Mit schraubstockfestem Griff um meinen Kaffeebecher, dessen Inhalt ich wie durch ein Wunder noch nicht verschüttet hatte, bewegte ich mich durch den Raum, keiner der Schüler machte einen Mucks. Ich fühlte mich wie auf einem Präsentierteller und es wäre mir fast lieber, wenn jemand böse kichern oder eine fiese Bemerkung machen würde, statt diesem eisigen Schweigen ausgesetzt zu sein.

Kurz bevor ich den mir zugewiesenen Einzeltisch erreichte, blieb mein Blick an einem Jungen hängen, der lässig in seinem Stuhl zurückgelehnt in der letzten Reihe saß, nur wenige Tische von meinem entfernt. Sein kaffeebraunes Haar fiel ihm in die Stirn und verdeckte seine Augen, sodass ich ihre Farbe nicht erkennen konnte, doch es war nicht sein oberflächliches Erscheinungsbild, das mich länger hinsehen ließ. Mich faszinierte die Ausstrahlung, diese Körperhaltung, die mich an die eines Tänzers erinnerte; voller Spannung, jederzeit vorbereitet, eine Bewegung zu machen, die mit sorgfältiger Bedachtheit ausgeführt wäre.

Ich ließ meine Tasche auf den Boden gleiten und setzte mich auf den Plastikstuhl, während Mrs Glenn ihren Unterricht in Geografie fortsetzte.

„Meine Damen und Herren, Aufmerksamkeit, bitte", begann sie mit Nachdruck. „Wer kann meine Frage beantworten, die ich gestellt habe, bevor Miss Bennett zu uns gefunden hat?"

Mit Erleichterung bemerkte ich, dass ein paar Mädchen kicherten und die zwei dutzend Augenpaare sich endlich von mir abwandten und generelles Blättern in den Fachbüchern zu vernehmen war. Ich beugte mich vor, um Papier und Stift aus der Tasche zu holen, und drehte meinen Kopf leicht zur Seite, als ich es spürte.

Es war ein kaum fühlbares Kribbeln im Nacken, das zunächst nur ein leichtes Kitzeln war, aber intensiver wurde, bis es sich förmlich zu einem Stechen wandelte. Erschrocken zog ich scharf die Luft ein und drehte mich um und fand mich das erste Mal im direkten Augenkontakt mit ihm wieder – dem Jungen in der letzten Reihe.

Mein Inneres brannte..

Wie gebannt starrte ich direkt in seine dunkle Iris, die beinahe komplett von seinen geweiteten Pupillen ausgefüllt war und vergaß für einen winzigen Moment, wie die Welt sich drehte. Ich war gefangen im Augenblick.

Und so schnell es gekommen war, erlosch das Gefühl wieder, als er mit einem überraschend wütenden Ausdruck seine Augenbrauen zusammenzog und seinen Blick gelangweilt zur Seite wandern ließ.

Mit Herzrasen und Schnappatmung wandte ich mich wie vom Blitz getroffen ab und sank gegen die Stuhllehne, wobei ich versuchte, ein erschrockenes Keuchen zu unterdrücken. Was zur Hölle war das denn gewesen?

Ich verbarg das Gesicht hinter meinen Haaren und brauchte mehrere Sekunden um wieder klar zu kommen, doch die Unterrichtsstunde war für mich gelaufen. Und das Stechen im Nacken kehrte erneut zurück, als würde mich jemand intensiv beobachten. Jemand mit kaffeebraunen Haaren und dunklen Augen schräg hinter mir.

„Mister Black", riss mich Mrs Glenn aus meinen kreisenden Gedanken. „Ist da etwas, was Sie Miss Bennett persönlich sagen möchten oder könnte ich Ihre ungeteilte Aufmerksamkeit haben, ohne dass Sie das arme Mädchen unentwegt anschauen?"

Von links ertönte gedämpftes Kichern, von hinten ein leiser Pfiff und vor mir drehte sich ein Mädchen mit wunderschönen glatten, blonden Haaren mit einem so bösen Gesichtsausdruck zu mir um, dass ich mir jetzt schon sicher war, ihr besser nicht alleine auf dem Flur zu begegnen.

Das Kribbeln verschwand wieder so plötzlich, wie es gekommen war.

„Aber natürlich, Mrs Glenn", hörte ich seine raue Stimme und alle meine Nackenhärchen stellten sich auf. „Das muss ein Missverständnis sein. Es gibt nichts, was meine Aufmerksamkeit mehr auf sich ziehen könnte als Ihr Unterricht."

Mate - AeternitasWo Geschichten leben. Entdecke jetzt