Kapitel 12

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Am nächsten Tag in der Früh packte Eric seine Sachen zusammen, checkte sich zum Bedauern der netten Hotelierin vorzeitig aus, und fuhr zurück nach München, direkt in seine Arbeit.

Er sagte, dass sein Urlaub vorbei war, bat Linner um Entschuldigung für die Differenzen in der letzten Zeit und erklärte sich bereit, sich von nun an ausschließlich den Dingen zu widmen und das zu tun, was gerade aktuell war, und keine Probleme mehr zu verursachen.

Linner zog die Augenbrauen hoch. »Wieso diese Wendung? Was ist passiert?«

»Meine Einstellung hat sich geändert. Ich wollte etwas beweisen, was es nicht geben kann, und jagte die ganze Zeit einen Hirngespenst.«

»Es freut mich, dass Sie zu dieser Erkenntnis gekommen sind. Auch wenn ich vermute, dass es kein angenehmes Erlebnis war, was Sie dazu geführt hatte. Wie dem auch sei, ich freue mich, Sie nach dem Urlaub und den neuen Erfahrungen wieder bei uns begrüßen zu dürfen.« Linner wirkte verständnisvoll und seriös, aber zeigte zugleich Freude über einen kleinen Neuanfang.

Das war ein guter Empfang. Eric fand das nett und musste widerwillig lächeln, auch wenn er sich so miserabel fühlte, wie jahrelang nicht mehr. »Diesmal wird es anders sein«, bekräftigte er seinen Entschluss, die Androiden fortan mit anderen Augen zu betrachten.

»Wir werden sehen.«

Eric ging in sein Büro aber bevor er sich mit neuer Energie in die Arbeit stützten konnte, musste er noch eine Angelegenheit dringend erledigen. Er rief den Anwalt an, um ihm mitzuteilen, dass er die Vorbereitung der Scheidungsunterlagen sofort einstellen soll, er habe sich das anders überlegt. Der Anwalt sagte, der Anruf komme gerade noch rechtzeitig. Er habe noch nichts verschickt, aber das Honorar werde er trotzdem behalten müssen, für die Bearbeitungskosten. Klar, nichts anderes hätte Eric von einer Kanzlei erwartet. Weder verschickt, noch vorbereitet, dachte er sich, als er den Anruf beendete. Aber er war dem Anwalt dafür nur dankbar.

Der ganze Tag versuchte er, in die Arbeit völlig einzutauchen und seinen rastlosen Kopf mit der Beschäftigung ganz abzulenken, um nicht an Claudia denken zu müssen. Es kostete viel Mühe und gelang nur mäßig, aber nichts Besseres ist ihm eigefallen. Eine Eskapade war das, ein misslungenes Experiment. Er musste sie schlichtweg so schnell wie möglich vergessen. Und hoffen, dass sie keinen Mist baut. Obwohl, jetzt war er für sie doch nicht mehr verantwortlich. Und eine Strafe dafür, dass man einen Androiden verantwortungslos freilässt, gab es noch keine. Also er konnte und sollte die ganze Angelegenheit völlig vergessen. Nur wenn es so einfach ginge.

Nach der Arbeit kam Eric en einem Blumenladen vorbei und kaufte einen riesigen Rosenstrauß. Dafür nahm er noch ein paar Scheine aus der Sportstasche und versprach sich gleichzeitig, mit dem Rest, der noch da war, sehr sparsam umzugehen. Dann fuhr er Richtung seine Wohnung mit der Hoffnung, er würde auch das Dritte Mal an diesem Tag Glück haben.

Er öffnete die Wohnungstür und hielt der Blumenstrauß vor sich wie ein Schild aufrecht, so dass die Rosen, und nicht Eric selbst, den ersten Blick seiner Frau auffangen. Sophie fand er im Schlafzimmer. Natürlich, beim Malen. Er wagte nicht, ihr die Blumen gleich in die Hände zu drücken und legte sie vorsichtig auf das Bett. Dann stellte er sich auf die Knien vor ihr und bat um Verzeihung. Sie brach in Tränen aus. Allmählich erhob er sich und umarmte sie. Er hatte Glück - seine Frau hat ihm vergeben. Es wird nie wieder passieren, dass er sie so verletzt, schwur er innerlich. Erst recht nicht wegen einer künstlichen Sache, einem bösartigen Spielzeug wie Claudia und ihresgleichen.

*

Vergingen die Tage, und die Tage fügten sich zu Wochen. Es kehrte eine langweilige Normalität ein, die Eric gar nicht als langweilig empfand. Die Kollegen hörten nach und nach auf, ihn nach dem Grund seiner traurigen Miene zu fragen und zu seiner Dienstreise und anschließendem Urlaub wollten sie auch nichts mehr wissen. Zu Hause war alles so gut wie wohl noch nie vorher. Sophie war sehr liebevoll und warf ihm nichts vor und Eric fand sich sehr wohl in der Rolle des musterhaften Ehemannes und fürsorglichen Vaters zurecht. Abende und Wochenenden verbrachte er mit seiner Familie. Eric und Sophie schienen gelernt zu haben, einander viel besser zu schätzen als zuvor. Er konnte zwar nicht verhindern, dass seine Gedanken ab und an zu den grellen Tagen in Rom und den Erlebnissen danach abdrifteten. Aber die Erinnerungen verbliesen mit jedem Tag immer mehr, genauso wie das brennende Verlangen nach Claudia. An selbständige Forschung dachte er auch nicht mehr. Es gab jetzt keine Hypothese mehr, die er beweisen wollte.

SeelenlosWhere stories live. Discover now