefüllt. Es spielte gute Musik. Doch Keiner bewegte sich, geschweige denn tanzte.



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