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Lauf, sagte ich zu mir selbst. Lauf um dein verdammtes Leben. Eine finstere Dunkelheit umgab mich, sodass ich kaum meine eigene Hand vor Augen sah. Äste peitschten in mein Gesicht und hinterließen rote, brennende Striemen auf meiner Haut. Ich rannte immer weiter, so schnell, wie ich noch nie zuvor gerannt war. Meine Ausdauer ließ nach und ich merkte, wie ich langsamer wurde. Ich traute mich nicht anzuhalten und zu schauen, ob es noch hinter mir war. Plötzlich spürte ich, wie mein Fuß an einer Wurzel hängen blieb. Ich stürzte ungebremst zu Boden. Verdammt. Noch bevor ich aufstehen konnte, wurde ich von einem dunklen Schatten eingehüllt. Eisige Kälte durchfuhr meinen Körper und das Atmen fiel mir schwer, als würde der Schatten langsam durch meinen Hals in meine Lunge kriechen. Ich rang nach Luft, doch nach und nach verdunkelte sich alles um mich herum. Es war eine andere Art der Dunkelheit, vergleichbar mit dem Nichts. Meine Gedanken verschwammen, bis sie irgendwann gar nicht mehr existent waren. Ich spürte, wie das Leben qualvoll aus meinem kleinen, unbedeutenden Körper wich.

Mit einem tiefen, nach Luft ringendem Atemzug schreckte ich auf. Mein Herz raste und ich versuchte zu realisieren wo ich war. In meinem Bett, eingehüllt in meine rot-karierte Wolldecke. Ich hatte geträumt. Mal wieder. Kraftlos ließ ich mich auf mein Kopfkissen sinken, während ich die Decke über meine Schultern zog. Das war das dritte Mal diesen Monat, dass ich diesen Traum hatte und er fühlte sich noch immer so real an, wie beim ersten Mal. Seit dem war es, als würde mich den ganzen Winter über der Tod auf Schritt und Tritt verfolgen, in Form von toten Vögeln vor der Tür meiner Hütte, einem verwesten Hirschkadaver oder sogar menschlichen Knochen, die ich im Wald gefunden hatte. Allerdings redete ich mir ein, dass es reiner Zufall war, denn an übernatürliche Mächte, die auf irgendeine Art und Weise Einfluss auf mein Leben hatten, glaubte ich nicht.

