twenty seven

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"Steig ein.", sage ich, als ich das Fenster hinuterschiebe. Effy sieht mich total perplex an. Natürlich hätte sie mich hier nicht erwartet. Ich wusste eigentlich noch nicht einmal, wo sie ist.

Sie steigt hinten ein und lächelt Ross leicht an, der dies erwidert, dann schaut sie hinunter. Sie würde viel lieber woanders sein, das ist nicht zu übersehen, selbst durch den Spiegel von hier vorne.

"Woher wusstet ihr, wo ich bin?", fragt sie nach kurzer Zeit. Ihre Stimme zittrig.

"Deine Mom hat es uns verraten.", antworte ich, achte darauf, dass ich genervt klinge. "Was genau hast du hier verloren?"

Es kommt keine Antwort, was meine Vermutung von vorhin bestätigt. Er lebt hier. Bei seiner neuen Familie. Allein der Gedanke daran lässt die Wut in mir steigen.

"Wie lange müssen wir noch fahren?", wende ich mich an Ross.

"Das Navi zeigt zwei Minuten an." Zwei Minuten. Zwei verfickte Minuten, die mir jetzt schon wie zehn Stunden vorkommen, obwohl wir mindestens schon so lange unterwegs sind.

Ich schaue nach hinten und sehe Effy die Angst an. Sie schaut aus dem Fenster und ist in Gedanken versunken. Mittlerweile kenne ich sie schon so gut, dass ich ihr ansehe, wie es ihr geht. Aber ich war so naiv und habe mich trotzdem aufs übelste verarschen lassen.

Wir kommen in einer Gegend mit vielen riesigen Häusern und großen sauberen Vorgärten an. Man sieht den Häusern förmlich schon an, was für reiche Leute dort leben.

Ross hält an. "Wir sind da." Ich schaue auf die Hausnummer. In dem blauen Haus, hinter den weißen Türen ist mein Sohn, der keine Ahnung von meiner Existenz hat. Der gerade dabei ist, sprechen und laufen zu lernen. Der in diesem Moment wächst und wächst. Mein Herz hämmert gegen meine Brust vor Angst. Das letzte Mal, dass ich mich so gefühlt habe, war als Effy alleine mit Tyler in einem Zimmer war und ich ein Klatschen gehört habe.

Schnell steige ich aus, Effy folgt mir, hält mich jedoch am Ärmel fest. "Matty, warte. Bevor wir anklingeln, müssen wir reden."

Ich reiße meinen Ärmel los und sehe sie fragend an. "Worüber willst du denn jetzt bitteschön noch reden?"

Sie schüttelt den Kopf und antwortet leise: "Ist schon okay. Das hat noch Zeit."

Schnell gehe ich die Treppen hoch und klingele mehrmals an. Ich kann's kaum erwarten, Jude zu sehen. Aber ich habe auch Angst. Was, wenn ich meinen Sohn wiederkriege und kein guter Vater sein kann? Ich bin so abgefuckt, da wäre das kein Wunder. Aber was denk ich da? So leicht kriegen wir unseren Sohn definitiv nicht wieder.

Die Tür geht auf und mein Herz schlägt noch scheller. Vor uns steht eine junge Frau, vielleicht ein paar Jahre älter als ich und sieht uns verwirrt an. Ihr Lächeln sieht feundlich aus. "Guten Tag. Kann ich Ihnen helfen?"

"Hallo, ich bin Effy Gilbert und das ist mein Freund. Matty."

Die Frau reißt ihre Augen weit auf. "Ms. Gilbert. Ich hätte nicht erwartet, Sie so früh wieder zu sehen."

"Ich um ehrlich zu sein auch nicht. Können wir rein kommen?"

Die Frau, ihr Nachname lautet Dillon, lässt uns widerwillig hinein, das sieht man ihr an. Der Flur ist groß. Größer als mein Zimmer oder das Wohnzimmer, in dem ich wohne.

Ich höre kein Baby, nichts.

Mrs. Dillon führt uns schweigend ins Wohnzimmer. Sie scheint nervös zu sein.

"Möchten Sie etwas trinken?", fragt sie mit einer gestellt freundlichen Stimme.

"Nein, setzen Sie sich. Wir würden gerne mit Ihnen reden.", antworte ich. Ich möchte keine Zeit mehr vergeuden.

