Kapitel 16

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16

Der Weg bis zum Füllhorn wird nur wenige Minuten dauern, nicht mehr als eine viertel Stunde, denn neulich waren die beiden wieder näher an den See gegangen. Narie beschließt noch etwas zu schlafen, denn müde kann sie nicht zum Festmahl gehen. Diese ganze Aktion ist so schon ein gewaltiges Risiko, da kann sie nicht auch noch ihre Unkonzentriertheit gebrauchen. Sie rüttelt vorsichtig an Marvels Schulter. Sofort ist er wach.
»Weck mich bitte in drei Stunden, verstanden?«, sie sieht zu Marvel welcher zustimmend nickt.
»Aber meinst du nicht, dass drei Stunden etwas zu wenig sind? Ich bin müde wie sonst was, trotzdem ich schon geschlafen habe.«, meint er und beobachtet wie Narie versucht sich hinzulegen, allerdings genau wie er vorhin, verzweifelt. Wobei Narie deutlich weniger Schwierigkeiten hat, da sie kleiner ist als er.
»Hast du nicht genug Schlaf bekommen bei den Karrieros? Also ich habe immer genug Schlaf gehabt, auch als ich alleine war.«, gibt Narie nur trocken zurück und bettet ihren Kopf kurzerhand auf seinen Beinen. Fragend blickt sie zu ihm hoch. Ihn stört es scheinbar nicht und da Narie so auch einigermaßen bequem liegen kann bleibt sie so. Sie denkt noch einen Moment lang über die vergangenen Tage nach bis sie schließlich einschläft. Doch durch einen Traum schreckt sie hoch. Sofort sieht sie zu Marvel.
»Wie lange habe ich noch?«, fragt sie und er sieht sie an.
»Etwas mehr als zwei Stunden.«, meint er nur. Narie nickt. Dann robbt sie sich allerdings etwas umständlich neben Marvel, der ihr einen Arm um die Schultern legt.
»Schlaf noch weiter.«, murmelt er neben ihr und sie schließt die Augen. Schnell schläft sie wieder ein.
Durch ein sanftes Rütteln an ihrer Schulter wird sie wach. Sofort schreckt sie auf, aber dann fällt ihr ein, dass es nur Marvel ist, welcher sie wecken möchte, so wie sie es wollte. Narie beruhigt sich wieder. Sie sieht zu ihm.
»Du kannst noch etwas schlafen, Marvel.«, sagt sie und steht auf. Er blickt sie an.
»Okay.«, antwortet er dann aber nur, denn er kann spüren wie müde er ist.
Narie wartet bis Marvel vor ihren Augen eingeschlafen ist, dann schnappt sie sich ihre Sachen und klettert ganz vorsichtig und leise von dem Baum herunter. Doch sobald sie unten den Boden berührt rennt sie los. Sie muss noch einen geeigneten Platz nahe des Füllhorns finden, wo sie sich gut verstecken kann. Schnell läuft sie und bleibt erst stehen, als sie in der Nähe des Füllhorns ist. Narie versteckt sich hinter den hochgewachsenen Büschen, hinter denen sich die Lichtung befindet. Sie kann direkt neben dem silbernen Füllhorn einen Tisch sehen. Auf diesem stehen schwarze Rucksäcke. Einer für 1, 2, 5, 7 und einer für 11. Jeder Rucksack ist mit einer silbernen Nummer versehen. In ihrem Kopf ordnet sie die Rucksäcke zu. Marvel bekommt den mit der 1. Cato und Clove bekommen den mit der 2. Fuchsgesicht den mit der 5, Narie den mit 7. Das heißt dann, dass Thresh den mit der 11 bekommen muss. Narie sieht sich aufmerksam um. Ihr ist bewusst, dass sie möglichst schnell zu dem Tisch rennen muss um ihren und Marvels Rucksack zu holen, denn jeder der Tribute die vor ihr da sind könnten die besagten Rucksäcke mit nehmen. Und Narie vermutet, dass die Karrieros wahrscheinlich interessiert an den Rucksäcken sind. An dem von Narie, weil sie alles dafür tun wollen um Narie zu beseitigen, weil sie eine höhere Punktzahl hat als sie selber und Marvels, weil er das Bündnis mit den Karrieros gebrochen