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Hinter mir aus einer der Heckkabinen ertönte nun Kathrines Stimme, die "Shay!!!" schrie und ich begann langsam das Ausmaß des Übels zu begreifen.

Deshalb war Shay also nach dem Einkaufen so schnell verschwunden und hatte nicht beim Tragen mitgeholfen.

Gerade als es etwas ruhiger bei uns zuging...

"Was zum Geier machen deine Sachen bei mir und wo ist mein ganzes Zeug?!", rief Kathrine wütend.

Als ich mich umdrehte, sah ich sie aus der Kabine zu Shay stürmen.

Wenn der vorherige Streit einem Theater glich, hatten wir jetzt ein ganzes Broadway-Musical.

Die Gerufene war so lebensmüde und erschien doch tatsächlich in persona vor Kathrine.

In diesem Moment bewunderte ich Shay ein wenig, dass sie sich ihrer Freundin stellte, denn diese sah so geladen aus, dass es mich nicht gewundert hätte, wenn ihr Dampf aus den Ohren geschossen wäre.

"Ja?", fragte die Angesprochene unschuldig. Mann, die hatte wirklich Nerven.

"Wie kommst du dazu einfach deine Sachen bei mir abzuladen und auszubreiten?! Da finde ich nie wieder was von mir und wo soll ich überhaupt bei dem ganzen Durcheinander schlafen, hä?", redete Kathrine ihre Freundin nieder.

Ihr war also noch nicht klar, worauf es letztendlich hinauslief. Das könnte interessant werden...

"Wie ich vorher schon gesagt habe, brauche ich dringend den Platz für meine Sachen! Und stell dich nicht so an, es ist doch nur für sieben Tage und nicht für immer. Cole ist schließlich nicht giftig."

Spätestens jetzt sollte der Groschen auch bei Kathrine gefallen sein.

"Du hast mich auch noch einfach ausquartiert?!", fragte sie nun fassungslos.

"Ja, deine Sachen sind schon vorne bei Cole in der Bugkabine", erklärte Shay ungerührt, sich anscheinend nicht der geringsten Schuld bewusst.

'Bei einer solchen Freundin, braucht man keine Feinde mehr', schoss es mir durch den Kopf und Kathrine tat mir in dem Moment einfach nur schrecklich leid.

Wortlos drehte diese sich um und verschwand an Deck.

Einen Moment herrschte drückende Stille.

"Das war echt 'ne üble Aktion, Shay", sagte ich kalt zu dem blonden Mädchen und an meinen Kumpel gewandt: "Du solltest deiner Freundin mal ein paar Manieren beibringen!"

Auch ich war stinkwütend, weil Shay es mal wieder geschafft hatte, auf unser aller Kosten ihren Willen durch zu setzten und den Abend komplett zu versauen.

Ich beschloss nach Kathrine zu schauen, da sonst auch noch ich verbal auf Shay losgegangen wäre.

Auf dem Steg angekommen, atmete ich einmal tief ein und aus und ließ danach kurz meinen Blick rundumschweifen. Am Ende der hölzernen Landbrücke entdeckte ich eine Person, wie sie aufs Meer hinausblickte.

Langsam ging ich in ihre Richtung.

Mich beschlich ein wenig die Nervosität. Ich wusste nicht genau, wie ich mit Kathrine nach gestern Abend umgehen sollte. Bis jetzt hatten wir unsere kleine Einlage gestern einfach tot geschwiegen und so getan, als wäre nichts gewesen. Wahrscheinlich war es auch am besten, wenn wir nicht mehr darüber redeten. Ich meine, es war eine einmalige Sache gewesen, richtig?

Als ich bei ihr angekommen war, stellte ich mich schweigend neben sie und betrachtete ihr Profil. Der Wind wehte ihr die Haare ins Gesicht, aber sie unternahm keine Anstalten diese weg zu streichen, sondern starrte einfach nur mit einem angestrengten Gesichtszug in die Ferne. Ich konnte sehen, dass ihr Kiefer angespannt war.

"Manchmal frage ich mich wirklich, warum ich mir das antue", durchbrach sie plötzlich leise die Stille. Ich war überrascht, aber hielt meine Klappe, weil ich das Gefühl hatte, dass sie gleich weiter reden würde. "Aber dann erinnere ich mich an all die guten Seiten an ihr, all die schönen Momente, die wir miteinander verbracht haben, all die Dinge, die wir teilen." Ein kleines Lächeln umspielte ihre Mundwinkel und sie wandte ihren Blick zu mir. "Aber manchmal wünschte ich einfach, ich könnte sie erwürgen." Ich musste ebenfalls grinsen. Dieses Gefühl kannte ich nur zu gut.

Kurze Zeit schwiegen wir und sahen uns in die Augen, bis Kathrine ihren Blick wieder abwandte und aufs Meer schaute.

"Also, wir können deine Sachen immer noch einfach wieder in deine alte Kabine zurück bringen und Shays Sachen über Bord werfen." Kathrine brach in schallendes Gelächter aus. Es freute mich, dass ich sie zum Lachen bringen konnte. Dieses glockenklare Lachen war einfach... Moment, falsche Richtung!

"Aber wir können uns auch die Kabine teilen, um des lieben Friedens willen." Bevor ich den Satz zu Ende gesprochen hatte, hätte ich mich schon ohrfeigen können. Wo war das denn jetzt bitte her gekommen? Ich hatte ihr doch nicht gerade ernsthaft angeboten die nächste Woche mit mir in einem Bett zu schlafen?! Das wollte ich doch selbst nicht! Und was würde sie jetzt bitte von mir denken? Entweder sie würde mir jetzt eine kleben, weil sie das für eine schmierige Anmache hielt oder sie würde mich auslachen.

Aber keines von beidem geschah. Stattdessen wandte sie mir ihren Blick nur wieder zu und sah mich nachdenklich an.

"Bist du dir sicher?"

War ich mir sicher? Ich hatte keine Ahnung. Aber wenn ich in mich hineinhorchte, hatte ich irgendwie anscheinend doch kein großes Problem mit der Vorstellung, abends neben Kathrine einzuschlafen und morgens neben ihr aufzuwachen. Und ich musste gestehen, das war ein komisches Gefühl. Eines, das ich bis jetzt noch nicht kannte und von dem ich noch nicht genau wusste, wie ich damit umgehen sollte. Und es machte mir ein bisschen Angst. Aber schon wieder war mein Mund schneller als mein Hirn und ich hörte mich "Ja" sagen.

Langsam nickte sie. "Okay, dann werden wir das wohl so machen."

Unwillkürlich musste ich grinsen und da war irgendwas mit meinem Bauch los. Was war das? Hoffentlich hatte ich nichts Falsches gegessen...

"Aber Cole?" Kathrine sah mich jetzt mit ernstem Gesichtsausdruck an und ich bekam schlagartig ein mulmiges Gefühl. Aber dann fing sie schelmisch zum Grinsen an. "Deine Finger lässt du schön bei dir."

Achso, das war alles? Damit konnte ich leben.

Zu dem Zeitpunkt wusste ich aber noch nicht, dass das schwieriger werden würde als gedacht.

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Was ist eure Meinung zu Shay's Aktion?

Eure

HeyGuys77 & love_to_read2014

Shipwrecked -Segelfahrt ins (Un)GlückWo Geschichten leben. Entdecke jetzt