Kapitel 14

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Shinichis POV:

Ich fühlte mich beobachtet. Doch es war weder unangenehm noch beängstigend. Dennoch reichte es, um aufzuwachen. Verschlafen streckte ich mich und gähnte herzhaft, bevor ich meine Augen öffnete. Wie spät es wohl war?

Und als ich meine Augen öffnete, sah ich direkt in Kaitos Gesicht. Mir wurde ganz warm unter seinem Blick und als ich realisierte, dass ich seine Hand fest umklammerte, stieg mir augenblicklich die Röte in die Wangen. Schnell zog ich sie weg und räusperte mich.

„Guten Morgen", sagte ich mit kratziger Stimme etwas verlegen. War es überhaupt Morgen? Ich konnte die Zeit nicht abschätzen und wusste nicht, wie lange ich geschlafen hatte. Ich musste eingeschlafen sein, nachdem ich mich um unsere nasse Kleidung gekümmert und Kaito ins Bett gebracht hatte. Auch wenn ich es nicht gerne zugab, diese ganze Situation verlangte auch mir einiges an Kraft ab.

Hatte Kaito mich die ganze Zeit beim Schlafen beobachtet? Bei dem Gedanken daran fing mein Herz heftig an in meiner Brust zu schlagen. Er war nicht gegangen, sondern hier geblieben. Bei mir. Ich hatte Angst gehabt, dass er wieder auf eigene Faust weitermachen würde, nachdem er sich derart gewehrt hatte, mir zu vertrauen.

„Shinichi", meinte er dann, seine Stimme klang seltsam bestimmt. „Wir müssen reden."

Ich schluckte. Also gut.

Ich räusperte mich erneut. „In Ordnung." Er hatte ein Recht zu erfahren, was geschehen war und welche Bedeutung der Name ‚Kaito KID' eigentlich hatte. „Ich werde dir alles erzählen, jedes noch so kleine Detail. Es bleibt dir überlassen, ob du mir glaubst oder nicht."

Der Dieb nickte stumm. Ich konnte sein Verlangen nach Wahrheit deutlich spüren, aber auch die Angst, diese zu erfahren. Ich wusste nicht, was sich gestern bei dem Gewitter vor seinem geistigen Auge abgespielt hatte, aber es war definitiv kein schöner Traum gewesen. Vielleicht hatte ihn das ja dazu gebracht, mir nun ein offenes Ohr zu schenken.

Aber wo sollte ich beginnen? Nach einem kurzen Moment des Nachdenkens fing ich an zu erzählen.

„Wie du anscheinend erfahren hast, ist Kaito KID ein Dieb. Jedoch keinesfalls jemand, der anderen bei seinen Diebeszügen Schaden zufügen würde, vor allem nicht Unbeteiligten. Das, was bei deinem letzten Diebstahl geschehen ist, konnte auch von der Polizei noch nicht geklärt werden. Ich habe mich darüber etwas erkundigt, während Shiho, das kleine Mädchen, dich untersucht hat. Was ich aber sagen kann, ist, dass so etwas bisher noch nie bei einem deiner Diebstähle geschehen ist."

Ich schilderte, was die Figur Kaito KID eigentlich repräsentierte, dass er in der Tat eine Art Zauberkünstler war und dass er wohl auf der Suche nach einem ganz bestimmten Edelstein zu sein schien.

Dann erzählte ich ihm, wie wir uns das erste Mal bewusst begegnet waren, als ich noch unter dem Namen ‚Conan' unterwegs gewesen bin und auch von unseren weiteren Aufeinandertreffen. Wie zwischen uns eine Rivalität entstand, aber auch, wie wir uns gegenseitig geholfen haben, wenn es brenzlig wurde. Ich erzählte von der Zeit, als ich meinen alten Körper wiederbekommen hatte.

Es waren seitdem wenige Jahre vergangen und als nun offizieller Detektiv war es mir gelungen, weitere Informationen über den Magier unter dem Mondschein herauszufinden. So erfuhr ich, dass Kaito tatsächlich der Nachfolger eines anderen, des ersten KIDs, sein musste. Ich vermutete, dass die Person hinter KID in meinem Alter war, was sich durch Kaitos Aussehen weiter bestätigte.