"Schatz, wer ist gekommen?", fragt eine ältere männliche Stimme. Der Körper dazu kommt auch hinein. Ich schätze ihn auf Anfang dreißig. Als er Effy sieht, bleibt er mit offenem Mund an der Tür stehen.

"Ms. Gilbert. Was machen Sie denn hier?", fragt er.

"Setzen Sie sich, wir haben etwas zu besprechen.", antwortet Effy mit sanfter Stimme. So kenne ich sie. Selbst in den schwierigsten Situationen versucht sie, so ruhig wie möglich zu handeln. Und das jetzt ist definitiv kein Kinderspiel. Weder für sie, noch für mich.

Mr. Dillon kommt langsam ins Wohnzimmer und setzt sich neben seine Frau, die seine Hand festhält.

"Ich weiß um ehrlich zu sein nicht, wie ich anfangen soll. Aber wie Sie wissen, habe ich damals, als ich eine Pflegefamilie für Jude finden wollte, sehr in der Klemme gesteckt. Mein Freund, Matty, wusste nichts von ihm."

"Bevor Sie weiterreden, Ms. Gilbert, würde ich mich gerne dazu äußern. Mein Mann und ich lieben Jude. Wir haben ihn sehr ans Herz geschlossen und wir sind nicht bereit, ihn wieder herzugeben. Wir wären niemals dazu bereit, um ehrlich zu sein.", antwortet die Frau. Auf diese Mitleidsnummer kann ich verzichten.

"Tut mir leid, Mrs., aber ich bin wieder da. Und ob Sie mir glauben oder nicht, ich will meinen Sohn. Mehr als alles andere.", mische ich mich ein. "Und ich bin bereit, alles für ihn zu opfern."

"Wissen Sie was, verschwinden Sie aus unserem Haus. Wir sind nicht bereit, über sowas zu diskutieren.", sagt Mr. Dillon laut und steht auf, um uns zu zeigen, wer hier die Macht hat. Das kann er vergessen. Ohne Eff und mich würde Jude nicht existieren und jetzt reißt er sein Maul so weit auf?

"Ich werde nirgendwohin gehen, ohne meinen Sohn gesehen zu haben.", meine ich ernst.

"Ich würde es Ihnen empfehlen, bevor die Polizei kommt und das alles regeln muss.", warnt Mr. Dillon.

Ich erwidere seinen warnenden Blick. Er kann sagen, was er möchte, aber er kann mich nicht davon abhalten, meinen Sohn zu sehen. Mein eigen Fleisch und Blut.

"Wir sind nicht hier, um Ärger zu machen.", versucht Effy die Situation unter Kontrolle zu halten. Sie spielt nervös mit ihren Fingernägeln. "Wir möchten unseren Sohn sehen. Sie haben mir das erlaubt. Und ich weiß, dass ich es nicht okay ist, uneingeladen hier aufzutauchen, aber es ist einfach nicht fair, dass der eigene Vater ihn nicht sehen darf."

"Miss Gilbert, es tut uns wirklich leid für Sie. Aber damals haben wir nicht ahnen können, wieviel uns unser Sohn bedeuten würde. Außerdem studieren Sie und ihr Freund sieht ebenfalls jung aus. Jude ist bei uns in guten Händen. Wir können ihm eine Zukunft bieten.", sagt Mrs. Dillon. Unser Sohn. Dass ich nicht lache. Jude ist der Sohn von Eff und mir.

Mein Blick verfinstert sich. "Ich habe gesagt, dass ich meinen Sohn sehen möchte und mir ist es sowasvon egal, dass Sie dagegen sind. Wir sind seine Eltern!"

Mr. Dillon lacht sarkastisch auf, aber ich sehe ihm an, dass er sich bedroht fühlt. "Dann denken Sie mal bitte darüber nach, warum er bei uns ist. Weil Sie beide es nicht auf die Reihe gekriegt haben, die Schwierigkeiten in Ihrem Leben zu regeln. Das beweist doch schon, dass Jude bei uns viel besser aufgehoben ist."

Ich muss meine Wut unterdrücken. Dieser Mann hat zum Teil Recht, aber er weiß nicht, was Effy und ich alles durchgestanden haben.

Plötzlich höre ich das Weinen eines Babys. Ich erstarre. Mein Herz pocht extrem schnell. Alle im Raum sind still. Jude ist der Einzige, der zu hören ist, obwohl er nicht im Raum ist.

medicine /  matty healy (fortsetzung von 'alone together) Hikayelerin yaşadığı yer. Şimdi keşfedin