Freier Vogel

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~ 3 Wochen später~

Ich stellte mich ängstlich auf die Waage. Ich wusste einfach, dass ich zugenommen habe. Ich aß 3000 Kalorien am Tag. Sie stopften mich voll mit ekelhaften, kalorienreichen Essen.
Pizza, Pommes, Nudeln, fettiges Steak - als wäre das nicht schon schlimm genug. Nein, ich bekam zusätzlich noch Fresubin.
Ich schaute zitternd auf die Waage. 48,4 Kilogramm.
Mir wurde schwarz vor Augen und ich bekam Schweißausbrüche. Noch 600 Gramm und ich darf raus. Dann werde ich radikal 10 Kilogramm abnehmen-mindestens!
,,Ich bin so stolz auf dich, liebe Zoey!"
Samira lächelte mich strahlend an und ihre blonden Haaren fielen ihr ins hübsche Gesicht.
Ich verdrehte genervt die Augen. Ich wollte nicht. Konnte nicht. Ich musste aber.
Von Felix habe ich seit er Schluss gemacht hat nichts mehr gehört. Ich beobachtete aber weiterhin neugierig sein Facebook und bekam Herzschmerzen wenn er neue Posts veröffentlichte.
Felicitas wurde längst entlassen. Sie hatte ein gesundes Gewicht erreicht und ich war irgendwie froh, dass es ihr so gut ging. Momentan hänge ich in der Klinik mit Tessa ab und auch mit Natalia hat sie sich irgendwie angefreundet..Auf Tessa war ich so stolz. Sie wog endlich 40 Kilogramm und wir motivierten uns gegenseitig Zuzunehmen. Ich tat so, als wolle ich gesund werden und bekam von jeder Seite Zuspruch, aber insgeheim wollte ich weiter abnehmen. Weiter in das schwarze Loch sinken und am Ende komplett verschluckt sein.
,,Zoey? Alles okay?"
Samira's weiche Stimme holte mich zurück in die Realität.
,,Ja..ja. Alles gut.", stammelte ich leise und wollte schnell wieder zurück in mein Zimmer, aber Samira legte ihre warme Hand auf meine kalte Schulter und es traf mich wie der Blitz.
Ich schreckte hoch und blickte in ihre Augen.
,,Du wirst am Wochenende entlassen, wenn alles gut geht. Hier ist ein Geschenk für dich."
Sie ging wieder zu ihrem Büro und als ich die Schokoladentafel sah, wurde mir schlagartig schlecht und ich hatte diesen ekelhaften, süßen Geschmack in meinem Mund.
,,Danke.", sagte ich kalt und eilte hinaus. Ich rannte durch den Flur, zerbrach die Schokolade aus Wut und warf sie achtlos auf den makellos geputzten Boden.
In meinem Zimmer angekommen schmiss ich mich auf mein Bett und genoss die Stille. Bald war ich raus der Klinik. Bald war ich frei und konnte wieder abnehmen.
Ich seufzte laut auf und lächelte.
Kurz danach begann ich aufzuräumen. Immerhin war ich bald wieder zu Hause. Ich vermisste Tessa und die Anderen jetzt schon, aber wir hatten unsere Telefonnummern ausgetauscht und wollten uns unbedingt treffen und zusammen zunehmen wie Tessa sagte. Haha Zunehmen. Genau.
Als ich meine Unterwäsche genervt auf mein Bett schmiss, fiel mir unter dem Stapel mein geheimes Abnehmtagebuch in die Augen. Ich zögerte kurz..Da standen Diäten und Pläne drin und ich wollte nicht, dass meine Laune noch tiefer sank.
Ich atmete tief ein und aus und nahm es in die Hand. Ich blätterte immer weiter.
56,8kg. Vor 6 Monaten. Wow.
Jetzt bin ich bei 48, aber ich hatte es bis unter 45 geschafft.
Ich war so stolz auf meinen Erfolg. Die 40 knacke ich auch noch!
Ich hörte plötzlich Schritte vor meiner Tür und erschrak. Das Büchlein flog mir aus der Hand und landete genau vor meinen Füßen. Tessa stand vor mir so, schneller als ich gucken konnte.
,,Hey! Wir machen draußen einen Spaziergang..", fing sie an und lächelte, aber als sie mein Buch mit der Aufschrift "Abnehmen!" schaute sie mich geschockt an und ich begann zu zittern. Panisch wollte ich es aufheben, aber es fiel erneut runter.
,,Ist das dein Ernst?! Du willst abnehmen?! Hast du mich die ganze Zeit angelogen?", schrie sie und war den Tränen nahe.. Oh Man.
,,Nein, nein.", stotterte ich vor mich hin und versuchte sie in den Arm zu nehmen, aber sie schlug mich weg.
,,Ich dachte du willst gesund werden! Ja, du bist essgestört, aber wieso musst du mich anlügen?"
Ich biss mir unsicher auf die Lippe und schüttelte den Kopf.
,,Ich will zunehmen. Ich will leben und glücklich sein. Das Buch hier, ist alt.", sagte ich und guckte sie traurig an..Ihr Blick war zornig und sie stand vor mir mit verschränkten Armen.
Sie riss es mir aus der Hand und pfefferte es in den Mülleimer. Ein Stich in mein Herz.
,,So, damit das erledigt ist. Jetzt, komm!"
Sie riss mich am Handgelenk nach draußen und zusammen gingen wir runter bis vor die Klinik, wo sie sich getroffen hatten.
,,Alle da?", rief Samira und als sie mich sah, lächelte sie. Ich schaute sie genervt an und ging mürrisch weg zu Tessa und ihren Freundinnen.
,,Ich habe gehört die Zoey verlässt bald die Klinik.", tuschelte plötzlich ein Mädchen hinter mir. Ich drehte mich fragend um und das Mädchen namens Lisa wurde knallrot und guckte schüchtern weg. Als ich mich weiter umguckte, entdeckte ich Leyla die einsam auf der Wiese lag und stumm in den Himmel blickte. Ich entschied mich zu ihr zu gehen und legte mich stumm in ihre Nähe.
,,Wann verlässt du die Klinik?", sagte sie urplötzlich und verzog keine Miene.
,,Wer hat dir das gesagt?", fragte ich und drehte mich um auf den Bauch. Sie roch nach Zigaretten, so stark.
,,Ich weiß es doch. Du isst, du hast zugenommen. Alles gut."
Und wieder war da dieser stechende Schmerz. Nicht nur in meinen Herzen, er zog sich durch meinen ganzen Körper. Er pochte, er stach, er schrie.
,,Okay. Ich nehme eh wieder ab.", sagte ich genervt und grinste provozierend.
,,Ach, Schwachsinn. Du schaffst es eh nicht. Diese lächerliche Bratze Natalia kontrolliert dich wie eine Marinette und du merkst es nicht, du dummes Mädchen. Komm' gefälligst mal klar und lass' mich in Ruhe mit eurem Scheiß."
Sie schaute mich wütend an, schubste meinen Arm weg und schloss die Augen.
Ich war kurz davor ihr eine reinzuwürgen, aber da kam Samira auf uns zu.
,,Alles gut bei euch?"
Ich nickte und Leyla blinzelte in die Sonne.
,,Zoey beeinflusst mich negativ. Schaffen Sie sie weg, bitte."
Ich starrte sie mit offenen Mund an und war unfähig was zu sagen. Vor Wut.
,,Geht euch doch dann aus dem Weg.", sagte Samira kühl und zog mich hoch. Zusammen gingen wir zu den Anderen.

90-60-90? Eher 80-55-83Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt