Kapitel 18 Meerbeben

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Angst lag in der Luft um Pabu herum. Und wenn Cara ganz genau hinhörte, dann konnte sie die aufgeregten Herzen der Bewohner hören.
Sie alle stürmten den viel zu langen Weg zum höchsten Punkt der Insel und schubsten sich gegenseitig vor sich her. Viele Frauen zogen ihre Kinder an den Handgelenken hinter sich her und suchten sich den kürzesten Weg. Natürlich ließ Cara sie alle vor und wartete auf die nächste Lücke, in die sie sich quetschen konnte. Sie wusste weder, wie weit es noch war, noch ob sie es überhaupt rechtzeitig zur Plattform schaffen würde. Trotz ihrer Ängste ließ sie immer wieder Personen vor und wartete geduldig, bis sie selbst weitergehen konnte.
"Aus dem Weg!" ,zischte jemand und stieß ihr schmerzhaft in den Rücken. Sie verlor für einen Moment das Gleichgewicht, konnte sich aber gerade noch fangen und stand nach wenigen Momenten wieder auf sicheren Beinen.
Panisch drängte sie sich zwischen den Personen hindurch und schubste nun selbst die Leute aus dem Weg, um noch rechtzeitig anzukommen. Sie wusste selbst nicht, was mit ihr los war, doch sie verfiel in einem Tunnelblick und nahm die Umgebung nur noch verschwommen wahr, sie hatte nur noch das Ziel im Auge.
Selbst in gefährlichen Situationen wie diesen würde Cara den anderen stets den Vorrang lassen und dann sich selbst in Sicherheit bringen. Doch die Prioritäten hatten sich nun geändert und sie stand sich selbst am nächsten.
Doch plötzlich vibrierte der Boden unter ihren Füßen und sie musste sich erst einmal wieder sammeln, bevor sie weitergehen konnte. Sie konnte die Plattform schon sehen, sie war nur noch wenige hundert Meter von ihr entfernt, also atmete sie noch einmal tief durch und lief ihrem Ziel entgegen.
Ihre schwitzigen Hände suchten Halt an einer kalten Mauer, Cara hatte es rechtzeitig geschafft. Keuchend stemmte sie ihre Arme in die Hüften und strich sich eine Strähne aus dem Gesicht, als der Boden wieder anfing zu beben. Sie hielt sich mit beiden Händen an der Mauer fest und beobachtete das Wattenmeer, denn das Wasser hatte sich mittlerweile komplett zurückgezogen.
Sie suchte Omega und Jennah, doch sie konnte die Kinder nicht entdecken, was hoffentlich bedeutete, dass Hunter es geschafft hatte sie zu retten und in Sicherheit zu bringen.
Mit weit aufgerissenen Augen sah Cara, dass sich das Wasser mittlerweile aufgebäumt hatte und als riesige Welle direkt auf die Insel zukam. Tech sagte, dass sie nur auf der Plattform sicher seien, also würde ihr hier auch nichts passieren. Außerdem hoffte sie, dass alle Bewohner es rechtzeitig geschafft hatten. Mit klopfenden Herzen beobachtete sie, dass die tonnenschwere Welle an der Siedlung brach und die Gebäude in Schutt und Asche hinterließ.
Für die Einwohner war es sicherlich schwer mitanzusehen, dass ihr Hab und Gut zerstört war. Als sie sich umsah, sah sie in wirklich viele weinende Gesichter, doch sie wusste nicht, wie sie sie trösten könnte. Keine Worte konnten ihren Schmerz heilen und Cara kannte dieses Gefühl nur allzu gut.
Cara sah in den Himmel und entdeckte die Marauder, die gerade im Landeflug war. Nervös suchte sie sich einen Weg zum Schiff, um sich zu vergewissern, dass es den Kindern gut ging.
Erst als sich die Laderampe öffnete und Omega mit zittrigen Beinen herauskam, konnte sie durchatmen. Hunter hatte es rechtzeitig geschafft. "Geht es dir gut, Kleine?" ,wollte Cara wissen und zog sie in ihre Arme.
"Gerade noch so." ,antwortete sie und lächelte sie an.
Zufrieden schaute sie den Kindern hinterher und wandte sich zu Hunter um, der ebenfalls nach draußen ging. Doch bevor er überhaupt irgendetwas sagen konnte, drehte sie sich um und ging Omega hinterher, die gerade Wrecker in ihre Arme schloss. Nur zu gerne hätte sie ihn gefragt, ob es ihm gut ginge, doch sie wollte ihm die kalte Schulter zeigen, vorerst zumindest. Er sollte wissen, dass er sie verletzt hatte.
