32 |"Du bist eine Verräterin"

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ALICIA

Sekunden verstrichen, dann Minuten und Stunden. Irgendwo tropfte Wasser von der Decke. Plopp. Plopp. Plopp. Mal schneller, mal langsamer.

In einer Schublade fand ich einen Schokoriegel, den ich verspeiste, während ich die Monitore des Professors studierte. Vor der Bank rückten mehrere Fahrzeuge des Militärs an, was mich nicht weiter überraschte. Tamayo, dieser hirnverbrannte Schwächling, setzte wieder mal auf Gewalt anstatt einer gut durchdachten Strategie. Plötzlich vernahm ich ein leises surren von einem Bewegungssensor.

,,Was ist das?", fragte ich alarmiert und fuhr herum, den zitternden Professor betrachtend. Er war von oben bis unten durchnässt und der Fußboden unter ihm blutig. Stimmt. Ich hatte ihn ja angeschossen.

Sergio bebte. ,,Deine letzte Chance endlich aufzugeben."
Witzig. Ich lachte sogar kurz. ,,Touché, Professor. Sie sind ein Spaßvogel."
,,MARSEILLA!", brüllte er plötzlich in einer Lautstärke, wegen der ich erschrocken zusammenzuckte. Es half auch nicht, dass das kleine Baby in meinem Bauch sich ständig bewegte, als suche es noch die bequemste Position aus.

,,Halt den Mund", zischte ich und drückte ihm eine Pistole an den Hinterkopf.
Aber der Professor hörte nicht auf mich. ,,MARSEILLA! WIR SIND HIER!"
Fluchend schnappte ich den nächstbesten Gegenstand und donnerte dem Professor ein Buch gegen den Kopf, das auf dem Tisch lag. Es war eine besonders dicke Ausgabe des Strafrechts. ,,MARSEILLA!" Anscheinend reichte ein langweiliges Exemplar aller Gesetze Spaniens nicht aus, um den Anführer der Dalís auszuknocken.

Ich fasste in meine Handtasche und fand schnell, wonach ich suchte: Das Schlafmittel, welches der Arzt mir verschrieb. Und dazu eine Spritze, mit der es verabreicht wurde. Ausnahmsweise kam mir die Schwangerschaft sehr gelegen. Meine Finger zitterten überraschend viel, als ich das Mittel in die Spritze einfüllte, aber mehrere koordinierte Handgriffe später lag Sergio stumm auf dem Boden. ,,Schläft wie ein Baby", murmelte ich. Mit vereinten Kräften zog ich den Professor über den kalten Boden und hievte ihn in das untere Stockbett.

Anschließend löste ich Nairobis Fesseln. Die schwarzhaarige Bankräuberin hatte sich verdächtig still verhalten und ich traute diesem Frieden nicht. ,,Husch, husch. Ab ins Bett mit dir. Höre ich auch nur einen einzigen Ton von dir..." Ich formte mit den Fingern eine Pistole.

Ich hätte sie gerne auch außer Gefecht gesetzt, aber mir rannte die Zeit davon. Es handelte sich nur noch um Sekunden, bis Marseille und sein Begleiter hier auftauchten. Ich würde es realistischerweise nicht schaffen, noch eine Person durch den Raum zu schleppen. Nairobi hatte außerdem schon genügend Begegnungen mit meinen Grausamkeiten erlebt, sodass sie hoffentlich ihren Mund hielt - zu ihrem eigenen besten.

Nairobi kletterte auf das Stockbett und ich ging hinter den Monitoren in Deckung - keine Sekunde zu früh. Marseille und ein unbekannter Mann mit Brille erschienen. Marseille pfiff leise vor sich hin? ,,Professor? Sind Sie hier?', fragte der andere Mann laut.

Niemand antwortete.

Dann schien Marseille einer Eingebung zu folgen und fand den schlafenden Professor. ,,Ach, hier sind Sie also", flüsterte er und deckte ihn vollständig zu. ,,Ruhen Sie sich aus, Professor. Ich halte die Kameras im Blick."

Ich nutzte den Augenblick, indem die Männer mir den Rücken zukehrten. Ich verließ mein Versteck, schlich mich an die beiden heran und stieß Marseille eine Spritze mit einer Dosis Schlafmittel in den Hals. Der andere Mann zückte direkt seine Pistole, aber ich war vorbereitet. So richteten wir beide unsere Waffen aufeinander.

,,Na, na, na. Hat man Ihnen nicht beigebracht, dass man nicht auf schwangere Frauen schießt?", tadelte ich.
,,Nehmen Sie Ihre Waffe runter", forderte er, aber in seiner Stimme schwang Unsicherheit mit. Er sah aus wie ein gutherziger Vater, kein Killer. Ich merkte sofort, dass er niemals abdrücken würde.
Ich entsicherte die Pistole. ,,Wenn Sie schießen haben Sie eine Schwangere und eine Polizistin auf dem Gewissen. Wissen Sie, wie viele Jahre Gefängnis da anstehen?" Ich wollte ihm schon eine Zahl nennen, als er seine Pistole sinken ließ.
Mit schiefgelegtem Kopf sah ich ihn an. ,,Wer sind Sie überhaupt?"
Der Mann guckte verwirrt. ,,Benjamin, Señora. Ein guter Freund des Professors. Ich... habe keinen Städtenamen."

Criminal Passion [2] ˡᵃ ᶜᵃˢᵃ ᵈᵉ ᵖᵃᵖᵉˡWhere stories live. Discover now