Kapitel 12 - Von Täuschungen und Fisch

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Es dauerte gefühlt Stunden, in denen sich Ludwig der Brandwunde widmete. Nox lag wie ein fest verschnürtes Poststück auf dem schäbigen Bett im Behandlungsraum und wann immer er versuchte, ich sich auch nur ein bisschen zu bewegen, schienen sich die magischen Ketten fester zuzuziehen. Der Dorf-Heiler schien die ganze Prozedur ausgesprochen zu genießen. Er hatte sich breitbeinig auf einen Schemel neben das Bett gehockt und zog langsam und genüsslich die kleinen geschmolzenen Federn aus Nox Fleisch. Er schien regelrecht enttäuscht zu sein, als er alle beseitigt hatte. Mit einem leisen Stöhnen nahm er eine stinkende Tinktur aus einem der Regale und strich es über Wunde. Nox biss die Zähne zusammen. Es brannte fast mehr als der magische Blitz, der ihn getroffen hatte.

„Ich werde jetzt die Fesseln entfernen, damit ich einen Verband anlegen kann. Wenn du mir irgendwie dumm kommst, verlierst du mindestens ein Körperteil."

„Würde das Erwald gefallen?" fragte Nox spitzfindig.

Ludwig beugte sich näher vor und antwortete mit einem süffisanten Grinsen: „Nein. Aber ich lasse mir schon was einfallen. Er ist ziemlich leichtgläubig, wie du sicher bereits gemerkt hast."

Nox seufzte. Was hatte es für einen Zweck, den verdrehten Heiler anzufallen? Er selbst wollte es sich ja auch nicht mit Erwald verscherzen und seine Lügen waren bisher nicht die Besten gewesen, wenn er es sich ehrlich eingestand.

„Also gut, ich werde stillhalten. Tut was Ihr nicht lassen könnt. Aber beantwortet mir bitte eine Frage."

„Huh? Warum sollte ich?" Ludwig stutze. Unwillig zog er die Augenbrauen hinunter, so dass sich seine Augen zu kleinen Schlitzen verengten.

„Ich weiß, es gibt für euch keinen Grund. Aber ich werde trotzdem fragen. Warum ist Erwalds Mutter so wichtig? Ihr habt gesagt, sie sei die mächtigste Frau des Landes."

„Das ist sie." Ludwig nickte ernst.

„Und wie kann das sein? Ich war vor nicht allzu langer Zeit in der Nähe der Hauptstadt. Dort gibt es eine Königin..." setzte Nox an, wurde aber von Ludwig wirsch unterbrochen.

„PAH! Eine Königin, ja. Sie regiert die 9 Provinzen, hockt den ganzen Tag auf ihrem Hintern und lässt andere die Arbeit machen. Sie hat 9 Ratsmitglieder und sie haben alle genauso wenig Verstand. Marianne dagegen ist eine mächtige Magierin und ihre Amulette bergen große Macht. Echte Macht!" Er bellte die Worte förmlich, schien sich dann aber wieder zu beruhigen und fügte hinzu: „Von solchen Dingen verstehst du nichts, Monster."

Nox schwieg. Mariannes Amulette waren weit über die Grenzen des Landes bekannt und ihr Ruf hatte ihn und John schließlich hierher geführt. Aber war das wirklich alles, was dahinter steckte? Ein Heiler, der die Königin verachtete und einer Dorf-Zauberin mehr Macht zusprach als der Regentin? John hatte einmal gesagt, dass Menschen wie Schafe seien. Sie fürchten sich vor der Dunkelheit und sehnen sich nach der starken Hand des Schäfers, der sie lenkt und nach den Zähnen des Hundes der sie beschützt. Königin und Soldaten. Vielleicht war Ludwig ja eine Ziege. Er behielt diesen Gedanken wohl besser im Hinterkopf.


Die grün leuchtenden Ketten lösten sich, zerkrümelten wie altes Brot und verschwanden schließlich als hätte es sie nie gegeben. Der Heiler machte eine herrische Geste, die Nox aufforderte, sich hinzusetzten und sein Gewand herunterzuziehen. Widerwillig ließ er den weichen Stoff über die Schultern gleiten. Sein Körper war mit Federn bedeckt, teils dunkel, teils hell. Ganz anders als der Körper seines menschlichen Vaters und längst nicht so schön wie der seiner Mutter. Ludwig hatte ein grob gewebtes, weißes Leinentuch genommen und schien plötzlich zu zögern. Seine Miene verfinsterte sich und als Nox schon befürchtete, er würde ihn erneut fesseln, streckte der Heiler plötzlich die Hand aus und fuhr mit den Fingerspitzen über Nox langes Haar. Fast schon zärtlich schob er es zu Seite und glitt dann über die Schultern. Den Eulendämon durchfuhr ein eiskalter Schauer, gepaart mit einem Gefühl aufsteigender Übelkeit. Er hatte im Grunde kaum Erfahrung mit menschlichem Verhalten, aber was hier gerade passierte, war etwas, dem er sich unbedingt entziehen wollte. Dennoch wagte er keine offene Auseinandersetzung mit dem Heiler. Ludwig schien den Atem anzuhalten und sich gerade seiner Handlung bewusst zu werden. Mit drei hastigen Bewegungen hatte er einen Verband angelegt und Nox vor die Tür geschubst, noch ehe dieser auch nur noch ein Wort hätte sagen können. Die Tür schlug hinter ihm so lautstark ins Schloss, dass sich ein paar der Leute, die vorübergingen irritiert zu ihm umdrehten. Nox beeilte sich, sein Gewand wieder über die Schultern zu ziehen und ein paar Schritte Abstand zu der unheilvollen Hütte zu gewinnen.

Das Auge von NoxWhere stories live. Discover now