Kapitel 7

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Obwohl sie die vergangene Nacht erst spät von Petrow zurückkamen - es war in der Tat ein angenehmer und gelungener Abend gewesen – stellte Eric für den nächsten Morgen Wecker auf fünf Uhr in der Früh, damit sie es rechtzeitig zum Bahnhof schaffen, auch wenn Claudia versicherte, der Wecker sei nicht nötig.

Eric wachte noch vor dem Wecker auf. So etwas passierte ihm nur sehr selten. Denn er war keine Lerche, das morgendliche Aufstehen fiel ihm schwer und ohne Wecker ging gar nicht. Es sei denn, er war sehr glücklich. So wie jetzt. Er blieb im Bett liegen und drehte sein Kopf zur Seite. Claudia schlief friedlich daneben. Mittlerweile wusste er, dass sie üblicherweise von eins bis fünf schlief und ohne Wecker aufwachte. Er lächelte. Wie schön sie nur war! Und wie schön sein Leben seit gestern geworden ist! Jetzt gehörte Claudia ihm. Ausschließlich. Ihre Bindung an ihn war so exklusiv und umfassend, wie es keine Liebe, keine Beziehung, kein Treueversprechen und keine Ehe je ermöglichen könnten. Und das bedeutete nicht nur, dass die schönste Frau der Welt jetzt nur seins war. Es bedeutete auch, dass er damit zum potenziellen Millionär und Milliardär geworden ist. Alles, was er dafür tun musste, war bloß mittels Schlüssel die Anweisungen zu bekräftigen, die vor ihm Petrow auf eine äußerst gewinnbringende Weise einmal festgelegt haben muss. Und Claudia, so wie jeder Androide, diese Anweisungen erfüllen wird, indem sie ihre Tätigkeit im Kunstbereich fortsetzt. Sie müssen das tun - dafür werden die Androiden erschaffen. Aber wie das Zusammenspiel zwischen dem künstlichen und dem natürlichen Teil des neuronalen Systems genau funktionierte und warum die eingegebenen Algorithmen Vorrang vor den eigenen natürlichen Gedankengängen hatten, davon hatte er nur eine vage Vorstellung. Hauptsache, es funktionierte. Er nahm sich vor, sich den Schlüssel mit der Palette seiner Funktionen und Einstellungen demnächst besser anschauen. Außerdem hatte er bereits fünf Millionen in der Tasche. Nachdem Claudia in seinen Besitz überging, verlor die Frage, ob er diese Summe annehmen soll oder darf, ihre Aktualität.

Er spürte ein Gefühl der absoluten Freiheit. Ihm haben sich auf einen Schlag neue, nie da gewesene Möglichkeiten eröffnet. Er könnte jetzt, theoretisch, sich in jedem beliebigen Ort ansiedeln und alles tun, was er wollte. Ja, theoretisch. In Praxis gab es doch Beschränkungen. Wollte er, dass seine Familie zum Teil seines neuen Lebens wird oder nicht? Seine Frau würde ihm seinen Ausflug bestimmt vergeben. Oder lässt er sich doch lieber scheiden? Er wusste das noch nicht. Und mit Claudia musste er aufpassen, dass die Kommission sie auch weiterhin in Ruhe lässt. Nur gut, dass er neue Erkenntnisse für den Fall Michael Fuchs mitbringt. Aus allen denkbaren Möglichkeiten wünschte er sich im Moment am sehnlichsten so früh wie möglich mit Linner zu reden. Aber es war noch zu früh.

Der Wecker erklang und sie standen gleichzeitig auf. Als ihre morgendliche Toilette beendet war und ihre Sachen reisefertig gepackt waren, meldeten sie sich ohne Frühstück ab und nahmen ein Taxi direkt zum Bahnhof Roma Termini. Wie es sich herausstellte, kamen sie wegen der Zeitreserve zu früh an. Mit dem Straßenverkehr konnten sie sich nie sicher sein, selbst Claudia konnte da nicht besser planen als eine herkömmliche Navi. Aber jetzt kam die Zeit gerade gelegen. Also los, Zeit sich die letzte Tasse des italienischen Kaffees (wenn auch am Bahnhof) zu gönnen und vor allem Linner anzurufen. Diesmal blieb Eric ganz nah neben Claudia stehen, anstatt, wie sonst, abseits zu gehen, um seine Anrufe zu erledigen. Es war nicht einmal sieben Uhr und immer noch zu früh für Telefongespräche aber Eric meinte, seine Erkenntnisse sind so wichtig, dass sie jede Störung zu jeder Zeit rechtfertigen können. Er tippte auf Linners Namen mit dem Gefühl von Vorfreude und Aufregung. Endlich hatte er etwas Sensationelles entdeckt, endlich kann er etwas Wichtiges berichten!

»Ah, Eric, sehr gut, dass Sie anrufen. Wollte in ein paar Stunden das Gleiche tun, ich dachte, Sie schlafen noch«, meldete sich Linner mit seiner üblichen heiteren und hellwachen Stimme.

»Herr Linner, ich habe gestern sehr brisante Fakten zu unserem Fall erfahren. Ein Zeuge könnte sie sogar auch offiziell bestätigen. Ich weiß zwar nicht wie viel Ihnen davon bekannt ist, aber es lässt den ganzen Fall in einem anderen Kontext stehen. Der ganze Hintergrund der Tat hat womöglich mit...«

SeelenlosWaar verhalen tot leven komen. Ontdek het nu