Chapter 4

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Shawn nahm sich eine der Servietten und putzte sich seine Hände damit ab. Er streckte anschließend seine Hand über den Tisch hinweg aus und ich konnte mir nicht anders helfen als zusammen zu zucken und meinen Rücken gegen die Banklehne zu drücken. Vor meinem geistigen Auge tauchte das Bild von Derek vor mir auf.

"Entschuldige, es war nicht meine Absicht dich zu erschrecken. Nochmal." Der Braunhaarige hatte seine Hand nicht zurückgezogen, lächelte mich stattdessen mit einem schiefen Grinsen an, als das Bild vor meinen Augen zu verblassen begann. Nichtsahnend über den eigentlichen Grund meines Misstrauens. Zögerlich ergriff ich seine Hand.

Wärme. Eine prickelnde Wärme durchströmte meinen Körper und ließ meine Wangen unterbewusst schon zum zweiten Mal in dieser Nacht einen rötlichen Ton annehmen. Es fühlte sich vertraut an. Als würde ich ihn bereits kennen. Für einen Moment spürte ich meinen Herzschlag.

Habe ich so etwas jemals bei Derek gefühlt? Ich kann mich nicht daran erinnern.

Grün traf Braun - erneut. Dieses Mal jedoch sah ich den Braunhaarigen vor mir direkt an. Merkte mir die Details seiner markanten Gesichtszüge. Falls wir uns jemals wieder begegnen würden. Dann ließ ich seine Hand los. "Ich bin etwas schreckhaft. Nichts, wofür du dich entschuldigen müsstest.", erwiderte ich. "Schreckhaft? Ist mir nicht aufgefallen."

-

Der Braunhaarige kam aus Toronto. Der Grund, wieso es ihn in dieses verschlafene Städtchen verschlagen hatte war, dass er aus beruflichen Gründen hier war. Auf die Frage, was er denn beruflich machte antwortete er, dass er im Musikgeschäft sei. Ich merkte dass Shawn nicht weiter auf das Thema eingehen wollte und fragte nicht weiter nach.

Ich konnte mir vorstellen, dass er sonst bei dieser Frage häufig mit neugierigen Blicken begutachtet wurde. Welche Prominenten er kennt, welchen Tratsch es über diese gibt und ob er internes über sie weiß. Das stellte ich mir nicht gerade angenehm vor.

"Und wie ist es mit dir? Bist du noch in der Schule?" Ich nickte, aß die letzte Pommes und putzte mir die Finger an einer Serviette ab. "Nächstes Jahr im Frühling habe ich meine Prüfungen." Shawn schien wirklich interessiert daran zu sein. "Und was möchtest du danach machen?" Bevor ich meinen Mund öffnen konnte, sprach er weiter. Dieses Mal aufgeregter.

"Warte! Sag's mir nicht, ich rate." Sein plötzlicher, konzentrierter Gesichtsausdruck, die Stille. Ich war amüsiert, im vollen Ausmaß. "Studieren. Entweder Literatur oder Rechtswissenschaften." Sein Blick richtete sich auf mich und musterte mich. Das seinem Blick auch die Wärme folgte, war überraschend.

"Doch, ich bin mir sicher. Liege ich richtig?" Mit einem Grinsen im Gesicht schüttelte ich meinen Kopf. "Nein? Ich war mir so sicher." Ich konnte nicht anders, als leise zu lachen. "Du hast ein schönes Lachen, Kalifornien."

Ich wurde leise und sah Shawn verwundert an. Er jedoch räusperte sich. Mehrmals blinzelte ich und wandte mein Gesicht mit noch immer roten Wangen von ihm ab. "Bücher." Von der Dummheit dieses einen Wortes ohne jeglichen Zusammenhang selbst verwundert, räusperte ich mich. "Ich schreibe Bücher. Nach meinem Abschluss möchte ich mich weiter darauf konzentrieren."

"Hast du schon welche veröffentlicht?" Erneut überraschte mich der Kanadier. Im Normalfall hieß es von den Leuten, dass ich doch lieber studieren und mir später einen richtigen Job suchen solle. Insbesondere Derek hatte meine Leidenschaft gehasst. Selbst meinen Laptop hatte er deswegen letzte Woche zerstört, als ich mit ihm stritt. Shawn jedoch schien das wirklich zu interessieren.

"Zwei Stück. Es sind keine Überflieger, aber ich bin stolz drauf. Und sie kommen wirklich gut an." Nur schade, dass ich in der nächsten Zeit erst einmal alles aus der Erinnerung heraus nachschreiben musste, was mir Derek an Arbeit zerstört hat.

Wäre die Festplatte nur zu retten gewesen...

