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Die Bewohner von Armistice waren alle versammelt, wie eingepferchte Schafe kauerten sie auf einem Fleck, drumherum mehrere vermummte Plünderer mit ihren Maschinengewehren. In der Menge erkannte ich auch die Gesichter von Kyree und Marleigh. Ängstlich klammerte sie sich an seinen Arm und der Anblick ließ Wut in mir aufsteigen. „Wo ist Liberty?" fragte ich Ridge und schaute noch einmal vorsichtig um die Ecke herum. Er zuckte ratlos mit den Schultern. Eine plötzliche, weibliche Stimme hinter uns, ließ mich herumfahren. „Hier bin ich. Also, wie ist der Plan?" Noch nie zuvor war ich so erleichtert sie zu sehen und ich schenkte ihr eine hastige Umarmung. „Zum Glück gehts dir gut." Ihr kurzzeitiges Lächeln verwandelte sich schnell wieder in Ernsthaftigkeit. „Wie ihr vielleicht selbst gesehen habt, versuchen diese Bastarde die gesamte Stadt einzunehmen. Sie haben es irgendwie geschafft, die Wachen auszuschalten ohne dass es jemand mitbekommen hat." Ich überlegte einen Moment, da wurde es mir plötzlich bewusst. „Isaac... Er muss von innen heraus eine nach der anderen eliminiert haben." Dieser verdammte Wichser hatte mich eiskalt angelogen, die Highwaymen waren alles andere als tot, sie waren lebendiger denn je. Das wirst du noch bereuen, mein Freund, dachte ich und presste wütend die Zähne aufeinander. „Liberty, hast du noch deine Waffen vom Schwarzmarkt?" Sie nickte. „Allerdings hab ich für die Schusswaffen keine Patronen. Ich kann dir höchstens Messer und Säbel anbieten, vielleicht noch den ein oder anderen Molotowcocktail." „Das reicht. Holt euch das Zeug und sorgt irgendwie für Ablenkung. Ich bleibe hier und versuche Kyree, Marleigh und die anderen zu befreien." Ridge schien nicht ganz so begeistert von meinem Plan, willigte aber ein. „Bau keinen Mist, Bambi." meinte er etwas besorgt, bevor er mit Liberty im Schatten der Gassen verschwand.
Jetzt hieß es warten. Ich riskierte noch einmal einen Blick auf die Hauptstraße und zählte die bewaffneten Männer, die die Bewohner bewachten. Insgesamt waren es sechs, Isaac mit eingeschlossen. Wenn Liberty es hinbekam die Hälfte von ihnen abzulenken, musste ich nur noch mit dreien fertig werden. Du kriegst das hin, River. Die Stimme in meinem Kopf versuchte mich zu ermutigen, doch die Nervosität stieg mit jeder Sekunde ein bisschen mehr. Mach schon, Liberty, dachte ich angespannt. Ich wartete noch weitere fünf Minuten und plötzlich hörte ich einen lauten Knall. Im hinteren Teil der Stadt war etwas explodiert. Wie erwartet, sahen sich die Männer etwas irritiert an und drei von ihnen machten sich sofort auf den Weg in Richtung der Explosion. Das war meine Chance. Ich nahm einen tiefen Atemzug und schloss einige Sekunden die Augen.
Auf gehts.