Zum Glück ging es auch den anderen gut, niemand wurde verletzt und tatsächlich hatten es auch alle Einwohner in Sicherheit gebracht.
"Das Meerbeben hat euch alles genommen, was euch lieb ist." ,sagte Echo, der seinen Blick über die Zerstörung schweifen ließ.
Gatheri legte seine Hand auf seine Schulter und lächelte schief, "Das lässt sich sicher wieder hinbiegen, wenn alle mit anpacken, steht alles schneller, als man denkt."
Mit einem Lächeln im Gesicht bewunderte sie seine Denkweise, er schien sehr optimistisch zu sein und ließ sich von der Zerstörung nicht kleinkriegen. Cara würde alles dafür tun, um auch so denken zu können.
"Nun ja, wir könnten hierbleiben und euch beim Aufbau helfen." ,sagte Hunter lächelnd und verschränkte seine Arme vor der Brust.
Argwöhnisch musterte sie ihn und verspannte ihren Kiefer. Eigentlich sollte sie sich freuen, dass er länger bleiben wollen, doch am liebsten würde sie ihn nie wieder sehen.
"Das wollte ich auch gerade sagen." ,erwiderte Tech und tippte auf sein Datapad herum.
Gatheri lächelte dankbar, "Wenn das so ist, wir sind für Hilfe sehr dankbar."
"Keine Ursache." ,antwortete Hunter zufrieden.
Augenrollend wandte Cara sich ab und schaute zum Meer hinunter, das sich mittlerweile wieder beruhigt hatte. Sie legte ihre Hand auf dem Bauch, denn langsam breitete sich ein merkwürdiges Gefühl in ihr aus. Es fühlte sich wirklich seltsam an. Vielleicht bewegte sich das Baby? Aber war das dafür nicht noch zu früh? Vielleicht sollte sie Tech fragen und ihn um eine kurze Untersuchung bitten, nur zur Sicherheit.
"Geht es dir nicht gut?" ,hörte sie jemand fragen und sie fuhr erschrocken herum.
Vor ihr stand Hunter, der sie aufmerksam musterte, doch sie wandte sich genervt wieder um. Sie wollte nicht mit ihm sprechen, vorerst zumindest nicht.
"Lass mich in Ruhe."
"Du kannst mich nicht ignorieren." ,erwiderte er und stellte sich neben Cara, "Wenn was mit dem Kind ist, dann habe ich ein Recht darauf, es zu erfahren."
Sie schaute ihn an, "Du willst uns verlassen, also was für ein Recht möchtest du bitte haben? Du wirst nie ein Vater sein, Hunter. Und es war deine Entscheidung, nicht meine."
"Cara, ich-"
Doch sie hob nur kopfschüttelnd die Hand, "Ich weiß nicht, ob ich jemals darüber hinwegkommen werde und ich weiß nicht, wie ich ohne dich ein Leben führen kann, doch ich muss es tun. Weißt du, ich verstehe deine Entscheidung, wirklich, aber ich wünschte, dass du sie nicht getroffen hättest und stattdessen mit mir zusammen eine Familie gründen möchtest." ,fuhr sie fort, "Ich liebe dich, Hunter, und das werde ich immer tun, doch ich ertrage es einfach nicht."
Tränen sammelten sich in ihren Augen und sie wandte sich ab. Es tat wirklich gut ihm zu sagen, was ihr auf dem Herzen lag und sie fühlte sich etwas leichter.
"Ich bin nicht aus der Welt, Cara. Ich werde immer für euch da sein." ,flüsterte er und wollte sie in eine Umarmung ziehen.
"Das ist nicht das gleiche, verstehst du das denn nicht?" ,zischte sie und schob ihn weinend von sich, "Irgendwann wirst du nie wieder zurückkommen und diese Unwissenheit ertrage ich einfach nicht mehr. Du hast dich gegen mich entschieden und das ist wirklich okay, wirklich. Aber ich möchte, dass wir von nun an getrennte Wege gehen, damit ich lernen kann, ohne dich zu leben. Ich gebe dir Bescheid, wenn irgendetwas mit dem Baby ist."
"Das musst du nicht tun." ,murmelte Hunter und schüttelte missmutig mit seinem Kopf, "Wir sind noch immer eine Familie."
Cara zuckte mit ihren Schultern, "Was bringt sie mir, wenn sie nicht mehr da ist, Hunter? Du kannst uns jederzeit besuchen, aber mehr wird es nicht sein."
"Cara, bitte." ,sagte er und versuchte sich ihr zu nähern, doch sie wich ihm nur aus.
Sie schüttelte mit ihrem Kopf und verschwand in der Menge.

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