Kapitel 54 - Wolf im Schafspelz

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Tamo dachte über Skàdis Worte nach. Es war eigenartig, so mit ihr zu sprechen. Sie war schon fast nett und benahm sich wie ein Mensch. Okay, das ging vielleicht zu weit. Es war ja nicht so, als wäre er die letzten Jahre der Sonnenschein der Nation gewesen.

Er starrte in den Himmel und ließ seinen Blick von Stern zu Stern schweifen. Doch sein Blick wanderte immer wieder zu ihr. Aus dem Augenwinkel heraus sah er, dass auch ihr Blick über die Sterne wanderte. Ihr Brustkorb hob und senkte sich gleichmäßig. Sie hatte ihre Hände unter ihren Kopf verschränkt, ihre Beine angewinkelt und ihre Knie aneinander gelehnt. Er hatte sie wohl noch nie so entspannt gesehen, was seltsam war, denn die Situation war alles andere als beruhigend. Trotzdem sah er seine Chance, vielleicht doch noch etwas mehr über sie und ihre Fähigkeiten zu erfahren. Er richtete seinen Blick wieder in den Nachthimmel und atmete tief ein.

»Darf ich dich was fragen?«

Reichte die Entspanntheit von Alice ihren Trip noch? Oder würde sie ihm gleich den Arsch aufreißen? Er vernahm ihr Seufzen.

»Ich gehe davon aus, dass, selbst wenn ich nein sage, du die Klappe nicht halten wirst«, gab sie zurück.

Er konnte sich sein Schmunzeln nicht verkneifen und drehte seinen Kopf zu ihr und erschrak schon fast, als er in ihre grünen Augen sah. Sein Grinsen verschwand und er schluckte. Er hatte nicht damit gerechnet, dass ihr Blick auf ihm lag.

»Ähm, ja ...«, stotterte er vor sich hin.

Skàdi wandte den Kopf wieder in den Himmel.

»Ich höre.«

Tamo war sich gerade nicht mehr so sicher, ob er sie noch fragen sollte, aber was war, wenn er wirklich dieselben Fähigkeiten in sich trug? Er hatte gesehen, welche Zerstörung sie damit anstellen konnte, und er war sich nicht sicher, ob er in der Lage wäre, damit umzugehen. Also, Augen zu und durch.

»Wie ist es mit solchen Fähigkeiten zu leben?«

Skàdi runzelte die Stirn und setzte sich auf. Aus Reflex tat Tamo es ihr gleich und ihre Blicke trafen sich. Skàdi konnte seine Unsicherheit sehen. Sie ließ in sekundenschnelle die letzten Wochen vor ihren inneren Augen ablaufen und ja, Tamo hatte nur die miese Seite von ihr gesehen. Sie musterte ihn. Er sah müde aus. Kaputt. Sie verschränkte ihre Beine und setzt sich in einen Schneidersitz auf.

»Du hast Angst davor?«, fragte sie, obwohl sie die Antwort schon kannte.

Tamo sah sie einen Moment an, nickte aber schließlich und senkte den Blick.

»Und damit hast du recht. Ich hatte auch Angst und das war auch gut so. Es hat mir geholfen, meine Fähigkeiten mehr oder minder zu kontrollieren.«

Tamo hob den Blick wieder, als er merkte, dass Skàdi ihn weiterhin sinnvoll antwortete und ihm nicht nur dumme Sprüche an den Kopf warf. Sie hatte also auch Angst, was er mehr als nachvollziehen konnte.

»Mehr oder Minder?«, fragte er irritiert.

Bis jetzt hatte er den Eindruck gehabt, dass sie immer genau wusste, was sie da tat. Sie seufzte und ihr Blick wurde leer. Sie schien durch Tamo hindurchzuschauen, als sie sprach.

»Na ja, ich kenne meine Fähigkeiten mittlerweile. Ich weiß, was ich erzeugen kann, aber Kontrolle darüber ...«

Sie zuckte mit den Schultern und fixierte den Blick wieder auf Tamo.

»Ich kann sie kontrollieren, aber es ist anstrengend. Außer ich lasse ihnen freien Lauf, grenze sie nicht ein, dann ist eine Kleinigkeit«, erklärte sie.

Tamo runzelte die Stirn, denn er verstand es nicht wirklich.

»Ich weiß, du denkst jetzt sicher, ich bin dämlich, aber ich verstehe es nicht. Na, oder besser gesagt, es ergibt keinen Sinn.«

𝑺𝒌𝒂𝒅𝒊 - 𝑳𝒐𝒔𝒕 𝒊𝒏 𝑫𝒂𝒓𝒌𝒏𝒆𝒔𝒔 ✔️Where stories live. Discover now