Ich hatte zudem feststellen müssen, dass der Stein, nach dem KID suchte, wohl auch die Aufmerksamkeit einiger zwielichtiger Menschen auf sich gezogen haben musste, auch wenn es mir bisher nicht möglich gewesen war, mehr darüber in Erfahrung zu bringen. Hier vermutete ich eine Art Organisation, auch wenn sie nicht so stark verwurzelt zu sein schien. Ohne Zweifel waren sie an dem Tag seines letzten Diebstahls vor Ort gewesen.

Ich versuchte, keinen Punkt auszulassen. Ich wollte Kaito nicht noch mehr verschweigen, nicht, wenn es bedeutete, dass er sich vollkommen abwenden und sich in noch größere Gefahr begeben könnte.

Es hatte einige Zeit in Anspruch genommen, doch Kaito hatte zugehört. Auch wenn ich sah, dass er einen inneren Kampf austrug, der ihn unheimlich viel Kraft zu kosten schien. Ich dachte an Shihos Worte zurück, dass etwas seine Erinnerungen blockierte. Und das hatte definitiv etwas mit der Figur des Phantomdiebes zu tun, anders konnte ich mir seine Reaktionen einfach nicht erklären.

Ich redete so lange, dass mein Mund ganz trocken war und meine Beine einschliefen. Doch das war einerlei, ich erzählte weiter, bis zu dem Zeitpunkt, als ich ihn vor meinem Anwesen gefunden hatte. Ich musste ihm sagen, warum ich bisher nicht die ganze Wahrheit berichten konnte und auch, was in der Bibliothek geschehen war. Das war ich ihm schuldig.

„Der Grund, weshalb ich über deine Identität als Kaito KID geschwiegen habe, ist eigentlich ganz simpel und ich schäme mich dafür. Ich wollte dich in deiner Situation nicht überfordern. Nein, eigentlich ist das nicht das einzige. Ich denke, ich hatte Angst. Ich wollte nicht, dass du sofort versucht, wieder auf einen Diebeszug zu gehen, nicht in deinem Zustand. Ich war egoistisch. Ich wollte einen KID vor mir haben, der keine Verbrechen begeht. Ich weiß, dass das falsch war und es tut mir leid."

Ich spürte, wie mir etwas Hitze ins Gesicht stieg und räusperte mich. „Kaito. Um ehrlich zu sein, kann ich dir ab dem Zeitpunkt, als ich dich gefunden habe, nicht alles genauso detailliert berichten, denn ich weiß selbst nicht genau, wie ich das Geschehene deuten soll. Aber wenn ich es formulieren muss... Kaito", ich blickte ihm fest in die Augen. „Ich mag dich. Ich mag dich um einiges mehr, als ich dich wahrscheinlich mögen sollte. Nicht erst seit diesem einen Abend. Deswegen möchte ich bei dir sein und noch viel wichtiger: dich unterstützen.

Ich weiß nicht, was sich aus diesem Gefühl entwickeln wird, wenn ich noch mehr Zeit mit dir verbringe. Bisher hat es weder dir noch mir etwas Gutes gebracht. Denn dieses Gefühl ist der eigentliche Grund, weshalb ich dir nichts von deinem eigentlichen Dasein als Dieb erzählen konnte. Und auch, warum ich dich in der Bibliothek küssen wollte.

Wenn du mich deshalb nicht in deiner Nähe haben möchtest, verstehe ich das. Du musst nicht hier bleiben, nicht mit mir reden. Aber bitte lass mich dir helfen, dein Gedächtnis wiederzuerlangen und die Situation um deinen letzten Diebstahl zu klären."

Kaito schwieg. Ich schwieg. Jetzt war es an ihm, ob er mir Glauben schenkte oder nicht.

Mein Herz schlug vor Nervosität wie wild in meiner Brust. Ich hatte ihm alles erzählt. Wirklich alles. Was würde er also tun? Würde er mir vertrauen? Mich ihm helfen lassen? Obwohl ich ihm meine Gefühle gestanden hatte, obwohl ich ihn zuvor nicht alles wissen lassen hatte?

Ich zitterte vor Aufregung. Der Moment, bis Kaito sich regte, kam mir unendlich lang vor. Doch dann sagte er etwas.

„Shinichi", kam es leise von ihm. „Ich glaube dir. Ich bleibe hier, bei dir."

Amnesie - ShinKai (DCMK)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt