5. Strawberry Fields Forever

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Wir fuhren mit dem Bus in die Innenstadt Liverpools. Von da aus gingen Paul und ich zu einem kleinen Pub namens Cavern Club. Ich hatte noch nie davon gehört und Paul meinte auch, dass es diesen Pub noch gar nicht solange gab. Da dieser aber noch geschlossen hatte, gingen wir weiter und kamen in eine kleine Einkaufsmeile. Ich erklärte Paul, dass ich mir neue Poster aufhängen wollte in meinem Zimmer und ich deswegen Zeitschriften bräuchte. Sofort war dieser Feuer und Flamme und zog mich zu einem kleinen Laden, wo Platten und Zeitschriften zu verkaufen waren. " Hier gibt es immer die neusten Musikzeitschriften mit neuen Postern von Musikern. Ich kann dir die empfehlen ". Paul hielt mir eine Zeitschrift hin, wo vorne drauf Elvis zu erkennen war. Wenn ich Paul so daneben angucken, könnte man fast schon denken, dass sie Geschwister sind. Ich schaute mir die Poster an, die mitdrin waren und entschloss mich, diese zu kaufen. Doch dann merkte ich, dass ich keine Geldbörse dabei hatte und wollte die Zeitschrift wieder weglegen. Da erklärte Paul sich bereit, mir auszuhelfen. " Gib her. Ich bezahle schon für dich ". Ich lehnte dankend ab, aber Paul bestand dadrauf und kaufte mir die Zeitschrift. Mein schlechtes Gewissen bereitete mir schon Bauchschmerzen. " Ich gebe dir nacher das Geld zurück, versprochen ". Paul lachte auf und legte dann einen Arm um mich. " Ach, brauchst du nicht. Unter Freunden hilft man sich selbstverständlich ". Habe ich gerade richtig gehört, unter Freunden? Heißt das, dass Paul und ich schon Freunde sind?

Mein Herz machte einen riesigen Sprung, als er diese Worte über seine Lippen brachte. Glücklich lächelte ich ihn an, was er erwiderte. Paul zeigte mir dann noch den Hafen und seinen Lieblingsklamottenladen, wo auch eine Frauenabteilung vorhanden war. Wieder bestand er dadrauf, mir etwas zu kaufen und ich gab mich schließlich geschlagen. " Wenn du ein Liverpooler sein willst, musst du auch wie einer angezogen sein ", erklärte er mit diesen Worten und zog mich in den Laden. Ab den Zeitpunkt wurde mir bewusst, das sogar Jungs manchmal einen guten Geschmack für Mode haben konnten. Die meisten Sachen, die Paul mir anbot, sahen ziemlich hübsch aus. Zusammen mit einem Petticoat Kleid ging ich in die Umkleidekabine. Paul wartete währenddessen auf mich. " Du, ich weiß nicht, ob mir das steht ", murmelte ich und schaute mich selber im Spiegel an, der in der Kabine hing. " Komm doch erstmal raus und zeig dich ". Ich atmete einmal tief durch, bevor ich den Vorhang zurückzog und vor Paul trat, dem fast die Augen rausfielen. " Wow..", war das Einzige, was er hervorbringen konnte. Ich stellte mich selber nochmal vor dem großen Spiegel und drehte mich einmal. " Du siehst wunderschön aus ", sagte Paul und stellte sich hinter mich. " Findest du?". Mit total roten Wangen stellte ich mich ihm gegenüber und lächelte zaghaft. " Ja und ich meine das ernst ", sagte er in einem schon fast flüsternden Ton und musterte mich grinsend. Ich wusste gar nicht, wo ich hinschauen sollte. Noch nie hat mich ein Junge "wunderschön" genannt. Es war so ein schönes Gefühl in meiner Magengegend. " Dankeschön ", flüsterte ich schüchtern und drehte mich zurück zum Spiegel, um mich nochmal selber eingehend zu betrachten. " Zieh dich wieder um und dann kaufe ich dir das Kleid ". Ich tat wie geheißen und ging zurück in die Kabine. Es war total süß von Paul, wie er versuchte, mich an diese neue Gegend zu gewöhnen und das er mir Sachen kaufte. Eigentlich wollte ich nicht, dass er für mich Geld ausgibt, aber ich kam null gegen ihn an.