hat. Genau in dem Moment als Narie aus dem Gebüsch stürmen möchte sieht sie eine Person aus dem Füllhorn kommen. Es ist Fuchsgesicht welche schnell ihren Beutel schnappt und wieder im Wald verschwindet. Narie sieht sich erneut um. Sie kann keinen anderen Tribut sehen. Schnell nimmt sie den Bogen in die Hand und sprintet los. In dem Moment als sie an dem Tisch ankommt, schnappt sie sich den Beutel für sich, mit der gleichen Hand im Rennen den von Marvel. Sie sieht sich um, kann aber niemanden entdecken. Narie rennt weiter, rechts neben ihr endet das Füllhorn. Im Augenwinkel sieht sie eine Bewegung. Ehe sie etwas machen kann schneidet ein Messer die Haut auf ihrer Stirn ein. Sie stößt einen Schmerzenslaut aus und fällt von der Wucht des Messers zu Boden. Die Rucksäcke entgleiten ihr und fallen ein Stück neben ihr zu Boden. Schnell zieht sie einen Pfeil aus dem Köcher und schießt. Clove kann gerade noch so ausweichen und Narie schießt einen weiteren Pfeil, welcher auch nicht trifft. Clove stürzt sich auf Narie, welche mittlerweile wieder auf den Knien war und rammt sie zu Boden. Narie versucht sich zu wehren, was ihr allerdings kläglich misslingt. Die beiden Mädchen rollen über den Boden, bekämpfen sich gegenseitig. Gerade als Narie von Clove weg kommt, zieht diese Narie wieder zurück. Es gibt einen weiteren Kampf, der allerdings nicht gut für Narie endet. Clove sitzt auf ihr und drückt ihre Arme mit ihren Füßen auf den Boden, während Narie sich weiterhin tapfer wehrt. Doch auch ihr ist klar, dass sie so gut wie keine Chance hat. Clove sieht Narie mit einem wahnsinnigen Blick an und hält ihr ein großes Messer an die Kehle.
»Wo ist Marvel? Wollte er dich retten?«, fragt sie spöttisch. Narie guckt zu ihr hoch und leistet trotzdem noch Widerstand.
»Wie süß. Deinen kleinen Freunden konntest du jedenfalls nicht helfen, wie schade. Jade... und der Kleinen aus 11. Wie hieß sie nochmal? Rue? Ja, wir haben sie getötet. Und nun töte ich dich.«, Clove spricht mit einer arroganten Stimme während sie ein kleines Messer heraus holt, welches wahrscheinlich für Naries Mord gedacht ist. Grinsend sieht sie zu ihr hinunter. Narie verbirgt ihre Angst. Gerade in dem Moment als Clove zustechen möchte kommt eine Person von der Seite auf sie zu und reißt sie hoch. Narie erkennt Thresh, welcher Clove aggressiv gegen das kalte Metall des Füllhorns drückt. Erschrocken sieht Narie auf die Szene die sich vor ihren Augen abspielt.
»Hast du sie getötet?«, fragt der Junge mit einer tiefen Stimme. Er ist wütend und hat einen ziemlichen Hass auf Clove, dass kann man deutlich erkennen. Narie weiß nicht wieso, aber sie ist unfähig aufzustehen, sie ist zu erschrocken um sich zu bewegen. Nie hätte sie gedacht, dass sie eine weitere Begegnung mit einem der Karrieros übersteht, besonders nicht in ihrem jetzigen Zustand, denn obwohl sie es sich nicht eingestehen will macht ihr ihr Bein zeitweise ziemliche Schwierigkeiten. Clove ist die Panik in ihr Gesicht geschrieben. Sie ist wohl intelligent genug um zu wissen, dass diese Begegnung mit dem Jungen aus 11 nicht gut für sie ausgehen wird. Clove bekommt Panik und wiederholt immer wieder, dass sie Rue nicht getötet hat.
»Ich hab dich gehört. Ich hab dich gehört!«, meint er mit fester Stimme. Narie ist sich nicht sicher, ob er das tut, weil er Clove quälen oder einfach nur Angst einjagen will, aber aus welchem Grund auch immer er das macht, es klappt.
»Cato! Cato!«, stößt Clove panisch hervor, man erkennt selbst in ihrer Stimme die Angst.
