Kapitel 11

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Marc wollte nicht hier sein, dennoch wusste er, dass er sich davor nicht drücken konnte. Er musste wieder in die Schule gehen, doch seitdem er mit Oliver per SMS Schluss gemacht hatte, wurde ihm alleine bei dem Gedanken hierher zurück zu kehren schlecht. So schlecht, dass er sich sogar beinahe übergab, doch sein Vater hatte ihn nicht Zuhause gelassen. Er sollte gehen und sich endlich ein Mädchen suchen, sonst wäre ihr Deal geplatzt.

Er ballte seine Hände zu Fäuste, alser spürte, wie sie zu zittern begannen und sich der schwere Klumpen in seinem Magen weiter ausbreitete und ihn zu lähmen versuchte. Ruhig atmete er tief durch und hoffte, dass dies die Sache besser machen würde, doch die bleiernen Gedanken blieben und so musste er mit ihnen weitergehen.

Schüler eilten an ihm vorbei und er hoffte, dass Oliver schon im Klassenzimmer war. Er konnte ihm nicht ins Gesicht sehen und vor allem konnte er die kommenden Fragen nicht beantworten. Selbst wenn er die Wahrheit sagen würde, war ihm bewusst, dass dies Oliver nicht überzeugen würde. Bestimmt würde er irgendeine Ausrede finden, dass diese Situation doch zu bewältigen war und sie weiter zusammen sein konnten. Er verstand es einfach nicht.

„Marc?!" Die Stimme ließ einen eisigen Schauer über seinen Rücken gleiten und Marc verkrampfte sofort. Aus den einstigen Schmetterlinge wurde jetzt nur ein gewaltiger Stein, der ihn versuchte in die Knie zu zwingen anstatt fliegen zu lassen.

Er drehte sich nicht um, sondern zog seinen Kopf ein und eilte weiter. Dieses Gespräch wollte er nicht führen. Nicht jetzt und auch nicht morgen. Am Besten niemals, doch er selbst wusste, dass dies töricht war. Irgendwann würden sie es führen. Oliver war dafür viel zu hartnäckig und vor allem zu naiv. Eine Eigenschaft, die Mark früher an ihm geliebt hatte.

„Jetzt warte doch. Was ist los mit dir?" Dort war diese altbekannte Berührung an seinem Oberarm, die ihn stoppte, doch er drehte sich nicht um, sondern wand sich aus dem Griff um dann weiter zu flüchten. Nicht eine Sekunde sah er in dieses weiche Gesicht, das anfing herbere Züge zu bekommen. Diese blauen Augen, in denen er für Stunden versinken konnte ohne auch nur einen Moment Angst zu haben, dass ihm etwas passieren würde. Er liebte diese weichen Lippen, die ihn verschmitzt anlächelten und die kleine Stupsnase, die er so gerne mit seiner eigenen berührte.

Heiße Tränen brannten in seinen Augen als er sich schließlich im Klassenzimmer auf seinen Platz niederließ. Er wischte sich über das Gesicht, um sie zu vernichten und wünschte sich, dass er wieder Zuhause wäre, doch er blieb hier und er roch den Duft von Oliver, als sich dieser neben ihn niederließ. Alles in ihm schrie danach ihn zu berühren, doch er ballte seine Hände noch fester zu Fäusten, sodass sich seine Nägel schon schmerzhaft ins Fleisch schnitten, nur um jeder Versuchung zu widerstehen. Genauso wie er nicht einmal zu ihm sah. Egal wie oft man seinen Namen flüsterte.

„Herr Reichert, bitte lassen Sie den Herrn Wagner in Ruhe. Sie sollten sich beide auf den Stoff konzentrieren. Schließlich ist ihr Abschluss nicht mehr allzu weit weg." Scheinbar wurde es jetzt selbst den Lehrer zu bunt und Marc war ihm für diese Ermahnung dankbar, denn dadurch hörte endlich das Flüstern auf, das unnachgiebig an seiner Mauer gerüttelt hatte.

Er musste trocken schlucken, als erneut das Kribbeln durch seinen Körper ging und er den Impuls Oliver zuberühren unterdrückte. Neben ihm saß der Mensch, den er mehr liebte als sein eigenes Leben und er würde ihn nie wieder berühren können. Nicht um sein eigenes Leben zu schützen, sondern um dessen Wohlbefinden zu bewahren. Marc könnte es nicht ertragen, wenn diesem Menschen etwas passieren würde.

Das Flüstern erstarb, doch die besorgten Blicke blieben. Er spürte sie jedes Mal, wenn sie zu ihm kamen und ihm war diese stille Botschaft durchaus bewusst, doch er konnte nicht antworten. Dieses Gespräche wollte er niemals führen, weil es nicht seinen eigenen Wünschen entsprach und er wusste, dass Oliver es nicht akzeptieren würde. Er war geblendet von der Liebe seiner Eltern. Diese Akzeptanz, die auch Marc immer wieder in ihren Bann zog. Ein Bann, der ihn leichtsinnig gemacht hatte und der alles zerstört hatte.

Verhasst - Einzig seinen Weg finden zu lebenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt