Epilog

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Achtzehn Jahre später...

»Nellina? Kannst du mir mal sagen, wo du steckst? Was ist mit deinem Zimmer? Wolltest du das nicht aufräumen? Das sieht aus wie in einem Schweinestall«, rufe ich zornig und renne durch unsere Haushälfte, doch nirgends ist sie zu sehen und mir fällt mal wieder auf, wie schnell die Jahre vergangen sind. Manchmal komme ich mir sogar ziemlich alt vor, obwohl ich noch immer genauso jung aussehe, als mich Edan verwandelte. Niemals wird sich das wieder ändern. Langsam habe ich das auch endlich kapiert. Außerdem habe ich mich an das Leben als Vampir gewöhnt und werde jedes Jahr stärker.

Edan ist natürlich noch immer an meiner Seite. In diesem Moment zwar nicht, weil er meiner Mutter und ihrem Verlobten Steven in diesem Augenblick mit dem Haus zur Hand geht, da noch Einiges durch den Umzug fertiggemacht werden muss. Sie wohnen genau neben uns und obwohl ich eigentlich davor ausging, dass sich unsere Wege längst trennten, ist es nicht an dem. Sie sind Teil der Familie geworden. Vielleicht wird das doch irgendwann der Fall sein, aber womöglich auch nicht. Das wird sich zeigen.

Prompt halte ich inne, als ich glaube etwas zu hören. Nellina will mich echt veräppeln. Schnaufend hetze ich zu den anderen nebenan, da ich vor Wut koche und Edan weiß genau, was los ist. Ich hasse nämlich nichts mehr, wenn ich meiner Tochter alles zehnmal sagen muss. Meine Mutter hingegen lacht nur: »Kommt dir das nicht irgendwie bekannt vor?« Ich weiß, dass Teenager nicht einfach sind. Ich selbst war es auch nicht immer, aber nun selbst in dieser Situation zu stecken, ist nicht dasselbe. Meine Mutter betrachtet mich schmunzelnd und sieht mich noch mit dem gleichen Gesicht an, seitdem sie von Steven verwandelt wurde. Dieser klemmt gerade mit meinem Mann den Herd an. Sie hingegen scheint nur ziemlich amüsiert; weil ich mich so aufrege.

Kurz wird mein Blick weich, weil ich Edan einen Wimpernschlag dabei beobachte, wie er konzentriert seine Arbeit erledigt. Ich liebe ihn noch wie am ersten Tag. Wenn man es ehrlich nimmt eigentlich noch mehr. Erst recht nachdem er mir und ich ihm das Ja-Wort gab. Es war einer der schönsten Tage bisher in meinem Leben. Natürlich auch, als ich das erste Mal Nellina im Arm hielt. Einerseits fühlt es sich wie eine Ewigkeit an, aber wenn ich konzentrierte und die Augen schließe, kann ich mir die Bilder ins Gedächtnis rufen, als wäre es erst gestern gewesen. Auch Henry war dabei.

Leider starb er vor fünf Jahren. Noch immer ist es sehr schwer für mich. Ich habe ihm viel zu verdanken. Nicht nur das. Er war immer für mich da und es fühlt sich für mich an, als sei mein eigener Großvater gegangen, obwohl wir nicht verwandt waren. Er prägte mein Leben, war für mich da, als ich ganz allein auf der Welt war. Dass er an einem lauen Sommerwind in seinem Bett friedlich und still einschlief, verkraftete ich am Anfang überhaupt nicht, obwohl ich mich längst mit dem Wissen abgefunden hatte. Auch Mimi war zuvor an seinen Füßen gestorben. Sie war ebenso alt, schlief fast nur noch und schien irgendwie nur auf ihr Herrschen zu warten, bis sie endlich frei war. Wenigstens waren sie nun zusammen, als hätte das Schicksal für die zwei noch etwas im Himmel vor.

Sofort verbeiße ich mir die Tränen, da ich trotz der Jahre noch immer häufig an ihn denke. Das ist halt der Nachteil, im Leben eines Vampirs. Wir vergessen nicht. Die Bilder sind genauso klar und deutlich vor unseren Augen, als wäre es erst gestern gewesen. Wenn er nur sehen könnte, wie wir jetzt in Schottland sesshaft wurden. Es ist traumhaft schön und hätte ihn auf jeden Fall sehr gefallen. Hier leben einige zivilisierte Vampire und deswegen sind wir auch hergezogen. Nellina braucht Freunde und nicht nur Menschen um sich herum. Das wurde uns spätestens dann bewusst, als wir bemerkten, dass sie sie selbst sein wollte; mit all ihren Fähigkeiten.

»Ich habe sie gerade noch hinterm Haus gesehen«, grient Edan und holt mich sofort aus meiner sentimentalen Stimmung heraus, da er genau weiß, dass ich noch immer einige Schwierigkeiten mit meinen Emotionen habe. Außerdem spürt er es sofort, wie ich mich fühle. Ich kann nichts vor ihm verheimlichen, was mich auch nicht stört, da er weiß, wie er mit mir umzugehen hat. Zugleich verdrehe ich die Augen, weil mir sofort klar ist, was das zu bedeuten hat. »Warum hast du ihn nicht zusammengeschissen?«, murre ich.

Someday III - Lost in youWhere stories live. Discover now