37 | Es gibt nur einen guten Grund zum sterben

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3 Jahre vor Tag X

,,Du heißt Tokyo, oder?", fragte ich die braunhaarige, die es sich auf den Felsen gemütlich machte. Sie lag mit dem Rücken auf einem breiten Stein und hatte die Jacke zum Kopfkissen umfunktioniert. In ihrer Hand hielt sie eine qualmende Zigarette. ,,Irgendwie kommst du mir bekannt vor."

Nairobi stieß mich warnend in die Seite. Wir hatten für den restlichen Nachmittag entschieden, das Gelände um das abgelegene Haus in Toledo zu erkunden.
Tokyo zog an ihrer Zigarette und blies den Rauch in die Luft. ,,Das glaube ich kaum. Eine rothaarige hatte ich noch nie im Bett."

Ich merkte schnell, wie unsensibel meine Frage gewesen war. Vielleicht kannte ich sie aus den Nachrichten oder ich sah ihr Gesicht in den Akten, die meine Mutter immer von der Arbeit nach Hause schleppte. Ich war erst einen Tag hier und vergaß, dass ich es mit Kriminellen zu tun hatte.

,,Warum bist du dabei?", fragte ich trotzdem weiter. Ich war nunmal eine harmonische Person.
Das schien auf Tokyo nicht zuzutreffen. ,,Wegen des Geldes", antwortete sie knapp. ,,Ich brauche es, um endlich aus diesem Drecksloch abzuhauen."
,,Das kann ich verstehen", sagte Nairobi verträumt. ,,Wenn wir uns die 2 Milliarden unter den Nagel gerissen haben, will ich in die Karibik auswandern."

Nairobi nahm Tokyo die Zigarette aus der Hand, um selbst einen Zug zu nehmen. Tokyo beobachtete sie dabei. ,,Euch ist hoffentlich bewusst, dass die Wahrscheinlichkeit viel höher ist, von der Polizei in die Luft gejagt zu werden, oder?"

,,Wenn du so sicher bist, dass es schiefgeht, warum machst du überhaupt mit?", entfuhr es mir.

In Tokyos Augen lag ein merkwürdiger Schimmer. ,,Ich habe nicht wirklich eine Wahl. Wenn ich zwischen dreißig Jahren Gefängnis und einer Kugel in den Kopf wählen müsste, würde ich jederzeit Kugel wählen. Lieber werde ich in die Luft gejagt, als schon wieder in dieser verranzten Zelle zu hocken"

,,Dreißig Jahre? Verdammt, hast du jemanden umgebracht?", fragte ich. Es sollte ein Scherz sein, aber niemand lachte. Als ich es aussprach merkte ich, dass ich voll ins Schwarze traf.

,,Vielleicht hältst du lieber deine Klappe, Süße. Ich habe dir doch gesagt, dass wir es mit Kriminellen zu tun haben", flüsterte Nairobi warnend.
,,Ja, du hast von Drogendealern und Kleinkriminellen gesprochen. Das ist ne andere Nummer", zischte ich zurück.

Tokyo erhob sich und eroberte ihre Zigarette zurück. Ihre kinnlangen Haare sahen etwas wild aus, weil sie mit dem Kopf auf der Jacke gelegen hatte. ,,Keine persönlichen Fragen. Das ist die Regel."

Sie schüchterte mich ein, aber ich hatte trotzdem das Bedürfnis, sie zu verstehen. ,,Warum hast du es getan?"

Tokyo drehte sich nicht um. Sie starrte geradeaus und fummelte an der Kette herum, die sie um den Hals trug. Das schwarze Lederband war wegen der kurzen Haare gut zu erkennen.

,,Liebe. Ich habe es aus Liebe getan. Es gibt keinen besseren Grund zu töten... und zu sterben."

••••

,,Sie hat sich für uns geopfert", sagte ich tonlos, als wir uns mitten auf dem Kriegsfeld mit den anderen trafen. Nairobi umarmte mich schweigend, während ihr Tränen wie Sturzbäche über die Wangen liefen. Regen prasselte durch das kaputte Dach ins Innere. Es war, als ob das Wetter wüsste, was vor einer halben Stunde geschehen war.

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⏰ Letzte Aktualisierung: May 03 ⏰

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Criminal Passion [2] ˡᵃ ᶜᵃˢᵃ ᵈᵉ ᵖᵃᵖᵉˡWo Geschichten leben. Entdecke jetzt