17. Kapitel

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Es scheint fast unmöglich, doch je länger das Schuljahr andauerte, desto mehr Arbeit und Verpflichtungen luden die Lehrer uns auf. Sie mussten wohl denken, dass sie uns nun, wo der November mit heulenden Winden und peitschenden Regenfällen anbrach, einen Gefallen taten, indem sie uns beschäftigt hielten. Am Ende würde uns noch langweilig werden, nun wo wir nicht mehr nach draussen konnten, ohne uns direkt eine Erkältung zu holen. Nun, es waren nicht nur die Lehrer, jedenfalls nicht bei mir, aber dennoch wünschte ich mir bald, es gäbe eine Möglichkeit, die Zeit in die Länge zu ziehen, damit ich alle Hausaufgaben erledigen konnte, das Training mit der DA, das «Nachsitzen» am Grimmauldplatz ... und das tatsächliche Nachsitzen, dass ich mir nur wenige Tage nach Samhain bei Professor Umbridge aufgehalst hatte. Es war nur eine Kleinigkeit gewesen: Sie hatte einen Lähmzauber an mir demonstrieren wollen und ich hatte den Zauber abgeblockt. In ihren Augen war das ein tödliches Verbrechen und sie liess mich kurz darauf zum Nachsitzen antanzen.

Verärgert, weil mir nach dem Nachsitzen eine weitere schlaflose Nacht bevorstand, die ich mit Hausaufgaben verbringen würde, klopfte ich an die Tür des Büros der Lehrerin für Verteidigung gegen die dunklen Künste. Nur Augenblicke später schwang die Tür auf und gab den Blick frei in einen Raum, der problemlos als Vorraum der Hölle hätte durchgehen können. Alle Wände waren pink gestrichen worden und über und über mit Ziertellern behängt, die allesamt Kätzchen mit rosa Schleifen zeigte – eine scheusslicher als die nächste. Umbridge selbst thronte hinter einem grossen Schreibtisch und davor stand ein kleiner, zierlicher Tisch vor dem ein Stuhl mit steifer Lehne stand. Auf dem Tisch lag ein leerer Bogen Pergament und daneben eine Schreibfeder.

«Setzen Sie sich, Miss Seanorth», sagte Professor Umbridge mit ihrer klebrig süssen Stimme und deutete auf den unbequem aussehenden Stuhl.

Gehorsam setzte ich mich, während Umbridge hinter ihrem Schreibtisch hervorkam und sich mir gegenüber auf dem zierlichen Tischchen abstützte.

«Sie wissen, weshalb Sie hier sind, Miss Seanorth», sagte sie süsslich und starrte mich abwartend an.

«Ja», murmelte ich, da offenbar eine Antwort von mir erwartet wurde.

«Ich glaube, ich habe Sie nicht recht verstanden, Miss Seanorth.»

«Ja, Professor Umbridge», wiederholte ich.

«Sehr schön», sagte sie und nickte. «Sehr schön.» Mit diesen Worten richtete sie sich auf und schritt nun vor dem Tischchen auf und ab, wobei sie mir immer wieder prüfende Blicke zuwarf. «Sie sind hier, weil Sie sich geweigert haben, eine Anweisung einer Ihrer Lehrerinnen zu befolgen, Miss Seanorth. Und wie ich vernommen habe, war dies kein Einzelfall. Sie scheinen es geradezu darauf angelegt zu haben, möglichst viel Nachsitzen zu erhalten, Miss Seanorth – doch offenbar zeigen die Strafarbeiten, die meine Kolleginnen und Kollegen Ihnen auferlegen, keine Wirkung. Ich werde das ändern, Miss Seanorth, das versichere ich Ihnen.» Ein maliziöses Lächeln auf den Lippen blieb Umbridge erneut vor dem Tischchen stehen und deutete auf die Feder und das Pergament. «Ich möchte, dass Sie ein paar Zeilen für mich schreiben.»

Irritiert blinzelte ich sie an. Ich wusste, dass sie meinen Bruder ebenfalls hatte Sätze schreiben lassen, doch ich verstand nicht, inwiefern das schlimmer sein sollte, als Frösche auszunehmen oder alle Pokale im Pokalzimmer zu polieren.

Umbridges Lächeln wurde breiter, als sie meine Verwirrung bemerkte. «Ich möchte, dass Sie folgendes Schreiben: 'Ich werde jede Anweisung befolgen, die ein Lehrer mir gibt, egal was ich selbst davon halte.' Los, schreiben Sie.»

Ich griff nach der Feder. Was versprach sie sich davon, mich diesen Satz schreiben zu lassen? Glaubte Umbridge wirklich, wenn ich diesen Satz nur möglichst oft schrieb, würde ich mich auch daranhalten? Wie eine Beschwörung, mit der ich mich selbst dazu Zwang? Ich setzte gerade zum Schreiben an, als mir auffiel, dass etwas fehlte.

Ungewisse Wege - Adrienne Seanorth 6Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt