Kapitel vier

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Nachdem sie sich im Traum zum zichsten Mal beide Beine gebrochen hatte, schreckte sie aus dem schlechtesten Schlaf Menschengedenkens. Sie hatte dieses Mal die Flügel gewählt. Ihre Brust war durchspießt worden. Von einer unsichtbaren Klinge, wurde ihr Herz in zwei gespalten. Wieder und immer wieder. Sie wusste nicht, wie lange sie das noch aushalten konnte.
Stöhnend fasste sie sich an den pochenden Schädel und blinzelte gegen das grelle Licht. „Lex?"
Sie drehte den Kopf ein Wenig und sah in Emmets besorgtes Gesicht. „Wie geht's dir?"
„Außer höllischen Kopfschmerzen, ganz gut. Warum?"
„Du warst Bewusstlos. Ist sicher alles okay?", die Sorgenfalte auf seiner Stirn trat auf und sie lächelte, um ihn zu beruhigen. „Ja, wirklich. Ich war bewusstlos?" Sie setzte sich auf und lehnte sich an das unbequeme Bettgitter, im hässlichen Krankenzimmer der Schule. Die Schulkrankenschwester war nirgends zu sehen.
„Ja. Erinnerst du dich was passiert ist?", wollte er wissen.
Eine Weile starrte sie die schwarzen Converse an und grübelte. „Nein... Nicht wirklich. Mr. Mayer hat mich aus dem Unterricht rausgeschmissen", verdrehte sie die Augen und warf ihm einen Seitenblick zu. „Weil ich noch ziemlich aufgewühlt von den gestrigen Informationen bin. Ich sollte zur Schulleitung und dann... Das wars".
Ihre Gedanken kreisten und spielten den Moment immer wieder ab. Doch es ging nie weiter, als bis sie auf den Gang hinausgelaufen war. Danach schien sie gegen eine Wand zu laufen. Eine dunkle, harte Wand. Verwirrt blickte sie auf.
„Schwester Edith sagte, du hattest dir wahrscheinlich beim Fallen den Kopf angeschlagen. Deshalb die Kopfschmerzen", seufzte er und strich ihr über die Haare. Sie atmete tief durch. „Wer hat mich hergebracht?"
„Weiß ich leider nicht", schüttelte er den Kopf. „Und Schwester Edith auch nicht, die Person hat dich anscheinend hier aufs Bett gelegt, während sie sich um eine blutende Nase kümmern musste".
Ihr grauste vor der nächsten Antwort. „Wer weiß, dass ich Ohnmächtig war?"
Er bedachte sie mit einem vorsichtigen Blick. „Nur der Kurs, in dem ich gerade war. Sie hat mich geholt und gesagt, dass du Ohnmächtig in ihrem Krankenzimmer liegst..."
Stöhnend legte sie die Hände über die Augen. „Also weiß es die ganze Schule!"
„Das ist halb so wild, Lex", murmelte er aufmunternd.
„Für mich nicht Emmet und das weißt du". Ihr Magen zog sich zusammen, bei dem Gedanken das Zimmer zu verlassen. Trotzdem wollte sie nichts lieber als nach Hause. Seufzend stand sie auf und sah sich um. Ihre Sachen lagen ordentlich neben dem Bett. Sie hob diese auf und drehte sich zu Emmet. Er sah sie zögernd an.
„Ich will nach Hause".
Er nickte und ging voraus, da er genau wusste, dass sie ungern voraus lief. Bis zum Parkplatz hatte sie den Blick auf Emmets Fersen gerichtet, trotz dessen spürte sie die Blicke und hörte das Gekicher. Diese vermischten sich jedoch immer wieder mit boshaften Kommentaren von Emmet und verstummten daraufhin. Jeder hatte Angst vor ihm und das wusste er. Dieses eine Mal dankte sie ihm im Stillen sogar dafür. Im Auto atmete sie aus, als hätte sie die ganze Zeit über die Luft angehalten.
„So, so. Ich muss also wegen dir die Schule schwänzen", hob er kritisierend die Brauen und startete den Motor. Sie sah ihn empört an. „Was? Nein! Warum?"
„Na, du darfst nach Hause. Von mir war aber keine Rede", grinste er. Sie hielt seinen Arm fest. „Dann fahr zurück, na los. Ich nehme den Bus".
Er schnaubte nur belustigt. „Nein".„Emmet!"
„Keine Lust", zuckte er die Achseln und verkniff sich sichtlich ein Lachen. Sie verdrehte die Augen und diskutierte nicht.

Nachdem sie sich umgezogen und gegessen hatte, spazierte sie in Emmets Zimmer. Er saß auf dem Sofa und starrte mit dem Controller in der Hand auf sein Flachbildfernseher, nur kurz sah er auf. „Was gibt's?"
Sie setzte sich auf sein Bett und sah ihn von der Seite aus an. „Hast du Bücher oder Aufzeichnungen? Über..., du weißt schon".
„Nein, da muss ich dich leider enttäuschen, Schwesterherz. In der Bibliothek soll es aber eine Abteilung geben, nur mit solchem Zeugs. Aber du musst aufpassen, nicht alles stimmt, was die Menschen niedergeschrieben haben", meinte er abwesend.
„Bibliothek?!", fragte sie ungläubig.
„Dort gibt es teilweise Bücher, die nicht mehr zu kaufen sind. Und im Internet steht einiges, aber auch nicht wirklich alles. Wenn du dich also so gut wie möglich informieren willst...", er sprach nicht weiter, denn seine volle Konzentration galt erneut dem Spiel. Trotzdem wusste sie was er meinte. Seufzend stand sie auf. „Na gut".
Da sie jedoch für den heutigen Tag genug Menschen gesehen hatte, beschloss sie alle Dokumentationen über die griechische Mythologie anzuschauen, die es gab. Was sie dann auch tat bis sie verwirrt aufsah, da Emmet die Tür ein Wenig zu laut ins Schloss fallen gelassen hatte, als wahrscheinlich beabsichtigt. Er wollte sich hinausschleichen. Schon wieder. Mit zusammengekniffenen Augen, sah Lexi aus dem Fenster, konnte ihn jedoch nirgends vom Haus weglaufen sehen. Neugierig ging sie nach unten und hörte Stimmen im Garten. Wut überkam sie, als sie durch das kleine Fenster in der Hintertür, goldene Blitze über dem Gras schweben sah.
Ohne zu zögern stieß sie die Tür auf. „Emmet, geh nicht!"
Wind kam um ihn herum auf, so wie auch um den riesigen Mann vor ihm. Er starrte sie an, als sie auf die Veranda trat. Überraschung stand ihm deutlich ins Gesicht geschrieben. Verwirrt schaute er zwischen ihr und Emmet hin und her, als dieser sie entschuldigend ansah. „Es tut mir leid, Lex". Seine Stimme klang traurig und Angst spülte ihre Wut hinfort. „Ich will nicht, dass du gehst. Bitte. Was soll ich Dad sagen? Was soll ich ohne dich in der Schule machen? Wie lange wirst du weg sein?" Tränen verschleierten ihre Sicht und sie ging weitere Schritte vor, so dass der Wind ihre Haare herumwirbelte. „Werde ich dich wieder sehen?"
Sie verstand das alles nicht, obwohl er es erklärt hatte. Doch es musste eine Halbwahrheit gewesen sein. Irgendetwas fehlte in der ganzen Geschichte. Irgendetwas stimmte nicht. Wo er hinging, zum Beispiel, hatte er nicht gesagt. Emmet schien die ganzen Fragen in ihrem Gesicht abzulesen und sah sie entschuldigend an, da er wusste er würde ihre Fragen nicht beantworten können. Sie ballte die Fäuste. Doch wenigstens beantwortete er die wichtigste Frage. „Natürlich werde ich zurück kommen. Wir werden uns wieder sehen, versprochen", nickte er und sie glaubte ihm.
Der Wind wurde lauter und heulte. Blitze durchzuckten den Tornado der sie umgab und dann war er fort. Und sie war alleine, mit den Tränen die ihr über die Wange liefen.

Dark Halo - Asche & LichtTahanan ng mga kuwento. Tumuklas ngayon