Kapitel 37

757 48 6
                                    

Ich kramte in der Schublade herum und holte das kleine Päckchen heraus. Wenn man bedachte, wann es mir Lukas gab, kam ich mir schon blöd vor, dass ich es nicht eher öffnete, doch ich wollte dabei meine Ruhe haben und ständig kam etwas dazwischen. Ich hatte es mir schon umgelegt, bevor mir mein Vampir einen Antrag machte, aber da er mit mir auf die Lichtung wollte, wo er vor mir auf die Knie sank, packte ich es danach zurück in die Schublade, doch nun hatte ich Zeit; wollte meinen Gedanken freien Lauf lassen.

»Ach, hier bist du«, erschreckte mich Edan von hinten. »Ich dachte, du bist unten!«, murmelte ich und fuhr fort: »Ich habe es immer noch nicht richtig umgehabt.« Edan reagierte immer komisch, wenn es ihm Lukas ging, doch dieses Mal war es anders. Sicher, weil ich seinen Antrag annahm, mein ehemaliger Mitschüler längst verschwunden war und ich Edan sowieso über alles in der Welt liebte; uns nichts mehr trennen konnte. Damals las er auch den Liebesbrief, der mir in den Spint geworfen wurde, weil er eifersüchtig war, doch das war nun vergessen, auch wenn es mich am Anfang ankotzte, dass Edan diesen zuerst verschwinden ließ, bevor ich diesen lesen konnte.

»Hast du es noch mal in der Hand gehabt?«, wollte ich nebenbei wissen, aber er verneinte. »Du hast mich damals so zusammengeschissen. Da habe ich mir gedacht, dass ich mich etwas zurückhalte.« Kurz streifte seine Lippen meine Wange und er ließ mich wieder allein. Sicherlich, weil er spürte, dass ich etwas Ruhe mit mir selbst brauchte. Als ich es öffnete, schluckte ich. Ich sah Silber. Das Armband. Es war wunderschön und überall hingen immer noch diese kleinen Sehenswürdigkeiten daran. Bis zu diesem Moment hatte es sich nicht verändert. Natürlich nicht. Wie auch? Und irgendwie machte es mich nicht nur traurig. Es erinnerte mich sehr an Lukas, der einfach so; auf und davon war, und auf der einen Seite wusste ich, dass es ein Abschied für die Ewigkeit wäre.

Tränen stiegen mir wieder in die Augen und ich hielt es fest an meine Brust gedrückt. Ich liebte ihn nicht so, wie er mich, aber wie einen Freund. Einen Bruder. Es war echt schwer für mich, als er ging und bis jetzt hatte ich nichts mehr von ihm gehört, was mich manchmal schon sehr verletzte. Allerdings war klar, dass ich nachdem ich mir sicher sein konnte, sehr alt zu werden, ihn irgendwann aufsuchte, auch wenn er wahrscheinlich alt und grau in seinem Schaukelsuhl saß und mit seinen Ekeln auf der Veranda Tee trank. Aus der Ferne würde ich zu ihm blicken und sehen, ob er ein schönes Leben hatte. Das versprach ich mir selbst.

Nachdenklich setzte ich mich auf die Bettkante und wartete auf Edan, da ich wusste; es dauerte nicht lange und er war wieder bei mir. Immer, wenn mir etwas weh tat; sei es physisch oder psychisch; schien er urplötzlich an meiner Seite zu stehen. Und wie sollte es auch anders sein... »Soll ich es dir umbinden?« Ich gab ihm das Armband und hielt ihn meinen Arm zögerlich entgegen. Sanft öffnete er den Verschluss, legte es um mein Handgelenk und schloss es wieder. Seine Finger verweilten kurz auf meiner Haut, dann umschloss er mit seinen Händen mein Gesicht. »Bald wird es nicht mehr so weh tun. Er wird nicht der Einzige sein, den du irgendwann nicht mehr in deinem Leben haben wirst.«

Ich schluckte schwer und nickte, denn das war mir selbst bewusst. Gerade, als er es mir wieder vor Augen hielt. Augenblicklich wischte mir Edan eine Träne von der Wimper. »Wenn sich alles gut eingerenkt hat und wir etwas Luft haben, dann können wir ihn gern in Amerika besuchen«, doch daran glaubte ich nicht. Wenn Lukas mich nicht sehen wollte, dann konnte ich ihn nicht dazu zwingen. Trotz dessen war da noch die Hoffnung, dass es auf dem Abschlussball nicht das letzte Treffen gewesen ist.

»Das würdest du für mich machen?«, fragte ich leise. Mir war ziemlich bewusst, dass es Edan Überwindung kostete, denn Lukas liebte mich und schien seiner Meinung nach ein Kongruent zu sein. Egal ob als Mensch oder Vampir. Auch wenn er manches nicht mehr so ernst nahm, ging das mit seiner Eifersucht nicht komplett vorbei. Doch das störte mich nicht. Ich fand es eher süß. Außerdem kam sowieso niemand an Edan heran. Zumindest sah ich das so, da ich ihm schon längst mein Herz schenkte. »Na ja. Du wärst dann meine Frau und wir haben eine gemeinsame Tochter. Ich würde ihn tolerieren; sagen wir mal so« und ich schmunzelte. »Gar nicht eifersüchtig?« Ich wusste er würde wahrscheinlich immer etwas Angst haben und ich ebenso.

Someday III - Lost in youWhere stories live. Discover now