Natalia und ihre "Gang"

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Als ich zur Bus-Haltestelle ging, war niemand da von meinen Freunden. Nicht mal mein Freund.
Ich setzte mich hin, tat meine Kopfhörer in meine Ohren und drehte die Musik voll auf. Nun begann ich zu planen, was ich heute noch essen würde.
Frühstück: Hmmm, ich habe nichts gegessen. In der Schule trinke ich aber dann noch einen ungesüßten Tee.
Mittagessen: Salat ohne Dressing, rohes Gemüse, Ofenkartoffeln
Abendessen: Salat
Und ich nahm mir vor heute mindestens 2l Mineralwasser zu trinken. Beim Abnehmen soll man ja bekanntlich viel trinken und außerdem sättigt es. Samstags wollte ich allerdings fasten, also nichts essen.
Fest entschlossen schrieb ich das alles noch in meine Ana-Tagebuch, das ich seit heute mit mir rumschleppen wollte.
Ich lehnte mich zurück und wartete, bis der Bus kam. Aber er kam nicht. Ich schaute schnell auf meine Handyuhr. 7:57.
Panisch stand ich auf und rannte los. Rannte geradeaus an einer riesigen Landschaft vorbei, wo niemand ist. Mir wurde allmählich heißer unter diesem dünnen Schal und der dünnen Jeansjacke. Mein Kleid flatterte um meine Beine und das kühlte mich etwas ab.
Ich rannte noch schneller, denn in der ersten Stunde hatte ich Mathematik und unser Lehrer hasste es, wenn jemand zu spät kam.
Schon vom Weiten sah ich das große, weiß-grüne Gebäude mit den ganzen Pflanzen an den Seiten. Ich war völlig aus der Puste und dachte ich würde jeden Moment umkippen. Als ich die Straße überqueren wollte, stand neben mir Natalia.
Sie grinste mich etwas fies an und flüsterte mit einem gemeinen Unterton:,,Na schon abgenommen?"
Ich nickte und grinste siegessicher.
,,Und wie viel? Ich habe bereits 2kg abgenommen. In einem Tag und die ganzen anderen undisziplinierten und unsportliche Frauen, freuen sich auf 2kg in einer Woche." Am Ende lachte sie laut los und ihr langer Pferdeschwanz wippte auf und ab.
,,Ich habe auch fast 2kg insgesamt abgenommen.", sagte ich leise und guckte weg.
,,Na dann. Mögen wir sehen, wer die Bessere ist. Du weißt ja, nächsten Donnerstag treffen wir uns bei mir und da ist Wiiiiieeeegetag." Das letzte Wort trällerte sie mit einer hohen, engelsgleichen Stimme. Mit diesem Satz verabschiedete sie sich und ging wieder zu ihren Freundinnen, die an einer Ecke standen und rauchten.
Mögen wir sehen, wer die Bessere ist.
Als ich an diesen Satz denkte, bekam ich Gänsehaut. Aber gerne, Natalia. Wir werden's ja sehen.
Genervt ging ich zur Schule, diesmal langsam. Mir war plötzlich alles egal. Mir war die Schule egal. Mir war mein Freund egal. Meine Freundinnen. Und meine Gesundheit. Als ich seufzend am Eingang stand, pfiff plötzlich jemand. Ich drehte mich um und sah Natalia, die sich streckte und mit einer Zigarette in der Hand nach mir rief. Ich lief die Treppe runter und ging zu ihr hin.
,,Kleiner Streber, du! Wir gehen jetzt ins Schwimmbad kommst du mit?", sagte sie laut und zog an ihrer Zigarette.
Oh man, ich weiß ja nicht..Einerseits würde sie mich auslachen und verspotten, wenn ich jetzt in die Schule ginge..aber Schwänzen?
,,Ich habe keinen Bikini.", antwortete ich leise.
Sie grinste und stupste ihre Freundin an mit den pinken Haaren. Ihre Beine waren ja noch dünner als die von Natalia. Und als sie sich umdrehte sah ich seitlich ihr Tattoo am Unterarm. Ein pinker Schriftzug. Ana! stand drauf.
,,Ja ja. Kein Problem, ich leihe dir einen."
Aber würde ich überhaupt reinpassen? Ein Mercedes kam an vor unserer Schule und Natalia zog mich mit schnell mit sich. Sie kreischte zusammen mit ihren Freundinnen, lachte, rauchte weiter und ich fühlte mich mehr als nur unwohl.

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