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Mittwoch und es geht weiter :D

Hört euch unbedingt das Lied dazu an!!! *-*

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Unsere Blicke verhakten sich für einen Moment, bevor sie mir ihre Hand hinhielt - eine stumme Aufforderung mit ihr zu kommen.

Sanft schlossen sich meine Finger um ihre, während ich mit einer fließenden Bewegung aufstand und mich von Kathrine fort vom Feuer und in die lauwarme Nacht davonführen ließ.

Ich lief still neben ihr her. Ich hatte fast ein wenig Angst, die Stille zu durchbrechen, wollte ich doch nichts falsches sagen und sie damit wieder verscheuchen. Also wartete ich geduldig ab, gab ihr die Zeit die sie brauchte. Immerhin hatte sie mich gerade mit sich genommen, also schien sie irgendeinen Plan, etwas auf der Seele zu haben, das sie loswerden wollte.

Unsere Hände waren noch immer verhakt und es fühlte sich so vertraut an, so selbstverständlich.

Wir liefen ein ganzes Stück, bis sie plötzlich stehen blieb.

Als ich bemerkte, wo Kate stehen geblieben war, musste ich lächeln.

Hier hatten wir die Schildkröten beobachtet.

Hier hatten wir uns das erste Mal richtig und bei vollem Bewusstsein geküsst.

Jetzt war ich völlig entspannt. Wenn vorher noch irgendwelche Bedenken da waren, so waren sie spätestens jetzt wie weggeblasen.

Kate stellte sie vor mich und sah mich an.

"Es tut mir leid, wie ich mich vorhin verhalten habe." Und da war für mich eigentlich schon wieder alles vergeben und vergessen. Ich wollte dieses Mädchen in meine Arme schließen und sie küssen. Aber stattdessen blieb ich brav stehen und wartete weiter ab, denn ich wusste, dass Kate noch nicht fertig war.

Mit einem tiefen Seufzen ließ sie sich in den Sand fallen und zog mich dann sanft neben sich.

Kate machte es sich im Schneidersitz vor mir bequem und schaute leicht gedankenverloren für eine Weile auf die ruhige See, die sich gemächlich in kleinen Wellen ans Ufer schob.

Und immer noch hielt sie meine Hand.

Schließlich, als das brünette Mädchen vor mir sich scheinbar gesammelt hatte, hob sie energisch den Kopf, nahm eine aufrechte Haltung an und begann wieder zu sprechen.

"Nochmals: Es tut mir wahnsinnig leid, wie ich dich vor einigen Stunden behandelt habe. Ich..." Sie schluckte einmal schwer und fuhr dann fort: "Ich hab einfach komplett die Beherrschung verloren, was mir sonst so gut wie nie passiert und habe alles an dir ausgelassen! Und du, oder das was zwischen uns passiert ist, hat überhaupt nichts damit zu tun! Du warst immer so süß und fürsorglich mir gegenüber! Es beschämt mich zutiefst, dass ich so ein Verhalten an den Tag gelegt habe."

Resigniert strich sie sich mit ihrer freien Hand einmal kurz übers Gesicht und durch dir Haare, bevor sie mir wieder direkt in die Augen sah.

Sie war anscheinend wirklich fix und alle, doch mein Herzschlag beschleunigte sich augenblicklich nach ihren Worten, die wie Musik für meine Ohren waren - vor allem der Teil über sie und mich!

"Ich weiß, bei uns allen liegen die Nerven blank und jeder hat an unserer Situation zu knabbern, aber heute hat's mir einfach den Hauptschalter rausgehauen. Denn zu all meinen bisherigen Ängsten und Sorgen kam heute noch was hinzu. Heute war der Tag meiner letzten Abiprüfung!"

Überrascht und etwas verwirrt blinzelte ich Kate an.

Das war also der Grund für ihren Ausraster?!

Sie bemerkte meinen leicht irritierten Blick und fuhr hastig fort: "Bitte, lass mich erklären, wieso mich das so aufgeregt hat!

Also ich möchte Medizin studieren und habe mir die letzten beiden Jahre einen abgeschuftet, damit ich ein gutes Abitur zusammenbringe, damit ich möglichst gleich an einer Uni zugelassen werde. Ich wollte schon Ärztin werden, da war ich acht Jahre alt. Weißt du, bei der Geburt meiner beiden kleinen Brüder gab es einige schwere Komplikationen. Sie haben die beiden mit einem Kaiserschnitt geholt und meine Mutter danach sofort notoperiert und konnten so drei Leben retten. Drei Leben, die für mich, meine großen Brüder und meinen Vater die Welt bedeuteten! Und seit diesem Tag möchte ich dieses Glück, das uns zuteil wurde, weitergeben. Der Plan war, das Medizinstudium zu bewältigen, die Assistenzarztzeit anzutreten und dann richtig Gas zu geben und vielleicht auch sowas wie Ärzte ohne Grenzen zu machen. Und jetzt sitze ich auf dieser verfluchten, namenlosen Insel fest und meine Zukunft geht den Bach runter, ohne das ich auch nur das Geringste dagegen tun könnte!"

Kate hatte sich immer mehr in Rage geredet und zum Schluss zu merkte ich, wie ihr Tränen den Hals zuschnürten und ihre Stimme brüchig werden ließen.

Ohne weiter darüber nachzudenken, überbrückte ich den kleinen Abstand zwischen uns und schloss sie fest in meine Arme. Dieses Mal stieß sie mich nicht weg, sondern drückte mich ebenso fest an sich, wie ich sie.

"Es tut mir so leid, Kate. Aber wir dürfen nicht aufgeben! Wir werden gefunden. Alles wird wieder gut." Ich plapperte irgendwelche Worte vor mich hin, in der Hoffnung, sie ein klein wenig beruhigen zu können. Ich selbst hatte die Hoffnung schon fast aufgegeben, dass wir jemals wieder von dieser verlassenen Insel kommen würden. Wer konnte Kate also verdenken, wenn sie ebenso dachte? Ich hatte selbst manchmal das Gefühl, gleich den Verstand zu verlieren. Und das lag inzwischen nicht mehr nur an Shay und Nate, sondern vor allem an unserer ausweglosen Situation.

Kate und ich klammerten uns aneinander, auf der Suche nach Sicherheit und Halt. Ihre Tränen benetzten meine Haut, durchweichten mein T-Shirt, aber es war egal. Sie sollte sich ausweinen, wenn es ihr gut tat. Ich wollte ihre helfen, wo ich nur konnte. Für sie da sein, wenn sie mich brauchte.

Ich vergrub meine Nase in ihren Haaren, spürte ihren von Schluchzern geschüttelten Körper in meinen Armen.

Gerade eben hatten wir nur noch uns. Wir mussten zusammenhalten.

Und ich tat nichts lieber als das für dieses Mädchen, das mir in dieser Zeit so wichtig geworden war.

Sanft drückte ich sie ein kleines bisschen von mir weg. Mit großen, traurigen Augen sah sie mich an. Die Tränenspuren auf ihren Wangen glitzerten im Mondlicht.

Sie war so wunderschön.

Zärtlich umfasste ich ihr Gesicht mit meinen Händen und wischte sachte die letzten Tränen weg.

"Kate, alles gut! Mach dir keinen Kopf mehr wegen vorher! Ich verstehe dich voll und ganz. Und wann immer du dich wieder so fühlst, komm und sprich mit mir oder sprich gar nicht und ich nehm dich einfach nur in den Arm, wenn dir das hilft. Okay?"

Sie sah mich daraufhin von unten her durch ihre dichten Wimpern und mit geröteten Augen an und lächelte zaghaft.

Dieses Lächeln ließ mich förmlich dahinschmelzen und als sie dann auch noch nickte, dachte ich, die ganze Welt umarmen zu müssen.

Kathrine vertraute mir.

Ich zog sie zu mir auf den Schoß und schloss meine Arme um sie.

Nachdem ich sie kurz auf die Stirn geküsst hatte, flüsterte ich ihr noch ins Ohr: "Danke, dass du mir davon erzählt hast. Nicht nur, wie wichtig dir dein Abi ist, oder wie leidenschaftlich du jetzt schon von deinem zukünftigen Beruf sprichst, sondern auch für das, was du mir über deine Mutter und deine Brüder anvertraut hast!"

"Nein Cole, ich danke dir!", sagte sie mit immer noch brüchiger Stimme.

Dieser herzzerreißende Satz ging mir durch Mark und Bein und traf mich direkt im Innersten.

Ich löste mich ein paar Millimeter von ihr, sodass wir uns in die Augen sehen konnten.

Ich küsste ihr die neuen Tränen von den Wangen, bevor meine Lippen die ihren fanden und ich alles in diesen Kuss legte, was ich für sie fühlte. 




Shipwrecked -Segelfahrt ins (Un)GlückWo Geschichten leben. Entdecke jetzt