Kapitel 3

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Ich habe oft überlegt, ob es mir helfen würde, wenn ich für einen Test einmal wirklich lernen würde. Oder generell als Vorbereitung für den Unterricht. Würde das helfen, habe ich mich gefragt.

Spätestens jetzt, als ich den Englisch Test korrigiert vor mir liegen habe kann ich aus Erfahrung sagen, ja es hilft eindeutig.

Mir fehlt ein einziger Punkt zur besseren Note und es macht es auch nicht besser, dass mein blonder Nachbar, Mason eben diese nun bekommen hat. Kennt ihr das? Ich weis nicht wie ich mich fühlen soll. Wütend oder eher traurig? Noch besser, vielleicht sollte ich von mir selbst enttäuscht sein, dass meine Leistung für ein A nicht gereicht hat. Aber was kann man da schon machen. Gar nichts. Ich sehe zu ihm herüber und lächle.

„Glückwunsch"

„Danke. Ich muss dich etwas fragen.", beginnt er mit einem seltsamen Blick. Das sieht nach schlechten Nachrichten aus. Bitte lass es nicht allzu schlimm sein.

„Dann mal los.", fordere ich ihn auf, endlich weiter zu erzählen. Eine blonde Haarsträhne löst sich aus meinem lockeren Dutt und fällt mir lästig ins Gesicht. Mit wenigen Handgriffen ist sie wieder da, wo sie eigentlich hingehört. Mein Banknachbar sieht mich an, als müsste er kurz wo anders hin. Seine Gesichtsfarbe sah nicht mehr gesund aus.

„Warte mal. Kann es sein dass du gleich kotzen musst? Oder ist dir schlecht?", frage ich ihn ruhig. Seine Wangen färbten sich rosa. Ist er vielleicht verlegen? Aber wenn ja, warum? Junge sprich mit mir! Sonst kann ich dir nicht helfen. Vorsichtig und langsam lege ich ihm eine Hand auf die Schulter.

„Mason, ist alles in Ordnung?" Allmählich mache ich mir Sorgen. Ernsthafte Sorgen. Was ist sein Problem?

Er lehnt sich in seinem Stuhl zurück, schließt für einen Moment die Augen und atmet tief durch. Er kann sich selbst beruhigen, das ist gut. Doch es hilft gar nichts. Sein Zustand wird immer schlechter. Meine medizinische Erfahrung geht nur bis zu einem bestimmten Grad. Der Erste-Hilfe Kurs ist aber schon ein paar Jahre her. Ich muss richtig handeln, dass steht fest. Irinia, tu doch was!

Als wäre ich aus einem Traum erwacht strecke ich meine Hand hoch und melde mich so gut ich kann. Zum Glück sieht sie mich.

„Mrs O'Richardson, Mason muss dringend zum Schulartzt, ihm geht es nicht gut!", berichte ich ihr. Ihr Gesichtsausdruck wird allmählich panisch. Sie hebt ihre Schreibhand und deutet mir Richtung Tür. Ich soll ihn begleiten. Okay. Das Starren und die Stille im Klassenzimmer ignoriere ich gekonnt. Schon bin ich bei meinem Nachbarn und lege meinen Arm durch seine Achsel, um den Rücken herum wieder raus und helfe ihm beim Aufstehen. Mit so einem käsigen Gesicht kann man doch nicht normal laufen, denke ich mir. Mein Verdacht bestätigt sich und schon nach wenigen Augenblicken haben wir den Raum verlassen und ich ziehe ihn vorsichtig durch den Flur.

„Es wird schon wieder. Hab keine Angst. Gleich sind wir da und du dann kannst du dich auch hinlegen, okay?", erkläre ich ihm. Er nickt nur schwach.

Langsam klopfe ich die Tür des Arztzimmers und öffne sie. Drinnen angekommen springt auch schon unser Schularzt Dr. Malley zu uns und nimmt mir den Jugendlichen ab.

„Was ist passiert?", fragt er mich mit einem Seitenblick während er ihn zu einem leeren Bett führt und hinlegt. Mit gemischten Gefühlen sehe ich zu, wie er ihn untersucht. Hoffentlich ist es nichts schlimmes. Ganz ruhig, Irina. Panik kannst du jetzt gar nicht gebrauchen.

„Wir haben unseren Englisch Test heraus bekommen. Er wollte mich gerade etwas fragen, als er plötzlich abbricht und extrem weiß, schon fast käsig im Gesicht wird. Ich habe ihn etwas gefragt und er hat nicht mehr geantwortet. Ich dachte ihm wäre schwindlig deswegen habe ich mich gemeldet und ihn hierher gebracht.", beende ich meinen kleinen Bericht. Der Vierzigjährige wirft mir einen anerkennenden Blick zu.

„Ich glaube nicht, dass jeder in deinem Alter so gehandelt hätte. Respekt Kleine, das hast du gut gemacht. Das was er hat ist typisch. Kreislaufzusammenbrüche treten immer dann auf, wenn man eine zu lange Zeit gestanden ist, oder gesessen. Es passiert aber auch, wenn man an einem Tag noch keine Nahrung zu sich genommen hat oder die letzte Mahlzeit schon länger her ist.", erklärt er mir.

Ich höre ihm aufmerksam zu und frage nach.

„Und was machen wir jetzt?"

„Er sollte noch ein wenig liegen bleiben, bis er wieder eine normale Hautfarbe hat, ansonsten fehlt ihm nichts. Ich schlage vor, dass du hier bei ihm bleibst, bis es ihm wieder besser geht."

Ich nicke und ziehe mir einen Stuhl an sein Bett heran. Mason hat seine grauen Augen geschlossen, so habe ich die mir schon lange erwünschte Möglichkeit, ihn näher zu betrachten.  Er hat goldblondes Haar und ein makelloses Gesicht. Von der Figur her ist er nicht zu dünn, aber auch nicht zu dick. Perfekt. Er ist die Reinkarnation von Perfektionismus. Naja, so gut wie.

Gefühlte Stunden später öffnet er wieder seine Augen und sieht mich an. Leider kann ich mir eine Frage nicht verkneifen.

"Na, hat dir der Mittagsschlaf gut getan?" Er lächelt und dann lacht er schließlich binnen Sekunden. Das freut mich. Wenigstens kann ich Leute in auch schlechteren Situationen unterhalten. Das ist doch etwas.




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