I. Kapitel - Desaster

84 7 1
                                    

"Hör' mir jetzt bitte genau zu, Dalia.", sagte er, als er sich ihr näherte und sie in seinen tiefblauen, meeresgleichen Augen versank. Sie schluckte auf, ein Schauer durchbreitete sie. Ein Unwohlsein beschreibte wohl am besten ihren jetzigen Gemütszustand. Sie schaute auf den Boden, für einen Moment, ehe sie Kalebs Hand an ihrem Kinn spürte und dieser ihr Gesicht wieder auf Augenhöhe brachte. Seine verflixten, viel zu schönen blauen Augen, dachte sie. Sie kämpfte gegen ihren Impuls ihm um den Hals zu fallen - Verstand vs Herz. Einen Kampf, den sie schon seit Langem führte. Abrupt distanzierte sie sich jedoch von ihm, ein Sinneswandel trat ein. Dalia drehte sich um, fasste sich an den Kopf und lief verzweifelt den Gang, des viel zu großen Appartements, auf und ab. Auf und ab, auf und ab. Immer schneller und unkontrollierter. Verzweiflung breitete sich auf ihren Gesicht aus. Ihr Gesicht verhärtete sich. "Könntest du bitte aufhören, wie eine Irreskranke herumzulaufen?" bat Kaleb Dalia in einem ruhigen Ton. Sie ignorierte ihn. Konnte ihm nicht mehr in die Augen sehen. Seine Nähe ertrug sie in diesem Augenblick nicht. Sie spürte wie ihr langsam der Atmen ausblieb. Innerlich prägte sie das Gefühl, als sei sie von Mauern umgeben. Sie zu durchbrechen, schien nahezu erfolglos. Ein ungeheurer Druck lastete auf ihr und er wurde von Tag zu Tag größer. Kalebs Geduld war auch nicht grenzenlos und so ging er auf sie zu. Er versuchte sie zu beruhigen, wollte sie in seine Arme nehmen, doch Dalia wehrte sich vehement. Sie schlug mit ihren Fäusten gegen Kalebs Brustkorb, mit jedem Schlag schnürte sich ihre Luft zu, ihre Schläge wurden schwächer, doch ihre Tränen, die ihr Gesicht runterkullerten, immer stärker. Dalia brach auf dem Wohnzimmerteppich zusammen. Ihre Knie hatte sie dabei ganz an ihren Brustkorb gezogen, ihr Gesicht vergrub sie in ihren Armen. Ein lautes Schluchzen machte sich bemerkbar und es schien nicht aufzuhören. Kaleb wusste nicht, was um sie geschehen war. Zuerst zögerte er, doch dann setzte er sich neben Dalia und hörte ihr beim Weinen zu. Dalia versuchte sich zu beruhigen, hob ihr errötetes Gesicht hoch und wischte sich ihre Tränen aus dem Gesicht ab. Ihr Augen waren angeschwollen, ihre Schminke vollkommen verlaufen. Sie versuchte etwas zu sagen, doch brachte keinen Ton aus ihrem Mund heraus, als habe sie die Sprache verlernt. "Ic..Ichhh..", Dalia schluchzte weiter vor sich hin. Die Aufregung machte es ihr schwer, die richtigen Worte zu finden. Sie starrte perplex auf ihre Finger, spielte ganz nervös mit ihnen rum. Plötzlich erhob sie sich , steuerte zielgerichtet Richtung Wohnungstür. Im Eiltempo lief sie auf die Tür zu. Dabei einen kurzen Blick zurückzuwerfen, wagte sie nicht. Sie konnte ihn nicht ansehen. Nicht mehr. Nicht nachdem, was er ihr heute offenbarte. Es ging nicht. "Ich kann dir nicht helfen, Kaleb.", mit diesen Worten verließ sie die Wohnung und ehe Kaleb etwas sagen konnte, hörte man schon, wie die Tür ins Schloss fiel.

6 Monate zuvor

Der Regen prasselte die ganze Nacht gegen die Fensterscheibe. Dalia konnte die ganze Nacht nicht schlafen. So sehr sie es auch versuchte, ihr Verstand erlaubte es ihr nicht. Viel zu viele Gedanken schwirrten einmal wieder in ihrem Kopf herum. Die Uni fing morgen wieder an, Projekte und Klausuren kamen auf sie zu. Sie mochte ihren Studiengang sehr, Informatik hatte sie schon immer interessiert und gut war sie in Mathe auch gewesen. Dalia stellte sich die Frage, ob sie nicht neben ihrem Studium anfangen sollte zu jobben. Sie wollte ihre Mutter nicht mehr länger belasten. Es wurde Zeit mehr Selbstverantwortung zu übernehmen und auf eigenen Beinen zu stehen. Der Regen wurde stärker und Dalia stand aus ihrem Bett auf. Sie schaute aus ihrem Fenster. Sie sah einen alten Mann die Straße runterlaufen, vermutlich ein Obdachloser, seinem Erscheinungsbild nach zu beurteilen. So allein, so einsam. Er humpelte. Dalia mochte es nicht, anderen ihre Gefühle zu zeigen. Doch in solchen Momenten wurde sie schwach. Die Fassade, sie bröckelte. Ein tristes Gefühl überkam sie, sie bemitleidete den alten Mann. Vielleicht hatten sie auch etwas gemeinsam. Beide verloren. Beide einsam. Wenn sie ehrlich war, bemitleidete sie sich selbst. Ihr fehlte etwas im Leben. Sie spürte eine innere Leere. Der alte Mann war mittlerweile verschwunden. Dalia wendete sich ab und blickte kurz auf die Wanduhr. 02:45 Uhr. Zeit, es nochmal zu versuchen. Sie legte sich wieder in ihr Bett und zog die Decke über ihr Gesicht. Sie war plötzlich so müde geworden. Von der einen Sekunde auf die andere fiel sie in einen Tiefschlaf.

Torn Apart - AuseinandergerissenDonde viven las historias. Descúbrelo ahora