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(I) vier

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Lilian

Langsam, fast behutsam ließ ich meine Fingerkuppen über seine Brust gleiten und spürte, wie sich seine Muskeln unter meiner Berührung entspannten, und er leise ausatmete.

Ohne mit der Wimper zu zucken, holte ich aus und meine Hand landete klatschend auf seiner Wange.

„Ich gehöre zu niemandem", zischte ich eindringlich und befreite mich aus seinem Griff, während Will sich ungläubig ins Gesicht fasste. Auf seiner Haut war ein roter Abdruck zu sehen und die Genugtuung darüber lenkte mich von dem tauben Pochen meiner Handfläche ab. Gerade wollte ich mich umdrehen, um so schnell wie möglich zu verschwinden, als er mein Handgelenk zu fassen bekam.

„Wenn du mich nicht sofort loslässt, schreie ich", warnte ich, kurz davor zu hyperventillieren, doch er grinste. Er grinste, verdammt nochmal, und sah dabei verboten gut aus.

„Lilian, bitte, lass uns reden", versuchte er, mich mit gesenkter Stimme zu beruhigen.

„Diese Gelegenheit hast du aber sowas von verpasst, als du Jason ohne Grund fast verprügelt hast", erwiderte ich trotzig und hob mein Kinn. „Außerdem, Will, gibt es nichts, worüber wir reden sollten, wenn ich ehrlich bin."

Seine Augen verdunkelten sich wieder, als ich Jasons Namen nannte und ich schluckte schwer. Ich spürte etwas Starkes, Gefährliches in ihm flackern, das kurz davor war, die Oberhand zu ergreifen, allerdings konnte ich ihn kaum einschätzen. Er war eine tickende Zeitbombe, die jeden Moment hochgehen und alles mit sich reißen könnte. Sie könnte aber genauso gut auch ein Blindgänger sein.

Eine Zeitbombe mit wunderschönen Augen, in denen ich mich verlieren wollte. Hier draußen, bei hellem Tageslicht, erkannte ich, dass seine Iris hellbraun war mit winzigen Sprenkeln, die glänzend wie kleine Scherben.

Ich konnte mich nicht mehr rühren.

Langsam und vorsichtig streckte er seine Hand aus und strich mir eine Haarsträhne hinters Ohr, seine Finger verharrten dicht hinter meinem Gesicht. Mein Herz schlug immer höher und ich war kurz davor, mich meinen intensiven Gefühlen hinzugeben, die Schutzmauer war gefährlich am Bröckeln; die Risse im sonst so standhaften Mauerwerk wurden immer größer. Mein rationales Denken war tief in den hintersten Winkel meines Kopfes verbannt.

„Du bist so wunderschön", murmelte Will und fuhr mit den Fingerspitzen mein Kinn entlang. Ein angenehmer Schauer lief mir über den Rücken, ich biss mir auf die Unterlippe. Sein warmer Atem kitzelte an meinem Ohr und die Hitze, die er ausstrahlte, überschwemmte meinen Körper gleißend. Bei seinen Worten wurden meine Glieder zu flüssigem Wachs, das immer weiter schmelzen wollte. „Wir träumten voneinander, und sind davon erwacht; wir leben, um uns zu lieben, und sinken zurück in die Nacht."

Ich kannte die Verse dieses Gedichtes nur zu gut, die er in mein Ohr flüsterte, ich hatte sie selbst nach einer seltsamen Eingebung gelesen. Oh, ich kannte es, und meine Seele schien es ebenfalls zu kennen; es kam mir vor, als wäre diese Strophe seit einer kleinen Ewigkeit in meinen Geist eingebrannt.

„Lilian Bennett", wisperte Will kaum hörbar, sodass ich mir nicht sicher war, ob es nicht nur ein Windhauch gewesen war, der mir Streiche spielte. „Ich habe dich endlich gefunden. Du bist meine Mate."

Schritte ertönten auf dem mit Gras bedeckten Boden, ich nutzte die Gelegenheit und trat, aus meiner Trance gerissen, einen Schritt zurück. Eine Gestalt war um die Ecke der Sporthalle getreten, bei unserem Anblick blieb Jackson wie angewurzelt stehen. Seine kalten, blauen Augen ruhten auf mir, ich fühlte mich nackt und schutzlos. Es war irritierend, wie ich mich unter dem Blick eines Menschen so entblößt fühlen konnte, obwohl sich sichtlich mehrere Meter Abstand zwischen uns befanden.

Mate - AeternitasWo Geschichten leben. Entdecke jetzt