Kapitel fünf

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Dank ihrer Mitschüler, bekam Lexi mit, dass die Neuen die Stadt nicht verlassen hatten und heute zur passenden Uhrzeit vor der Schule gesichtet worden waren. Den ganzen Tag darauf bedacht, einen Bogen um sie zu machen, versteckte sie sich in den Massen auf den Gängen. Leider hatte sie jedoch einige Fächer, mit einzelnen von ihnen, was ihr Übelkeit bereitete. In Englisch setzte sie sich ganz nach hinten, da sie die Zwillinge nicht im Rücken haben wollte. Stattdessen hatte sie den Jungen vor sich und das Mädchen einen Tisch weiter links. Sie kam sich umzingelt vor, was völlig idiotisch war. Sie schienen sie gar nicht zu bemerken und schrieben fleißig mit. Sie saß, angespannt und regungslos bloß da und lauschte der Stimme von Mr. Egle.
Als der Unterricht beendet wurde, packte sie so langsam wie möglich ihre Sachen zusammen, so dass alle anderen vor ihr den Raum verließen.

Sie saß schon in Biologie, die Klasse war zur Hälfte versammelt, als der grünäugige den Raum betrat. Die Mädchen verstummten und starrten ihn sabbernd an, wobei sie sich fragte ob es ihnen den nicht peinlich sei. Ihre Gedanken verschwanden jedoch, als er langsam auf sie zuging. Sie verkrampfte und umklammerte den Stuhl, bis er knackte und ächzte. Sie wusste nicht warum, doch bei ihm hatte sie das Gefühl er würde sie abstechen, auch wenn sie vor hunderten Augenzeugen standen. Sie starrte ihn nun ebenfalls an, jedoch alles andere als begeistert. Sie biss die Zähne zusammen, um zu verhindern, dass sie klapperten. Doch er ging an ihr vorbei, ohne sie beachtet zu haben. Er hatte sie keines Blickes gewürdigt. Sie atmete aus.

Da es Freitag war, hatte Lexi um zwölf aus. Erleichtert die erste Woche nach den Sommerferien hinter sich gebracht zu haben, schlenderte sie zum Spind, um ihre Bücher, für die nötigen Hausaufgaben zu holen. Die Gänge waren fast leer, da Ms. Wilson sie nach vorne zitiert hatte, während alle anderen schon nach draußen gestürmt waren. Nachdem sie Lexi gebeten hatte, sich mehr zu konzentrieren und auf die Noten zu achten, da es nur noch ein Jahr war, bis zum Abschluss, durfte sie schließlich auch gehen. Lexi mochte sie, also hatte sie vor ihre Bitte zu beherzigen.
Die Bücher verstaut und einen Ordner unter dem Arm geklemmt, lief sie hinaus. Es war unnatürlich ruhig und nur noch wenige Autos zu sehen, man hörte nur ihre schnellen Schritte auf dem nassen Asphalt. Sie wurde dieses Gefühl seit Tagen nicht los und es machte sie rasend. Als hätte sie jemand in einen Käfig gesteckt und sie hatte keine Möglichkeit sich zu bewegen. Als würde sie offen auf einem Serviertablett liegen und nichts dagegen tun können.

Eine Stunde später hatte sie gegessen und die Schuluniform gegen Arbeitskleidung getauscht, als das Handy klingelte.
„Ja?", ging sie, in dem Wissen ran, dass Dorian auf der anderen Seite war.
„Hallo, Liebling. Kannst du mir einen Gefallen tun bevor du ins Cafe kommst?"
„Ja. Welchen?", erwiderte sie und schaltete auf Lautsprecher, um sich einen hohen Pferdeschwanz zu binden, das Haar das ihr über den Rücken fiel, flocht sie zusammen.
„Kannst du noch zum Supermarkt und ein Paar Sachen holen? Der Lieferant sollte heute kommen, aber irgendwas ist am Hafen gewesen, jetzt kommt er erst morgen", seufzte er.
Nachdem sie aufgeschrieben hatte, was Dorian benötigte um zwei bestellte Torten, für eine Geburtstagsfeier zu backen, zog sie die schwarze, dicke Winterjacke an und verließ das Haus.

