28. Kapitel

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Als ich am nächsten Morgen aufstand, schmerzte mein Hals wie Hölle.

«Oh Merlin, Adrienne! Was ist passiert?», fragte Angelina entsetzt, als sie mich in unserem Badezimmer antraf, wo ich den Schaden begutachtete. Dort, wo Gawains Finger sich in meine Kehle gedrückt hatten, waren blaue Würgemale entstanden.

«Es ist alles in Ordnung», brachte ich krächzend hervor. Ich klang wie eine alte Krähe mit Schnupfen.

«'Alles in Ordnung' sieht anders aus», korrigierte Angelina scharf. «War das Pucey? Hat er das getan?»

«Nein, hat er nicht.» Gegen Pucey wäre ich nicht so hoffnungslos unterlegen gewesen. Pucey hätte ich locker mit meinen Feykräften überwältigen können. Gegen Gawain zog dieser Vorteil nicht.

«Bitte, Adrienne, sagt mir was geschehen ist. Das sieht nämlich richtig übel aus», bat Angelina. Damit hatte sie recht. «Hat dich jemand angegriffen?»

Natürlich zog sie die richtigen Schlüsse, das war ja auch nicht schwierig bei diesen Verletzungen.

«Es war eher eine Art Unfall ...», wiegelte ich ab.

«Eine Art Unfall?», echote sie zweifelnd.

«Eine Art Unfall», bestätigte ich krächzend. «Behalt es bitte für dich, Angelina.»

«Dann erzähl wenigstens Jessie oder Kaspar davon, Adrienne. Oder Professor McGonagall. Oder deinem Vater. So etwas sollte man nicht verschweigen. Und geh zu Madam Pomfrey», schlug Angelina vor.

Meine Güte, all diese Ratschläge. Und dieses besorgte Gesicht.

«Du machst dir zu viele Gedanken, Angelina. Jessie und Kaspar wissen Bescheid und es war wirklich eine Art Unfall», beruhigte ich sie. «Und ich werde zu Madam Pomfrey gehen, versprochen. Jetzt gleich.» So sehr wie nur schon das Sprechen schmerzte würde ich niemals meinen Porridge herunterbekommen.

Angelina sah mich zweifelnd an. «In Ordnung. Aber du weisst, wenn du irgendwelche Probleme hast, kannst du mich um Hilfe bitten. Ich bin auch deine Freundin und werde dir den Rücken stärken.»

Ich lächelte. «Das gleiche gilt für dich, Angelina.»

Madam Pomfrey reagierte beinahe so entsetzt wie Angelina, als ich ein paar Minuten später im Krankenflügel meinen Gryffindorschal aufknüpfte, den ich zur Tarnung umgelegt hatte.

«Miss Seanorth, was haben Sie angestellt? War das ein Würgezauber?», fragte sie und betrachtete meinen Hals eingehend. Die Farbe wich ihr aus den Wangen, als sie über die Würgemale strich. «Nein, kein Zauber ... wer war das, Miss Seanorth?»

«Es war keine Absicht, Madam Pomfrey.»

«Keine Absicht? Um einen solchen Schaden zu verursachen, ist ziemlich viel Kraft nötig. Kommen Sie mir da nicht mit 'keine Absicht'», sagte Madam Pomfrey streng.

«Können Sie mir nicht einfach etwas gegen die Schwellung und die Schmerzen geben?», bettelte ich.

«Das kann ich und das werde ich», sagte die Heilerin. «Aber es wird einige Tage dauern, bis Ihr Hals wieder ganz in Ordnung ist.» Huch, ich hätte nicht gedacht, dass Gawain mich so schlimm erwischt hatte. «Und ich werde Ihre Hauslehrerin, den Schulleiter und Ihren Vater darüber informieren, dass Sie angegriffen wurden und dass Sie sich weigern, den Täter zu verraten – bei dem es sich vermutlich um einen älteren Schüler oder einen erwachsenen Mann handelt, der ziemlich stark ist und grösser als Sie.»

Na toll. Das sie McGonagall informierte war ja verständlich, aber musste sie wirklich auch Dumbledore und Snape Bescheid geben?

«Keine Widerworte, Miss Seanorth», sagte Madam Pomfrey resolut, bevor sie davon ging. Kurz darauf kehrte sie mit einer grossen, dunklen Flasche voller Zaubertrank und einem Löffel zurück. Sie gab mir Anweisung wann und wie viel ich von dem Zeug schlucken musste – es schmeckte widerlich – dann war ich entlassen. Ich legte erneut den Gryffindorschal um, für die nächsten paar Tage würde ich so tun, als hätte ich eine Erkältung. Meine kratzige Stimme passte dazu hervorragend.

Ungewisse Wege - Adrienne Seanorth 6Where stories live. Discover now