🔥 Rosa weiß geschmückt 🔥

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Cessy

Erschöpft schmeiße ich ein paar Weihnachtsgeschenke und den kleinen Einkauf auf die Küchenablage, sechs Stunden mit Lauren in der City sind in etwa so anstrengend wie ein 24 Stunden Marathon Lauf in den Bergen.

Jedes Geschäft wurde betreten, seien es Küchenutensilien oder Kindergeschäfte. 

Alles, wirklich alles wurde begutachtet, gedreht und gewendet, und Schlussendlich mit einem schnalzen Weg gestellt. 

Wenn ich schon über die Selbstgespräche von Lauren nachdenke, wird mir anders, und das Geschenk für Nils? 

Socken, wegen verdammten Socken wurde ich mit geschleppt und als Packesel missbraucht. 

Bis ihr Cousin kam und die Taschen von meiner besten Freundin genommen hat. 

Aber auch da durfte ich nicht gehen, nein, nein, ab da fing ein imaginärer Timer an zu laufen. 

Lauren zog mich in Bekleidungsgeschäfte, nur um dort nach Dessous zu suchen. 

Und weil meine beste Freundin nicht alleine alles ausprobieren wollte, musste ich mitmachen. 

Von süßer pinken seiden Unterwäsche bis zu Strapazen war alles dabei. 

Mal abgesehen davon, dass ich verschwitzt, verkatert und Hunger unter beide Arme habe, habe ich mir auch einige Teile gekauft.

Meine heißeste Errungenschaft ist definitiv ein intimates Set, bestehend aus einem schwarzen String mit Strumpfgürtel. 

Die Luxus-Marke Lounge weiß was sie produziert, auch wenn mein Geldbeutel weint vor Schmerzen, es hat sich gelohnt. 

Denn zum Ende hin kam mir auch in den Sinn, dass ich kein Geschenk für Johan habe.

Aus einer kurzschluss Reaktion habe ich beschlossen, mich als Geschenk unter den Baum zu legen. 

Und weil ich weiß das ich mich nicht einfach nur in dieser heißen Unterwäsche präsentieren werde, habe ich mir auch noch einen schwarzen Seiden Kimono gekauft. 

Mein freches Grinsen wird immer breiter, unter der Dusche, ich habe bereits genaue Vorstellungen davon, wie ich auf Johan zugehen werde. 

Ich hoffe, dass mein fehlendes Weihnachtsgeschenk dadurch genügend entschuldigt wird. 

Am Abend sitze ich mit meinem Handy und meiner Sushi-Bestellung auf dem Sofa. 

Wieder spüre ich diese drückende Einsamkeit, die Stille wird lediglich von Fernseher unterbrochen aber selbst das lässt das Gefühl nicht verschwinden. 

Ich weiß das es hart sein kann, alleine zu leben, nur dachte ich, damit durch zu sein. 

Dass mich die Monate voller Einsamkeit abgehärtet hätten, das haben sie nicht, das weiß ich jetzt.

Es ist an manchen Tagen ein durchdringendes kratzendes Gefühl unter meiner Haut, wenn ich alleine auf dem Sofa sitze, das Essen auf meinen Schoß, mir vergeht der Appetit sobald ich nur daran denke das ich mit meinen 30 Jahren zwar nicht alt bin, aber dafür alleine.

Ich habe tolle Freunde, ich habe ein aktives Sex leben und sei es nur mit mir selbst, ich habe einen tollen Job der auch noch gut bezahlt ist, aber Geborgenheit, Zärtlichkeit die habe ich nicht mehr. 

Nur will ich mich nicht von dieser Erkenntnis runter ziehen lassen, viel mehr möchte ich an meinen Erfahrungen wachsen und das Beste daraus ziehen.

Ich darf traurig sein, ich darf auch weinen und den Frust rauslassen. 

Aber sobald die Tränen versiegelt sind, stehe ich wieder auf. 

Nur weil ich derzeit alleine bin, bedeutet es keine ewige Verdammnis für mich. 

Mein Lächeln wächst wieder in meinem Gesicht, meine Augen finden den hell erleuchteten Weihnachtsbaum, ich habe ihn dieses Jahr ganz Ladylike geschmückt.