Der Walmart schien aus allen Nähten zu platzen, wie jeden Freitag. Sie hatte noch nie verstand, wieso die Leute alle am selben Tag einkaufen mussten. Unmotiviert schnappte sie sich einen Einkaufswagen und lief in die trockene wärme. Heulende Kinder mit ihren erschöpften Mütter, genervte Menschen und lachende Teenager liefen herum. Sie ging stur die Einkaufsliste. Wie immer entgingen ihr jedoch die Blicke nicht. In dem Gang wo Backmischungen, Mehl und ähnliches waren, suchte sie eine gefühlte Ewigkeit nach Zimt, als sie eine vertraute Stimme wahr nahm. Mit geweiteten Augen drehte sie sich in die Richtung, doch Quinn und ihr Gefolge hatten sie noch nicht entdeckt. Als sie sah, dass Finn ebenfalls dabei war, gefror ihr das Blut in den Adern. Sie ließ den Wagen stehen und lief hastig um die nächste Ecke, nur um sich dann zu verstecken und zu beobachten, wie sie lachend weiterschlenderten.
Sie löste die bleichen Hände aus den geballten Fäusten und stellte nüchtern fest, dass sie zitterten. Sie atmete tief durch und tastete nach ihrer Kette.
„Hey. Ist alles in Ordnung?"
Sie wirbelte erschrocken herum und starrte in große, dunkelbraune Augen. Zögernd nickte sie.
Die kleine Frau, die in Dorians Alter sein musste und Lexi gerade so bis zur Schulter reichte, hatte blondes glattes Haar und musterte sie, als wüsste sie dass sie log.
„Du bist ganz blass. Bist du sicher, dass alles okay ist?"
Sie wusste nicht, warum sie unbedingt vor einer fremden Frau, mitten im Supermarkt, einknicken musste, doch sie schüttelte den Kopf. Sie kam mir vor wie ein verängstigtes Kind. Die Frau legte ihr, mit besorgter Miene, eine Hand auf den Oberarm. „Kann ich was für dich tun?"
„Nein", fand sie endlich ihre Stimme wieder und lächelte zögernd. „Wirklich". Sie musterte sie fragend. „Hm, sah aber nicht gerade so aus, als du dich vor diesen Jugendlichen versteckt hast. Hast du Angst vor ihnen?"
Sie schnaubte unabsichtlich. „Das wäre noch aushaltbar".
„Wie meinst du das", ehrlich interessiert und besorgt runzelte sie die Stirn. Lexi wusste nicht wer sie war, aber sie hatte bestimmt Kinder, so wie sie reagierte. Und noch weniger verstand sie, wieso sie ihr erzählt hatte, warum sie sich gegenüber Quinn und ihr Gefolge so verhielt. Sie weitete geschockt die Augen und sah sich suchend um. „Wie bitte? Ich knöpf mir diese Bande vor! Wissen deine Eltern denn davon?".
„In gewisser Weise, ja", zuckte Lexi die Achseln und musste schmunzeln. „Aber ist schon okay. Das geht schon eine Weile so".
Sie schüttelte den Kopf. „Nein, das ist alles andere als okay. Du solltest dich nicht so behandeln lassen. Das geht gar nicht. Und wieso...", sie verstummte, als ihren meinen Blick sah. „Tut mir leid... Mutterinstinkt", lächelte sie und zuckte die Achseln.
„Schon okay", grinste Lexi. Sie lachte in sich hinein, wurde dann jedoch wieder ernst. „Aber ehrlich, mach was dagegen. Mobber sollten mit diesem Mist nicht durchkommen".
„Ich versuchs", log sie und nickte dankend. Eine Stille breitete sich aus und die Realität drang wieder an ihre Ohren. Bevor dieses Schweigen unangenehm wurde, zeigte die Frau über sie und grinste erneut. „Könntest du mir die Erbsen reichen?
Lexi drehte sich herum und erkannte, dass sie ihr den Weg versperrt hatte. „Oh mein Gott, das tut mir so leid", stammelte sie und reichte ihr, das was sie wollte. Sie winkte lachend ab. „Ach was, das macht überhaupt nichts. Außerdem wäre ich ohne dich, sowieso nicht ran gekommen. Vielen Dank".
Sie nickte, die Frau war wirklich ziemlich klein. „Gerne".
„Eigentlich sollte mir mein Neffe helfen, deswegen habe ich ihn mitgeschleppt, aber er hat sich in Luft aufgelöst", zuckte sie die Achseln und Lexi lachte leise, bemerkte das Kribbeln im Nacken erst als jemand ihr die Sicht zur Frau versperrte. Er hatte sich vor sie geschoben, so dass sie fast komplett hinter ihm verschwunden war. Lexi schaute verwirrt und zugleich wie erstarrt zu ihm auf. Die Frau bemerkte ihn erst, als er etwas sagte „Joanna, was machst du da?"
Überrascht drehte sie sich herum und lächelte, er sah es jedoch nicht. Denn sein Blick lag emotionslos auf Lexi. Nur seine angespannten Gesichtszüge deuteten darauf hin, was er zu fühlen schien.„Nichts. Ich unterhalte mich bloß mit diesem wunderschönen Mädchen", grinste sie und zwinkerte ihr zu. Lexi tat es leid, dass sie nichts erwiderte, doch Angst machte sich in ihr breit. Er war derjenige, der das Messer geworfen hatte. Der mit den goldenen Augen. Und diese freundliche Frau sollte mit ihm Verwandt sein.
Er schien genau zu wissen, woran sie dachte und kniff die Augen zusammen. Sie trat hektisch zurück, stieß jedoch bloß gegen das Regal und eine Dose fiel zu Boden. Die Frau trat vor. „Oh, pass auf. Was..."
Sie streckte eine Hand aus, doch er hob den Arm und hielt sie zurück. Fast schon beschützend.
Verwirrt schaute sie zu ihm auf, doch niemand war verwirrter als Lexi. Sie vermied seinen Blick, warf stattdessen der Frau ein dankendes Lächeln zu. „Ich muss gehen".
„Gute Idee", meinte er tonlos, doch sie war schon wieder bei dem Einkaufswagen und eilte davon.

