4.4 Warnung aus der Dunkelheit

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»Ich war noch nicht unten«, antwortete Akin. Er riss sich von den Bilderrahmen los und nickte in Richtung der zweiten Tür.

Als er die Stufen hinabstieg, folgte Henry ihm. Seine Neugierde hatte offensichtlich gesiegt. Es war kühl im Keller. An der gegenüberliegenden Wand hing eine Lampe, deren schwacher Schein einige Holzregale erhellte, sich hinter deren Schatten jedoch verlor. Dunkle Umrisse starrten ihnen entgegen. Überall standen Kisten, Geschirr und Kartons, in denen sich zahllose Kabel, Weihnachtskugeln und Kleidung befanden. Links und rechts zweigte sich jeweils ein weiterer Raum ab. In der Ecke zu ihren Füßen standen Dosen voll eingelegtem Gemüse.

Ein Rascheln ertönte.

Akin drehte sich zeitgleich mit Henry nach hinten um. Auf der ersten Treppenstufe saß Mosaik, der sie musterte. »Verdammt, wir haben die Tür nicht rangemacht.«

Der kleine Kater hüpfte übermutig zu ihnen herab und schmiegte sich an Akins Beine. Um ihn in dem verwinkelten Chaos aus dutzenden Etageren nicht zu verlieren, hob er ihn auf den Arm, was Mosaik mit einem beleidigten Maunzen kommentierte.

Den gestapelten Dosen folgend suchten sie im linken Raum nach dem Lichtschalter. Es summte, dann flackerte eine Glühbirne neben ihnen auf. Die Wände waren mit Regalen ausgekleidet, in denen sich verschiedenste Kästen, Flaschen und Einweggläser befanden. Es roch muffig. Mit seinen Vorräten konnte Viktor mindestens drei Wochen überleben. In der Raummitte lagen einige Kartons von Haushaltsgeräten. In einer alten Emaille-Wanne türmten sich Mikrowellen und Wasserkocher.

»Ich wusste gar nicht, dass mein Onkel so ein Messi ist«, sagte Henry. Sein Blick wanderte zwischen den dutzenden Gläsern und Kartons hin und her wie die Kugel in einem Flipperautomaten – von jeder neuen Entdeckung in eine andere Richtung gestoßen, wo es viel zu sehen gab.

Auch Akin musste zugeben, dass der Keller nach einer Sammelwut aussah. »Lass uns einfach ein paar Flaschen mit nach oben nehmen.«

»Gern. Es ist hier irgendwie unheimlich«, sprach Henry aus, was sie beide dachten.

Der Weg in die Werkstatt zurück verlief zu Akins Erleichterung unauffällig. Sie hatten sich jeder drei Flaschen aus den Kästen unter die Arme geklemmt, inklusive von Mosaik, der ihm seine Missbilligung in Form von Krallen zu verstehen gegeben hatte, und die Tür zum Keller hinter sich geschlossen. Er wusste, dass es kindisch war, doch er hatte das Gefühl, etwas Böses damit aus seiner Welt auszusperren.

Ein Klirren erklang, als Henry seine Fassbrause auf der Werkbank abstellte. Sein Blick war auf die Bilderrahmen gerichtet. »Schau dir mal an, wie jung Viktor auf den Bildern ist. Bestimmt war er auf dem hier noch nicht einmal in der Grundschule.« Er hielt das Foto von dem kleinen Jungen mit dem Neugeborenen in die Höhe.

Das Glas war an der linken, unteren Ecke gesprungen. Akin konnte sich nicht daran erinnern, es beschädigt zu haben, als er es sich vor wenigen Minuten selbst angesehen hatte. »Weißt du, wer Hektor ist?«, fragte er einem plötzlichen Impuls folgend.

Mosaik kämpfte sich aus seinem Griff frei. Als er auf dem Boden landete, ohne dass Akin Anstalten machte, ihn erneut in Beschlag zu nehmen, entspannte sich seine Haltung merklich und er begann, sein Fell abzulecken.

»Nein. Wieso?«, antwortete ihm Henry, nachdem er das Bild wieder auf die Auflage der Kreissäge zurückgelegt hatte.

Akin deutete auf die Beschriftung des einen Fotos. »Der Name steht hier.«

»Unsere Familie ist recht groß. Vielleicht ist das ein Cousin oder der Nachbarsjunge?«, überlegte Henry. Er zuckte mit den Schultern, dann lud er sich die Flaschen wieder auf den Arm. »Kommt mir auf jeden Fall nicht bekannt vor.«

Komm mit mir nach gesternWhere stories live. Discover now