Rosa-Weiß, das was ich seit Jahren machen wollte, aber aus Rücksicht auf Markus nie getan habe. 

Er hat die Farbe gehasst, weil sie zu weiblich für ihn war. 

Und jetzt kann ich schmücken und dekorieren, was immer ich will, und sei es bloß der Weihnachtsbaum, der mich wohlig seufzen lässt. 

Lauren hatte Recht, mir mag zwar ein Partner fehlen, aber die Jahreszeit wird nicht ohne Grund als depressive Phase betitelt, die Kälte, die warmen Lichter, die vielen Menschen die verliebt mit ihren Liebsten durch die Straßen schlendern, das alles hält einen vor Augen was man gerne hätte aber nicht hat.

Ich erkenne ein Muster, mir wird plötzlich bewusst, dass ich mich in all den Jahren meiner Ehe auch schon so gefühlt habe.

Das Händchenhalten war schon recht früh vorbei, das Kuscheln auf dem Sofa wurde durch das Handy ersetzt, das gemeinsame Essen fiel durch unterschiedliche Arbeitszeiten aus. Das gemeinsame Schlafen gehen ebenso, und die Gespräche wurden gezwungener.

Ich habe also an einer Illusion einer Ehe gehangen. Still nur für mich alleine flüstert ich zum Baum “Weil ich das Alleinsein nicht ertragen habe”. 

Das ist die Wahrheit, die mich wie ein eiskalter Winter Regen durchläuft, ich habe es gehasst, alleine zu sein. 

Schon als Kind habe ich die Nähe zu meinen Eltern gesucht, weil mich die Ruhe nervös gemacht hat. 

Als Teenager bin ich in eine Freundesgruppe gegangen, nur um Menschen um mich zu haben, und die Ehe mit Markus war nicht anders. 

Ich bin für ihn nach Berlin gezogen, weil ich wusste, dass die Stadt groß und laut ist, und Markus so wie ich arbeiten muss.

Oh wow, diese Erkenntnis schmerzt mich etwas, ich hasse es alleine zu sein, oder viel mehr, ich habe es gehasst.

Jetzt wo ich still auf meinem Sofa sitze und meinen wunderschönen, nach Gemütlichkeit aussehenden Weihnachtsbaum betrachte, erkenne ich, dass ich die Ruhe genieße, sie sogar brauche. 

Das Nachdenken fällt mir leichter, das Atmen ist befreiter alleine, weil ich erkannt habe, dass ich nicht fehlerfrei bin. 

Perfektion ist ein Trugbild, was ich viel zu lange angestrebt habe, aber jetzt ist es vielleicht nur noch ein Ziel.

Ein Weg, der mich lehrt, geduldiger zu sein: "Okay Cessy, du liest zu viel Poesie”. Tadelnd rede ich zu mir selber, muss aber leiser über mich selber lachen.

Ich habe wirklich viel Poesie in letzter Zeit gelesen, grinsend schalte ich den Fernseher aus und schnappe mir mein MacBook. Das Handy bleibt für diesen Abend auf dem Tisch, ich möchte meine Gefühle und Erfahrungen weiter schreiben. 

Denn das Buch, das ich angefangen habe zu schreiben, neigt sich dem Ende zu, erst vor ein paar Tagen habe ich verstanden, dass ich all meine Wut und Trauer und Gier nach Freiheit aufgeschrieben habe. 

Ich hoffe nur inständig, dass niemals jemand dieses Buch liest, der in den letzten Monaten mit mir geschrieben hat.

Dieser Prozess, den ich durchlebt habe, die Erfahrungen und seien sie noch so erniedrigend für mich, sie stehen alle in diesem Roman. 

“Nur gibt es kein Happy End für die liebe Johanna”, leise flüsterte ich meinen Bildschirm entschuldigende Worte entgegen. 

Johanna ist meine Protagonistin, mein Ebenbild, mein Wunschbild. 

Aber eine Liebe gönne ich ihr komischerweise nicht.

Anonyme App Teil 1Where stories live. Discover now