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Ives

»Was habt ihr euch dabei gedacht?«, fragt der Fremde erbost und mustert abwechselnd mich und den kleinen Jungen, der den Tränen nahe ist.

»Das wollten wir nicht, Finn«, schluchzt der Junge.

Der Fremde seufzt entrüstet, hockt sich auf den Boden und umarmt ihn. »Es tut mir leid, dass ich böse reagiert habe. Ich weiß, dass du noch nicht so gut im Eislaufen bist.«

Ich verdrehe die Augen und werfe mich auf den Stuhl. »Noch dazu wart ihr im Weg. Warum bleibt ihr auch Mitten am Eis stehen? Das ist gefährlich.«

Der Typ hebt den Kopf und funkelt mich warnend an. Seine Stimme ist jedoch ruhig und bemüht. »Das stimmt. Das war unser Fehler, aber in Zukunft müsst ihr beide darauf achten, dass ihr nicht einfach so jemanden anfährt.«

Bevor ich noch etwas daraufhin erwidern kann, betritt Jonas das Wartezimmer. Erschöpft hebt er die Hände. »Ist das mein Weihnachtsgeschenk?«

»Tut mir leid«, murmle ich reumütig.

Der Kleine löst sich eilig von dem Mann und umarmt Jonas, welcher überrumpelt den weinen Jungen zuhört.

»Es tut mir auch leid. Ich habe deinen Finger abgeschnitten«, heult er und vergräbt sein tränennasses Gesicht in dem Pullover von Jonas.

»Quatsch. Ist doch nur ein kleiner Schnitt, der genäht werden musste«, murmelt mein Mitbewohner und sieht zu mir auf. »Aber wegen dir habe ich eine Radiusfraktur. Meine Knochenfragmente mussten reponiert werden. Ich hasse dich.«

»Auch eine Gehirnerschütterung?«, fragt Finn vorsichtig.

Eilig schüttelt Jonas den Kopf. »Nein. Mir wird nur schlecht, wenn ich mein eigenes Blut sehe.«

»Ist dir immer noch schlecht?«, fragt er fürsorglich und reicht Jonas eine Flasche, die dieser zwar beäugt, aber nicht annimmt. Kurz darauf erhellt sich das Gesicht des Mannes und er lacht peinlich berührt. »Tut mir leid. Da habe ich wohl eben nicht besonders mitgedacht.«

»Wir haben auch noch Kekse«, sagt Sebastian und reicht Jonas einen Keks. »Aber du darfst nicht noch einmal speiben.«

»Werde ich nicht. Danke«, sagt Jonas und lehnt sich an die Wand. Er sieht mitgenommen aus. Enttäuscht, dass unser Tag so gekommen ist, schultere ich unsere beiden Rucksäcke und sehe mich nach dem Ausgang um, in der Hoffnung, schnell von hier abhauen zu können, bevor Finn noch auf die dumme Idee kommt, Jonas seine Nummer zu hinterlassen.

Leider bin ich zu spät dran. Finn zieht sein Handy aus seiner Hosentasche und hebt es fragend hoch. »Vielleicht möchtest du ja Nummern austauschen? Ich könnte dir anbieten, deine Einkäufe zu übernehmen oder für dich zu kochen.«

»Dazu bin ich ja noch da«, sage ich und sehe auf ihn herab. »Jonas und ich wohnen zusammen.«

»Ja, aber du musst morgen zu deinen Eltern fahren. Sie warten schon auf dich«, sagt Jonas erschöpft und zählt die Zahlen seiner Telefonnummer auf, damit Finn sie eintragen kann. Aus freundlichen Gründen ruft er Jonas an, damit dieser auch seine Nummer hat.

Mit großen Augen sieht der kleine Junge zu Jonas auf. »Ehm...möchtest du vielleicht Puji haben? Der hilft mir immer, wenn es mir nicht gut geht.«

»Nein, danke. Behalte ihn lieber für dich! Ich besitze zurzeit Katzen. Da wäre Puji nicht sicher«, erklärt ihm Jonas.

Lächelnd betrachte ich ihn dabei. Auch wenn Jonas es niemals zugeben würde, kann er wirklich gut mit Kindern umgehen. Er streicht dem Jungen über den Kopf, ohne ihn dabei mit der verletzten Hand berühren zu müssen.

Ein in Karamell getauchter BackenzahnOnde histórias criam vida. Descubra agora