Gähnend schob ich mich aus meinem Bett heraus, warf mir meinen rostfarbenen Pullover über, schlüpfte in meine dreckige, zerfetzte Jeans und in die ebenso dreckigen und abgewetzten dunklen Stiefel. Mit etwas Wasser wusch ich mein sommersprossenbedecktes Gesicht und meinen Mund aus, bevor ich mir meine braune Lederjacke anzog und mich auf den Weg nach draußen machte. Die ersten Sonnenstrahlen begrüßten mich, als ich die hölzerne Tür meiner Hütte öffnete. Ein zufriedenes Lächeln stahl sich auf meine Lippen. Der Winter war nun endgültig vorbei und der Frühling hielt Einzug in den Westlanden. Meiner Ansicht nach wurde es auch langsam Zeit. Die kalte Jahreszeit war hart und ich erinnerte mich an den ein oder anderen Moment, in dem ich beinahe zu verhungern drohte. Zum Glück würde der Frühling dies ändern. Er brachte nicht nur die Felder und Wälder zum blühen, sondern er lockte auch wohlgenährte Tiere zurück ins Tal. Ich atmete die warme Brise tief ein, die um mich herum fuhr und begann dann meine täglichen Arbeiten zu erledigen. Die Vorräte mussten sortiert, die Hintertür der Hütte repariert und der Stall meines Pferdes musste gesäubert werden. Ich beschloss mich zuerst um die Hintertür zu kümmern. Zum Glück hatte ich mir über die Zeit ein paar nicht unwichtige Handwerkskenntnisse angeeignet. Als alles wieder instand war, ging ich herüber zum Stall. „Hey Zafir." begrüßte ich den dunkelbraunen Hengst und streichelte ihm über die Stirn. „Alles klar, mein Großer?" Ich führte ihn nach draußen, schnappte mir eine große Schaufel und hievte nach und nach den ganzen Pferdemist auf Seite. Ich war recht schnell fertig und wollte gerade die Schaufel beiseite stellen, als ich plötzlich merkte, dass Zafir unruhig wurde. Er war sonst immer sehr entspannt, daher wusste ich, dass irgendetwas nicht stimmte. Ich ging zu ihm, um nachzuschauen was los war. Er tänzelte leicht auf der Stelle und warf ruckartig den Kopf nach oben. Als ich mich umsah, erkannte ich in der Ferne plötzlich mehrere vermummte Gestalten, die sich langsam in Richtung meiner Hütte bewegten. „Plünderer... Danke, dass du mich gewarnt hast, Junge." Dies war eins der Nachteile, wenn man ganz allein lebte. Plünderer oder andere Angreifer waren meist immer in der Überzahl und somit standen meine Chancen mich zu verteidigen schlecht. Zuerst überlegte ich mit dem Pferd zu fliehen, doch das wäre zu auffällig, dann hätten sie mich sofort entdeckt. Ich band den Hengst also los und jagte ihn in den Wald, da ich wusste er würde früher oder später sowieso zurückkommen. Wenigstens bekamen ihn die Plünderer so nicht. Danach schlich ich zu meiner Hütte, packte in Windeseile meine wichtigsten Sachen in einen Rucksack und ging dann zur Hintertür. Nur für ein paar Stunden musste ich mich verstecken, dann würden sie weitergezogen sein und ich könnte wieder zurück in meine geliebte, kleine Hütte. Bereits ein paar Mal hatte ich so etwas erlebt und noch nicht einmal wurde ich entdeckt. Man erzählte sich, die Plünderer seien grausame, unberechenbare Menschen, die nur für das Rauben und Töten lebten. Ich wusste zwar nicht, ob das stimmte, doch ich war auch nicht besonders heiß darauf es herauszufinden.
Ich öffnete leise die Hintertür und ging nach draußen. Ich musste mich beeilen, denn sie waren meiner Hütte schon gefährlich nah gekommen. Gerade als ich losrennen wollte, warf sich plötzlich ein Arm um mich und eine fremde, raue Hand drückte sich auf meinen Mund. „Schlechte Idee." ertönte eine Stimme hinter mir und ich versuchte wie wild mich aus dem Griff meines unbekannten Angreifers zu lösen. Beinahe gelang es mir sogar, bis er hinter mir ein Messer zückte und es mir an die Kehle drückte. „Hörst du jetzt auf dich zu wehren?" fragte er mit einem etwas genervten Unterton. Langsam bekam ich Panik und mit einem vorsichtigen Nicken beantwortete ich die Frage. „Gut." zischte er, bevor er mich um die Hütte herumführte, wo bereits die anderen Plünderer warteten. „Ich hab ja gesagt, die Hütte ist nicht unbewohnt." meinte einer von ihnen. Zwei andere gingen nun los und durchsuchten alles. Es dauerte nicht lange, da kamen sie mit einem vollen Rucksack und zu meinem Schock auch Zafir im Schlepptau zurück. Meine Augen weiteten sich und erneut versuchte ich mich loszureißen. „Nicht Zafir!" brüllte ich durch die Hand meines Angreifers hindurch und verpasste ihm einen Hieb mit meinem Ellbogen. Dieser fluchte etwas Undeutliches vor sich hin, dann presste er das Messer noch fester an meinen Hals, so fest, dass es mir schon beinahe in die Haut schnitt. Ein anderer kam herbei und fesselte mit einem Seil meine Hände. Ich hörte nun langsam auf mich zu wehren, denn ich realisierte, dass ich gegen sechs Männer wohl kaum eine Chance hatte. Verzweifelt blickte ich zu meinem Pferd. Auch, wenn er nur ein Tier war, war er das Wichtigste in meinem Leben. Er war schon jahrelang an meiner Seite und noch dazu fast die einzige Gesellschaft, die ich die ganze Zeit über hatte. Ich musste mir unbedingt überlegen, wie ich uns beide unversehrt hier herausholen könnte.

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