24 | Game over?

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Mein Kopf dröhnte.
Stöhnend richtete ich mich auf, während die Geräuschkulisse um mich herum zunahm.
Ein Schrei.
Ich öffnete schlagartig die Augen.

Nairobi.

Sie stand mit dem Rücken zu mir, der Kopf durch ein Loch in der zersplitterten Tür gesteckt. Zwei Messer im Stoff der Ärmel ihres Overalls pinnten ihre Arme weit von sich gestreckt an die Wand. Blut tropfte auf den Boden. Eine Schussverletzung mitten in der Handfläche. Daher der Schrei.

Mir drehte sich der Magen um. Ihre Knie zitterten. Erahnen konnte ich nur, dass sie sich gerade vermutlich auf die Zunge biss, um einen weiteren Laut jeder Art zurückzuhalten.

Und ich spürte Hass. Blanker Hass.

Gandia war in meiner Ohnmacht nicht untätig gewesen. Er stellte Nairobi zur Schau wie seine persönliche Trophäe. Ekelhaft. Und mich fesselte er an den elektrischen Rollstuhl, den Bogotá eigens für meine Freundin anfertigte. Ich riss an den Fesseln, aber es sorgte nur dafür, dass ich meine Handgelenke daran aufscheuerte.

,,Du bist wach." Meine Befreiungsversuche machten Gandia auf mich aufmerksam, der breit grinsend in meine Richtung blickte und die leider viel zu weißen Zähne bleckte.

Wütend funkelte ich ihn an und trat nach seinem Schienbein. Das büßte ich mit den falschen Ende seiner Militärwaffe, die er mir bedrohlich an die Brust drückte. ,,Was sagen wir Mummy, weshalb du gestorben bist? Zu schwach? Zu labil? Oder ist das die gerechte Strafe für Verräter?"

,,Ich war nie bei der Polizei. Wie soll ich sie dann verraten?", blaffte ich genervt, indem ich mich so weit wie möglich nach vorne beugte. Die Kugel, die sich jeden Moment aus seiner Pistole lösen könnte, versuchte ich auszublenden. ,,Du hattest Millionen von Möglichkeiten, mich zu töten. Getan hast du es nie."

Gandia kam mir so nahe, dass ich den ekelerregenden Atem auf meiner Wange spürte. Er spielte mit einer meiner rötlichen Haarsträhnen und nickte in Nairobis Richtung. ,,Weil zuerst deine kleine Schlampe an der Reihe ist. Nach euch beiden knöpfe ich mir Tokyo zu, dann Rio... so lange, bis jeder einzelne von euch tot ist."

Ich schluckte schwer und sah zu Nairobi. ,,Weißt du, was das schlimmste ist? Du tötest sie nicht einfach, du führst sie vor. Und das ist noch widerlicher, als wenn du ihr einfach den Gnadenschuss verpassen würdest."

Wenigstens war ich mir sicher, dass Nairobi vorerst nichts passierte. Gandia brauchte sie, um unsere Komplizen daran zu hindern, einzutreten. Er saß in der verdammten Falle.

,,Der einzige, der heute sterben wird, bist du", hörte ich Nairobi sagen, aber diesmal war selbst sie sich ihrer Sache nicht sicher.

,,Wenn ich noch ein Wort aus deinem Mund höre, schieße ich auf deine kleine Freundin, Mischlingsbraut", warnte er.

,,Ekelhafte Ratte", sagte ich.

,,Dasselbe gilt für dich. Redest du, schieße ich auf sie. Redet sie, schieße ich auf dich", erläuterte er, als wäre es eine einfache Schulaufgabe und klatschte in die Hände. ,,Lass uns ein kleines Konzert veranstalten. Ich will euch alle singen hören oder ihr dürft darüber abstimmen, wen ich als erstes abknalle. Auch eure Komplizen im Lüftungsschach."

Ich spähte nach oben zum Lüftungsschacht. Gandia durchschaute den Rettungsversuch. Er war uns einen Schritt voraus. Und er schindete Zeit.

Es folgte das bizarrste Konzert meines Lebens. Alle stimmten mit ein, vorsichtig und unwohl. Das Kirchenlied klang wie ein angespanntes Trauerkonzert. Die Stimmen Palermos, Stockholm, Helsinkis und Bogotás stammten Richtug Tür, Rio und Denver saßen im Lüftungsschach. Auch Nairobi und ich stimmten mit ein.

Criminal Passion [2] ˡᵃ ᶜᵃˢᵃ ᵈᵉ ᵖᵃᵖᵉˡWhere stories live. Discover now