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acht / eight / huit.-

Erstaunt sehe ich sie an, doch komme nicht zum Antworten, da die Türe aufgerissen wird und meine Mutter in das Zimmer stürmt. Kurz wirkt sie wie eine Furie.

„Sav..", die Miene meiner Mutter verändert sich schlagartig, als sie sieht, dass Savannah nicht alleine in dem Raum ist.

„Austin, was machst du hier? Kann ich bitte mit dir sprechen? Draußen", sagt sie in einem scharfen Ton und ich ziehe meine Augenbrauen verwirrt hoch. Sie wirft mir einen strengen Blick zu, den ich überhaupt nicht deuten kann.

Bevor ich auf die Aufforderung antworten kann, ist sie auch schon weg und Savannah lacht leise auf. „Austin also. Welch eine Ironie des Schicksals", bemerkt sie und ich sehe sie verwirrt an. „Was meinst du?"

„Austin. Savannah. Ich schätze, unsere Eltern haben entweder das Reisen so sehr geliebt, dass wir sie auf ewig daran erinnern sollen, dass sie jetzt mit einem Drecksbalg daheim sitzen und sesshaft werden müssen oder sie waren einfach nur so verdammt unkreativ, dass jede Hilfe für sie zu spät kommt."

Kurz muss ich darüber nachdenken, was sie meint, bis ich es verstehe, und lache schließlich mit.

„Hast recht. Ich gehe dann mal lieber, bevor sie wieder kommt und mich an den Haaren aus dem Zimmer zieht", meine ich und stehe auf. Sie nickt mittlerweile wieder völlig desinteressiert und bringt mich deswegen zum Seufzen.

Schnell eile ich meiner Mutter hinterher und schließe Savannahs Zimmertür hinter mir. „Mum? Was ist los?", frage ich meine Mutter stirnrunzelnd. Sie steht mit den Armen vor der Brust verschränkt gegenüber der Tür und blickt gedankenverloren auf ein Gemälde, welches hier vor ein paar Jahren zu Ehren einer verstorbenen Chefärztin aufgehängt wurde.

Als sie mich dann bemerkt, sieht sie mich nur mit zusammengezogenen Augenbrauen an. „Du weißt, dass Savannah Hilfe braucht, richtig?"

Ich nicke verwirrt.

„Und du weißt, dass die Bettlaken noch nicht verteilt sind?"

Wieder nicke ich zaghaft und zwinge mich zu einem leichten Grinsen. „Ich bin schon ein totaler Profi darin, das krieg ich schnell hin, Mum."

Sie nickt kurz und sieht zu Savannahs Tür. „Sie braucht die Sitzungen. Ich weiß, dass sie sich noch weigert, aber ich werde eine Möglichkeit finden, sie zum Besuchen der Therapien zu bringen. Sie muss sich auf das Wesentliche konzentrieren, nämlich im ersten Fall auf das Gesund werden. Und das geht so nicht, wenn du sie davon ablenkst." 

„Mach ich nicht Mum, ehrlich."

Seufzend nickt sie, wendet sich von mir ab und geht zurück in Savannahs Zimmer. Ein deutliches Zeichen für mich, mich den Bettlaken zu widmen. Genervt stöhne ich auf, als ich den Berg Bettwäsche sehe und mache mich langsam an die Arbeit. Wenn ich wenigstens für diesen Dreck hier Geld kriegen würde, aber nein. Schließlich bin ich ja sozial engagiert und mache diese Arbeit freiwillig, mit Leib und Seele. Und natürlich voller Euphorie!

Kurze Zeit später ertönt lautes Geschrei, welches mich plötzlich aus meinen Gedanken reißt und mich inne halten lässt. Nach kurzem Horchen stelle ich fest, dass es aus Zimmer Nummer 203 kommt. Aber was hätte man denn auch anderes erwarten können?

Ein leichtes Grinsen schleicht sich auf meine Lippen und ich schmeiße das letzte Pack Bettwäsche in das Zimmer von Mina, die immer noch bei dieser schrecklichen, folternden Sitzung, zu die anscheinend Savannahs Geschrei nach zu urteilen Savannah gerade genötigt wird, ist.

Meine Mutter tritt atemlos in den Flur und streicht sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Mum sah für ihn Alter doch noch recht gut aus.

„Gott, dieses Mädchen. Sie ist mein laufendes und atmendes Todesurteil", zischt sie und läuft mit energischen Schritten davon. Ein Blick auf die Uhr verrät mir, dass ich, beziehungsweise wir, gleich Feierabend machen können, also schiebe ich dieses quietschende Ding auf vier Rädern vor mich hin und stelle es an seinem ursprünglichen Platz ab.