Als wir aus dem Laden rausgingen, mit einer Tüte in der Hand, beschloss Paul, mir noch einen weiteren Platz zu zeigen, den nur er und John kannten. Neugierig, was das wohl für ein Platz sein könnte, folgte ich ihm und wir fuhren mit dem nächsten Bus aus der Innenstadt wieder heraus. Zu meinem Leidwesen mussten wir wieder an Johns Haus vorbeigehen, aber diesmal schien er nicht rauszukommen. Vielleicht war er auch gerade ausgerückt. Etwas weiter die Straße runter war ein großes, rotes Tor, wo links und rechts kleine Steintürme standen. Dort drauf stand Strawberry Field. " Komm, lass uns reingehen ", sagte Paul und öffnete das Tor, ließ mich zuerst eintreten. Wir gingen zu einer abgelegenden Ecke, weit weg von dem normalen Sandweg und setzten uns gegen einen Baum. " Weiter hinten ist ein Kinderheim, was hierzu gehört. John musste hier eine zeitlang verbringen ". Überrascht und gleichzeitig erschrocken schaute ich zu Paul, der mit ernster Miene die Vögel in den Bäumen beobachtete. " Sein Vater wollte nichts von ihm und seiner Mutter wissen und Julia, so hieß sie, hat ihn dann in ein Kinderheim abgeben müssen, da sie selber sich nicht mehr um ihn kümmern konnte. Seine Tante Mimi hatte ihn dann wenig später aufgenommen. Sie ist ein ziemlicher Drache und John lehnt sich immer gegen sie auf. Als er wieder Kontakt mit seiner Mum aufnahm, wurde sie von einem betrunkenden Autofahrer überfahren. Ab dem Zeitpunkt habe ich John das erste Mal weinen gesehen. Er hatte ja einen ähnlichen Schicksalschlag wie ich gehabt. Vom Äusseren her versucht John immer einen auf cool zu machen und spielt den Starken, aber im Inneren ist er ein herzensnetter Mensch. Er zeigt seine Gefühle jedoch selten, vorallen in der Schule nicht. Er drückt sie meistens mit Prügeleien aus, aber sobald Blut fließt, hört er sofort auf. Er ist der beste Freund, den man sich nur wünschen kann ". Auf einmal fühlte ich selber Tränen in mir aufsteigen. Das hätte ich von John überhaupt gar nicht gedacht. Ich dachte, dass wäre so ein Möchtegern Schönling und Mr. Ich bin der King of Queens. Aber wie sagt das Sprichwort: " Es dauert eine Weile, bis man sich von einem Menschen das richtige Bild machen kann ". Ich spürte den Drang, mich bei John zu entschuldigen für mein heutiges Verhalten. Eigentlich müsste es andersherum sein, trotzdem hatte ich Schuldgefühle gegenüber ihm. " Dani, ist alles okay?", fragte Paul überrascht und schaute mir in meine tränenverschleierten Augen. Ich schüttelte nur den Kopf und begann leise zu weinen. Paul rückte sofort näher an mich heran und nahm mich vorsichtig in den Arm. " Shh, es ist alles gut. Tut mir leid, wenn ich dich damit so überrumpelt hab ". Meine Tränen trocknete ich mir an seiner Lederjacke ab. " Nein, ist schon okay. Ich hatte nur keine Ahnung, was John durchmachen musste. Auf eine Art fühle ich mich total schuldig, weil ich ihn heute so angezickt habe ". Paul löste die Umarmung und wischte mit seinen Daumen die restlichen Tränen fort. " Du brauchst dich überhaupt nicht schuldig fühlen. John weiß selber, dass du es nicht so gemeint hast. Und ich wusste von Anfang an, dass du ihn nicht hassen wirst und umgekehrt. Ihr könnt euch morgen ja ausprechen ". Ich war froh, dass Paul in diesem Moment bei mir war. Trotzdem hatte ich Angst, John morgen gegenüberzutreten. Das schlechte Gewissen hing mir ziemlich quer im Magen.

Paul und ich sahsen noch eine zeitlang Arm in Arm gegen den Baum gelehnt, bis wir schließlich aufbrachen und zurück nach Hause gingen. " Danke, dass du mir etwas von Liverpool gezeigt und mir die Sachen gekauft hast. Ich gebe dir morgen in der Schule das Geld zurück ". Wir standen vor meiner Haustür, wollten und gerade verabschieden. Paul musste heute mit seiner Familie zu einem blöden Familientreffen, wie er es ausdrückte. " Ach, behalt mal dein Geld. Es war mir ein Vergnügen, dir das wunderschöne Kleid zu kaufen und das Magazin. Hast du eigentlich schon deine Uniform bekommen?". Ich schüttelte den Kopf. " Nein, die bekomme ich erst im Laufe der Woche ". Pauls Miene erhellte sich gleich noch mehr. " Dann zieh morgen das Kleid an für die Schule. Darin siehst du mega gut aus ". Mit einem hochroten Kopf schaute ich auf meine Füße. " Kann ich machen ", sagte ich flüsternd und merkte, wie Paul etwas näher kam. Ich schaute zu ihm auf, auf seinem Gesicht zeichnete sich ein Lächeln ab. Er beugte sich etwas vor und gab mir einen Kuss auf die Wange. Er war zwar kurz, aber dennoch so lang, dass ich ihn mit Herzklopfen wahrnahm. " Ich hole dich morgen ab, also verschlaf besser nicht ". Mit diesen Worten machte er kehrt und verschwand in sein Haus. Völlig perplex ging ich selber in die Wohnung und rutschte hinter der geschlossenen Tür auf den Boden, hielt wie in Trance meine linke Wange. Ich spürte immernoch die Lippen von Paul auf meiner zarten Haut. Jetzt konnte ich es nicht mehr leugnen. Ich hatte mich in Paul McCartney verliebt! 

And I Love Her [Paul McCartney Fanfiktion]Where stories live. Discover now