»Du hast ihren Namen gesagt!«, Thresh hält Clove wütend fest und schlägt sie ein paar Mal mit seiner vollen Kraft gegen das Füllhorn. Es entsteht ein widerliches Geräusch und Narie läuft es kalt den Rücken runter. Thresh schlägt ihren Körper noch ein weiteres Mal gegen das Füllhorn, dann lässt er sie fallen. Cloves geöffnete Augen starren direkt zu ihr. Narie starrt mit großen Augen zu ihm hoch. Das war ganz sicher kein angenehmer Tod. Doch als Narie an die anderen Tribute denkt, die durch Clove gestorben sind verschwindet ihr Mitleid. Sie ist erschrocken, dass sie so denkt, aber bevor sie weiter darüber nachdenken kann reißt Thresh sie aus ihren Gedanken. Narie hat Angst, dass er nun sie angreifen wird. Sie hat Angst vor ihm. Thresh sieht zu ihr.
»Nur dieses eine Mal 7, für sie.«, meint er, dann dreht er sich um und rennt zusammen mit seinem Beutel und dem von Cato weg. Narie sieht ihm einen Moment lang hinterher. Wieso hatte er sie nicht getötet? Nur, weil Rue sie mochte? Ihr kommt der Abend in den Sinn, an dem die Interviews waren. Rue hatte mit Thresh geredet, dass er sie in Ruhe lassen soll. Narie schreckt auf, als sie Schritte hören kann. Sofort denkt sie daran, dass es Cato sein könnte. Clove hatte schließlich laut genug nach ihm gerufen. Schnell steht sie auf, nimmt ihren Bogen in die eine und die beiden Rucksäcke in die andere Hand und flüchtet in den Wald. Gerade noch rechtzeitig, denn kurz nachdem sie hinter den Blättern verborgen ist stürmt Cato ihr gegenüber aus dem Wald und rennt zu der am Boden liegenden Clove. Eigentlich ist das genau der Moment, in dem Narie verschwinden sollte, doch sie kann nicht. Stattdessen versteckt sie sich lieber in einem der Büsche und sieht zu Cato. Dieser kniet neben der toten Clove am Boden. Von weitem erkennt Narie, dass er etwas vor sich hin sagt, so als wolle er sie dadurch zurück holen. Die Szene die sich vor ihren Augen abspielt ist seltsam für Narie, nie hätte sie geglaubt, dass Clove Cato so wichtig war, dass er Tränen in den Augen durch ihren Tod bekommt. Aber scheinbar hatte Narie sich wieder einmal in einem Karriero getäuscht. Er streicht ihr die Haare aus dem Gesicht, murmelt irgendetwas vor sich hin. Irgendwann steht Cato wütend auf. Narie schreckt auf und läuft schnell aus dem Busch, wobei sie es ignoriert, dass sich ihre Haare irgendwo verfangen haben. Es gibt einen kurzen Ruck, dann sind ihre Haare los. Ob sie nun die Haare, oder den Ast abgerissen hat kann sie nicht sagen. Narie läuft schnell, fällt fast zweimal hin, doch kann sich immer wieder fangen. Sie kennt den Blick von Cato. Genau diesen Blick hatte sie auch gehabt, als sie beschlossen hat Jade, Katniss und Rue zu rächen. Das heißt Cato wird jetzt jagd auf einen der beiden machen. Entweder auf Narie, oder auf Thresh. Wahrscheinlich hatte er die Pfeile am Füllhorn liegen sehen und geht nun davon aus, dass Narie Clove getötet hat. Doch die Tatsache, dass man nirgendwo Blut sehen konnte spricht dagegen. Doch ob Cato in seiner Wut auf so etwas geachtet hat? Vielleicht hatte sie Glück und Cato hat Thresh sprechen gehört, sodass er weiß, dass er es war, der sie getötet hat. Doch all das ignoriert Narie jetzt, sie rennt weiter. Plötzlich verliert sie den Boden unter den Füßen und fällt einen Abhang herunter. Sie ermahnt sich selber keinerlei Geräusche von sich zu geben, die Gefahr gesehen zu werden ist zu groß. Sie musste auf der anderen Seite des Füllhorns fliehen, gegenüber von der Seite von der sie gekommen war, deshalb ist ihr Rückweg nun länger. Und die Tatsache, dass Cato ihr dicht auf den Fersen sein könnte verbessert das Ganze für Narie nicht wirklich. Schnell steht sie auf und rennt weiter. Innerlich jubelt sie erfreut auf, als sie feststellt, dass der Sturz keinerlei Verletzungen hinterlassen hat und sie sich weiterhin normal bewegen kann. Sobald sie den Baum erreicht hat klettert sie erleichtert hoch.

Fighter || Hunger GamesWhere stories live. Discover now