„Mum, gehen wir?", frage ich, als ich sie neben dem Kaffeeautomaten sehe. Sie hebt kurz ihre Hand an, um auf ihre Armbanduhr zu schauen, und nickt schnell. „Ja, ich brauche nur schnell einen Kaffee. Geh dich schon mal umziehen", befielt sie mir und ich tue, was sie sagt. Ich wende mich von ihr ab und laufe in das Umkleidezimmer. Schnell streife ich dieses kotzgrüne Oberteil ab, welches mich langsam immer mehr anwidert, und werfe es in meinen Spind. Nur noch ein paar Wochen Austin, die bringst du hinter dich und dann hast du es geschafft. Nie wieder Toilette putzen, nie wieder Bettwäsche austeilen. Und vor allem, nie wieder dieses ekelhafte Ding tragen.

Während sich meine Mutter auch noch umzieht, checke ich meine Nachrichten ab und genieße das Schweigen, welches sonst so ungewöhnlich für meine Mutter ist. Relativ aggressiv packt sie ihre Sachen, greift nach den Autoschlüsseln und deutet mir mit einer Handgeste, dass ich aufstehen soll. Da sie heute morgen mit einer Mitfahrgelegenheit in das Krankenhaus gekommen ist, muss ich jetzt auf dem Beifahrersitz Platz nehmen.

„Manchmal frage ich mich wirklich, wieso ich mir diesen Job ausgesucht habe", bemerkt sie seufzend, als sie sich neben mir niederlässt und den Motor zum Aufheulen bringt.

„Die Frage kann dir niemand beantworten, Mum", gebe ich zurück und lehne mich zurück. Trotz meines verlängerten Schlafes ergreift mich die Müdigkeit und ich kann meine Augen kaum offen halten. Ich beschließe, direkt nach der Ankunft ins Bett zu gehen, damit ich morgen wenigstens etwas fitter bin.

Mitten in der Nacht werde ich jedoch von dem Notpiepser meiner Mutter geweckt, welcher immer neben ihrem Nachttisch liegt und so laut ist, dass jeder Nachbar im Umkreis von 50 Kilometer jetzt aus seinem Schlaf gerissen wurde. Verzweifelt verstecke ich meinen Kopf unter meinem Kissen und versuche, das nervtötende Geräusch auszublenden. Kurze Zeit später verstummt es und ich höre meine Mutter leise reden, vermutlich wurde sie mit der Station in Verbindung gesetzt. Wahrscheinlich hatte sich einer ihrer Psychos den goldenen Schuss gegeben. Oh man, ich bin so witzig unterwegs.

Meine Augen fallen wieder zu, doch kurz bevor ich wieder einnicke, reißt meine Mutter meine Zimmertüre auf und trampelt rein.

„Verdammte Scheiße", fluche ich und schlage das Kissen weg. Mum steht angezogen und mit tiefen Augenringen vor meinem Bett und starrt mich an. „Es gibt einen Notfall. Savannah. Sie ist bewusstlos geworden und wird jetzt an die Sonde gebunden, da sie schon viel zu untergewichtig ist und es gibt, wie man es sich wohl bei ihr denken kann, jetzt ziemlich starken Protest dagegen. Ich muss los", informiert sie mich und will gerade wieder den Raum verlassen, als ich aufspringe und zu meinem Schrank eile.

„Ich will mit", rufe ich und zerre eine Jogginghose aus dem Chaos. Schnell fahre ich durch meine Haare, greife blind nach einem Sweatshirt und renne ihr hinterher. Mum schaut mich kurz verwirrt an, sagt aber nichts und greift nach ihren Schlüsseln.

Ich springe in den Wagen, nachdem sie ihn aufgesperrt hat, und warte auf sie. Ehrlich gesagt würde ich, jetzt wo ich mich draußen umsehe, lieber wieder in meinem Bett liegen und friedlich schlafen. Aber die Neugierde hat mich gepackt und ich will unbedingt wissen, was mit Savannah los ist und wie es jetzt mit ihr weitergeht, denn so weit ich das mitbekommen habe, bekommt man die Sonde nur, wenn es wirklich sehr kritisch um einen steht. Ging es Savannah denn mittlerweile so schlecht? Ich seufze und fahre mir wieder durch meine Haare, die mir wild und vor allem leider lockig in alle Richtungen abstehen.

„So, auf geht's", sagt meine Mutter angespannt, als sie einsteigt. Sie wirkt nervös und ihre Hände zittern. „Du wusstest es", stelle ich fest und sie seufzt auf. „Darüber habe ich heute mit ihr geredet. Naja, ich habe es zumindest versucht. Ihre Werte werden immer schlechter, ihr Blutdruck sinkt entweder zu stark ab oder steigt zu stark auf. Es könnte sein, dass sie die nächsten Tage nicht mehr überleben wird, Austin", meint sie und ihre Worte fühlen sich an wie ein Faustschlag, frontal ins Gesicht.

SavannahWo Geschichten leben. Entdecke jetzt