Hayley PoV
Dinge veränderten sich, das konnte und wollte ich nicht mehr leugnen und den anderen ging es genauso. Das Leben auf der Lichtung war nicht mehr, was es früher einmal gewesen war. Denn nicht nur der Ablauf eines jeden Tages änderte sich, sondern auch die Beziehungen unter uns Lichtern. Im Prinzip war die Gesellschaft viel einfacher gestrickt, denn sie schloss zwei Personen aus, die sich dann auch noch gegenseitig ausschlossen. Denn Newt und Gally hassten sich, daran gab es nichts zu rütteln. Und Alby, Minho und ich, wir mochten sie alle beide nicht. Na gut, vielleicht mochte wenigstens Newt noch ein bisschen, aber diese unbeschreiblich heiß flammende Liebe in meinem Herzen war einem Haufen Asche gewichen, in dem nur noch wenig Glut glomm, jedoch widerstandsfähig, robust, unumstößlich. Doch Gally – nein. Seit er vor ein paar Tagen wieder aus seinem unruhigen Schlaf erwacht war, hatte er sich noch keine Sekunde so verhalten, wie vorher. Er war wie ausgetauscht. Und Newt sowieso. Für ihn schien es überhaupt keine normale Sekunde in der Planung der Schöpfer zu geben, er lebte halt sein Leben, ganz allein, manchmal sahen wir ihn tagelang nicht und das war auch ganz gut so. Denn die Sekunden in unserem Leben waren durchgeplant von Anfang bis Ende. Der Tag begann mit einem freundschaftlichen Klaps auf die Schulter durch Minho, der anscheinend eine perfekt funktionierende innere Uhr besaß. Dann war es Zeit aufzustehen und zwar nicht so, wie ich es gewohnt war. Minho hatte beschlossen, dass wir allesamt „faule Säcke" waren, da half es auch nichts, ihn davon überzeugen zu wollen, dass wir auch Schlimmes durchgemacht hatten, er hörte eh nicht zu. So hatte er sich also dafür verantwortlich gemacht, uns zu trainieren. Und deshalb scheuchte er uns morgens, nachdem wir uns am Fluss einmal schnell gewaschen hatten, zwei Mal um die Lichtung. An den ersten paar Morgen hatte ich mir Hoffnungen gemacht, dass er dieses Training abbrechen würde, gerade weil wir ja angeblich so faule Säcke waren, doch er zog es gnadenlos durch. Und nach diesem langweiligen Dauerlauf um die Lichtung war es auch noch nicht vorbei. Denn direkt nach dem kargen Frühstück, das wir drei reihum vorbereiteten, zettelte er Wettbewerbe an. Wer ist als erstes am Gehöft, wer von euch schafft es schneller von hier aus einmal zur Box, zum Fluss und wieder zurück, und lauter solche Sachen. Diese Wettbewerbe gewann meist Alby – anscheinend steckte doch mehr von dem faulen Sack in mir, als ich es für möglich gehalten hatte. Ja, und so ging es weiter. Vom Morgen bis in die heißen Mittagsstunden ging das Training, danach waren wir auf uns alleine gestellt. Denn Minho verließ die Lichtung, und das jeden Tag. Nach einer kurzen Beratung hatten Alby und ich beschlossen, dass er das Labyrinth nach einem Ausweg absuchen durfte. So lange blieben wir hier auf der Lichtung und gingen unserer Arbeit nach.
Überhaupt fanden jetzt mehr Beratungen und Versammlungen statt, an denen sogar Gally und Newt teilnahmen, als „rechtmäßige Bewohner der Lichtung" wie Gally sich stets ausdrückte. Das war doch lächerlich, so wenig, wie sie für die Lichtung taten. Doch die Versammlungen halfen. So hatten wir beispielsweise diplomatisch für einen Anführer und dessen Stellvertreter abgestimmt, wobei Alby festgelegt wurde mit Minho als zweiter Mann. Im Geheimen hatte ich noch immer Newt für diesen Posten im Auge.
„Nochmal von vorne. Leute, das geht nicht!", schimpfte Minho eines sonnigen Tages, den ich gerne für alles genutzt hätte, nur nicht für das langwierige Lauftraining. „Ihr rennt hier rum wie begossene Pudel! Ihr habt echt überhaupt keine Lust, oder?" Grinsend trat ich einen Schritt auf ihn zu.
„Da hast du ganz Recht, werter Herr. Mir ist langweilig des Todes."
„Mir irgendwie auch", knurrte Alby zustimmend. Minho streckte die Arme in die Luft und irgendwie hatte ich kein gutes Gefühl, als ich versuchte, den feurigen Blick in seinen Augen zu deuten. Und dann rückte er raus mit seinem ach so tollen Plan, unsere Langeweile zu verscheuchen. Wenn ich gewusst hätte, was das für uns alle im Allgemeinen und für mich im Besonderen bedeutete, hätte ich möglicherweise nicht sofort zugestimmt, doch in diesem Moment war ich bereit, alles zu tun, nur, damit es nicht so langweilig blieb, mein beschissenes, kleines Leben. „Seid ihr bereit, die Regel Nummer eins zu brechen?" Ein Grinsen breitete sich auf Minhos Gesicht aus und es steckte irgendwie an. Sogar Alby, der alte Brummbär, lächelte. Wir beide nickten. Wie gesagt – ich war bereit, alles zu tun, nur, damit es nicht so langweilig blieb. Und so nahm das Unheil seinen Lauf. Wir packten uns Proviant zusammen und liefen drauf los, liefen uns frei. Minho hatte alles perfekt im Griff, hinterließ Spuren auf unserem Weg, damit wir den Weg zurück fanden und lief für uns sogar ein bisschen langsamer. Ich war ihm unendlich dankbar dafür, denn ich war kein Ausdauer-Mensch. Ich konnte ein bisschen sprinten, weshalb ich damals, als Newt und ich unser Wettrennen... stopp, falscher Gedanke. Ich durfte nicht an Newt denken, nicht mit seinem harten, gefühlslosen Gesichtsausdruck. Und ich war mir sicher, dass er gefühlslos war. Hatte keine Ahnung von dem inneren Kampf, den er tagtäglich unter den größten Schmerzen austrug. Hatte keine Ahnung von dem inneren Kampf, an dem er gerade starb, gerade jetzt. Hatte keine Ahnung von dem inneren Kampf, den er gerade verlor.
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Newt: Way Home
FanfictionNewt ist noch ein halbes Kind, als sich die Ereignisse in seiner Heimatstadt New York überstürzen. Der Brand. Er dachte, er würde sie nie erwischen, sich und seine Familie. Doch es ist so weit. Die Gefahr ist in unmittelbarer Nähe - und Newt hat nur...