"Jetzt hast du mein Interesse geweckt. Veröffentlichst du denn unter deinem Namen? Oder benutzt du ein Pseudonym?" Plötzlich war es mir unangenehm mit Shawn - oder überhaupt jemandem - über meine Bücher zu sprechen. Dieses Gefühl überkam mich zwar häufig, wenn ich plötzlich Zweifel daran hatte, dass meine Bücher doch nicht so gut waren wie ich dachte. Jetzt jedoch schien dieses Gefühl besonders stark.

"Unter einem Pseudonym.", antwortete ich ihm. Mein Blick glitt runter zu meinem Handy in meinem Schoß. Ein Blick darauf genügte, und meine Augen weiteten sich. "Shit. Ich muss los!" Hektisch sprang ich vom Tisch auf. Dabei rutschte die Kapuze herunter. In aller Eile grub ich in den Taschen nach meinem Portemonnaie und zückte etwas Geld.

Das sollte ungefähr hinkommen.

Schnell legte ich ihm dieses auf den Tisch und drehte mich dann um. Shawn indes tat nichts anderes als mich erschrocken zu mustern. Bevor ich allerdings den Laden verließ, wurde ich an meiner Hand zurückgezogen. Das konnte nur er sein. Sofort entzog ich mich hektisch dem Griff, der jedoch in jedem Fall alles andere als fest gewesen war. Der Schmerz war dennoch spürbar.

"Kalea, was ist mit deiner Wange passiert?" Etwas in Shawn's Gesicht hatte sich verändert. Seine Gesichtszüge waren härter und verschlossener. Dahinter jedoch lagen seine Augen aufmerksam auf mir, fast schon beruhigend. Zumindest wäre es das, wenn ich nicht in Eile wäre, nach Hause zu kommen.

"Nichts. Also ja, es ist etwas passiert. Ist nicht allzu schlimm, das verheilt." In meiner Eile brabbelte ich schnelle Sätze zusammen und hoffte, dass sie Sinne ergeben würden. Ich hatte weder Zeit noch Lust jetzt eine Erklärung abzugeben.

In drei Stunden musste ich mich für den Schulausflug fertig machen!

Deshalb passte es mir besonders nicht, dass Shawn zwar meinen Arm nicht mehr fest, dafür allerdings die Tür verschlossen hielt. Nun doch unsicher von seinem Verhalten schwanken meine Gefühle zwischen Misstrauen und Wut. "Lass mich gehen, Shawn."

Er deutete mir zu warten und ging zurück zu dem Tisch, an welchem wir bis vor einer Minute noch saßen. Meine Chance, wegzulaufen. Das gerade hatte doch bewiesen, dass er genau wie Derek auch, um einiges stärker als ich war und mich jederzeit festhalten konnte.

Beine, bewegt euch! Ich schaffe so eine Zeit wie mit Derek nicht noch einmal!

Meine Hand hielt den Griff der Tür fest, bis meine Fingerknöchel weiß hervorstachen. Shawn war noch immer am Tisch, beugte sich über diesen. Doch nur mit Mühe schaffte ich es, die Tür aufzuziehen. Kaum ließ ich die Tür hinter mir ins Schloss fallen, hört ich bereits seine Schritte. "Kalifornien, warte!"

Rennen oder stehenbleiben?

Die Entscheidung wurde mir jedoch abgenommen, als sich Shawn vor mich stellte und mir etwas hinhielt. "Meine Nummer.", erklärte er. "Wenn du jemals Hilfe brauchst - oder wieder mitten in der Nacht bei McDonalds essen willst." Ich griff nach der Serviette, auf welche er seine Nummer geschrieben hatte. Bedacht achtete ich darauf, seine Hand nicht zu berühren.

Ich würde ihm nicht schreiben.

Als ich mich nach einem letzten Blick zu ihm umdrehte und die ersten Schritte in die Richtung lief aus der ich gekommen war, faltete ich die Serviette und steckte sie in die Tasche meiner Hose. "Hey, Kalifornien! Wie ist dein Pseudonym?"

Ich zögerte. Eine Antwort hatte ich dennoch parat. "Wenn du das herausfindest bin ich mir sicher, dass wir uns wiedersehen werden."

-

Trotz der Angst, die mich den ganzen Weg über bis nach Hause begleitete, war ich relativ ruhig als ich zu Hause ankam und mich kurz darauf auf mein Bett fallen ließ. Obwohl die Sonne noch nicht zu sehen war, wurde der Himmel schon merklich heller.

Zwei Stunden bekam ich, mehr nicht. Denn am ersten Tag, wohlgemerkt zu einer Exkursion in ein Musikstudio, sollte und wollte ich wirklich nicht zu spät kommen. Es dauerte keine fünf Minuten, ehe ich meinen Kopf in das weiche Kissen sinken ließ und die Augen schloss.

Und zumindest bis der Wecker einen schrillen Ton von sich gab, etwas zwischen einer Alarmanlage und einer wiederkehrenden Melodie, schlief ich tief und fest.

Fuck my life.

Treating You Better | Shawn Mendes FFWhere stories live. Discover now