Ich packte den Ledergriff meines Messers, sprintete so schnell ich konnte auf zwei der Männer zu, die zu meinem Erleichtern sehr nah aneinander standen und hoffte einfach nur, dass das Glück auf meiner Seite war. Bevor sie mich bemerkten und die Waffen auf mich richteten, schlitzte ich dem einen die Kehle auf und stach dem anderen im Anschluss mehrmals in den Bauch. Beide sanken auf der Stelle mit einem qualvollen Gurgeln zu Boden. Ohne abzuwarten fuhr ich herum und der einzige der jetzt noch vor mir stand war Isaac. Er neigte anerkennend, aber auf eine unheimliche Art und Weise den Kopf vor mir. „Nicht schlecht. Und was hast du jetzt vor, mich töten?" Wieder biss ich wütend die Zähne aufeinander. „Richtig geraten." erwiderte ich mit einem Zischen und stapfte auf ihn zu. Er wollte sich gerade noch eine der Waffen schnappen, die seine sterbenden Leute fallengelassen hatten, doch ich war schneller. Mit einer flinken Bewegung begab ich mich hinter ihn und presste ihm die Klinge meines Messers an die Kehle. „Wieso hast du mich angelogen?" fragte ich, während Isaac beschwichtigend die Hände in die Höhe nahm. „Ich konnte nicht riskieren, dass du Verdacht schöpfst und die gesamte Stadt warnst, bevor meine Leute eintreffen. Dann wäre unser perfekt durchdachter Plan für die Hunde gewesen." Ich schüttelte nur aufgebracht den Kopf. „Und wieso muss es unbedingt diese Stadt sein? Wieso versucht ihr nicht euer Camp wieder zurückzuerobern?" Isaac schmunzelte. „Armistice wird unglaublich schlecht bewacht, das weiß jeder. Wir mussten unsere Chancen abwägen und da lag das Einnehmen von Armistice definitiv auf der sichereren Seite." Nun gab ich ein verächtliches Schnauben von mir. „Falsch gedacht." Ich drückte die Klinge noch ein wenig fester an seinen Hals, woraufhin er nur ein amüsiertes Lachen ausstieß. „Ich denke nicht." Verwirrt hob ich eine Augenbraue, doch in diesem Moment spürte ich bereits etwas hartes, kaltes an meinem Hinterkopf. Ohne zu überlegen, wusste ich, dass es der Lauf einer Waffe war und ich schloss mit einem wütenden Knurren die Augen. Ich nahm das Messer von Isaacs Kehle, ließ es fallen und hob unfreiwillig die Arme in die Luft. Sofort entfernte sich Isaac von mir, ein kräftiger Arm schlang sich um meinen Hals und der Lauf der Maschinenpistole wanderte nun an meine Schläfe. „River!" hörte ich jemanden hinter mir rufen und an der Stimme erkannte ich Ridge. Sie hatten ihn also auch. „Ihr verdammten Wichser, das werdet ihr noch bereuen!" zischte ich und versuchte um mich zu schlagen. Dies hatte zur Folge, dass der Druck an meinem Hals stärker wurde. „Halt bitte die Klappe, ansonsten muss ich dich töten!" raunte mir mein Hintermann ins Ohr, woraufhin ich plötzlich regungslos stehenblieb. Diese Stimme...
„Cannon?" wisperte ich kaum hörbar, doch ich bekam keine Antwort. Stattdessen durfte ich zusehen, wie die Gefangenen aufgeteilt wurden, auf der einen Seite die Männer, auf der anderen Frauen und Kinder. Die Frauen wurden gemeinsam mit den Kindern in eines der Häuser geführt, unter ihnen Marleigh. „Marleigh, nein!" brüllte Kyree ihr hinterher, doch einer der Highwaymen zog ihm ungehindert und mit voller Wucht den Griff seiner Waffe über den Kopf. Der Junge verzog schmerzerfüllt das Gesicht und Blut lief aus einer Wunde auf seiner Stirn hinunter bis zu seiner Wange. Aufgebracht rief ich der Wache irgendwelche Beleidigungen entgegen, doch sofort erstickten diesen in einem jämmerlichen Krächzen, da mir der Arm am Hals die Luft abdrückte. „Halt. Die. Klappe."
Wut stieg in mir hoch, eine Art der Wut, die ich zuvor noch nie gefühlt hatte. Sie waren meine Freunde und ich konnte keinesfalls zulassen, dass ihnen etwas passierte. Nun wusste ich was Cannon damals meinte, als er sagte, Menschen die einem wichtig sind, schwächen einen. Früher wollte ich einfach nur überleben, doch mittlerweile würde ich den Tod in Kauf nehmen, wenn ich wüsste ich könnte so meine Freunde retten.

ElysiumWhere stories live. Discover now