In Gedanken versunken wischte sie einen Tisch ab, als Sid ihr auf die Schulter schlug. „Hallo, meine Königin. Wie geht's?" Grinsend schwang sie sich auf den Stuhl. Lexi musste schmunzeln. „Gut und dir?"
Sie ignorierte die Frage und runzelte die Stirn. „An was denkst du?"
Lexi lief zum nächsten Tisch, um ihn abzuwischen, jedoch kamen schon wieder eine Gruppe Gäste hereinspaziert. Heute würde wieder die Hölle los sein.
„An die Neuen in der Schule. Sie jagen mir eine Heiden Angst ein", murmelte sie. Sid stemmte die Hände in die Hüfte und winkte die Gäste ab, die nach ihr riefen.„Was? Warum? Ich habe sie gesehen", grinste sie. „Sie sind heißer als die Sonne. Wäre ich nicht auf dem College, dann...", sie machte einen eindeutigen Gesichtsausdruck und Lexi unterbrach sie. „Ja, schon okay. Ich kann's nicht mehr hören. Aber nur weil sie gut aussehen, sind sie nicht perfekt. Die sind komisch und... gefährlich". Sie ging um die Bar herum und warf den Lappen in die Spüle.
„Was meinst du damit?", sie lehnte sich ihr gegenüber auf dem Tresen ab.
Lexi senkte den Blick und schüttelte den Kopf. „Ach keine Ahnung. Nur so ein Gefühl".
Sid machte ein nachdenkliches Gesicht und setzte an, wurde jedoch von dem Gast unterbrochen. „Ich komme ja schon!", rief sie.
Lexi lächelte und nickte, als sie hineilte.

„Hey, was kann ich euch bringen?", fragte sie freundlich, ließ sich nicht anmerken, dass sie müde war und hielt den kleinen Block bereit. Die vierer Gruppe hatte sich bis dahin unterhalten und blickte sie nun an. Sie kannte sie vom sehen, da sie natürlich in dieselbe Schule gingen wie sie selbst. Jedoch waren sie im Abschlussjahr, mit Emmet.
„Eine große Cola und eine Pizza Salami, bitte", antwortete eines der beiden Mädchen freundlich. Lexi nickte.
„Eine Sprite, ein Classic Hamburger, Pommes und deine Nummer", er grinste dümmlich und sie musste sich beherrschen nicht die Augen zu verdrehen, während sie seine Bestellung aufschrieb. „Die ersten drei gehen klar, das letzte bedauerlicherweise nicht", lächelte sie gezwungen. Er sah sie bestürzt an, jedoch musste er sich ein Grinsen verkneifen. Sein Getue ging ihr auf die Nerven. Schlimmer war der empörte Blick des anderen Mädchens neben ihm.„Sicher? Wir könnten eine Menge Spaß miteinander haben, Puppe", gab er überzeugt von sich, als würde er damit jedes Mal jemanden damit rumgekommen. Sie holte tief Luft, als sein Kumpel anfing zu lachen und das Mädchen neben ihm sie zornig anfunkelte. Sie betrachtete Lexi kritisch vom oben bis unten und kniff die Augen zusammen. „Gab es das Oberteil nicht in deiner Größe, oder was?", zischte sie, worauf Lexi sie zuerst verwirrt ansah. Das Shirt passte, so wie immer. Erst nach Sekunden verstand sie was los war.
„Halt dich fern von ihm, du Schlampe! Wir wissen alle, dass du ein verdammter Freak bist!"
Sie erstarrte, versuchte es sich nicht anmerken zu lassen. Ihre Hände fingen jedoch an zu zittern und ihr Magen verkrampfte sich schmerzhaft, während der Typ die Klappe hielt und der Kumpel weiterhin laut lachte, das besagte Mädchen stimmte mit ein. Wut überkam sie, die sie versuchte zu unterdrücken, indem sie sich auf die Arbeit konzentrierte und das Gekicher so gut wie möglich ignorierte.

Der Tisch war nach fünfzehn Minuten vollständig bedient und sie zog sich hinter die Theke zurück, wo sie die Gläser langsamer als nötig in die Spülmaschine räumte.
„Hey, Königin. In zwei Stunden Feierabend! Ich kann nicht mehr. Ich hasse Menschen, ehrlich... Hey, alles okay?"
Als sie aufsah blickte sie in Sid's besorgte Miene. „Ja, warum?".
Sie zog ihre gepiercte Braue nach oben.„Ich sehe doch dass etwas nicht stimmt. Hat dich jemand angegraben?!", sie sah sich mit prüfenden Augen um. Lexi musste schmunzeln. „Nein. Wirklich. Nur ein idiotischer Kommentar von einem Mädchen", zuckte sie die Achseln.
„Hm... Die Barbie da hinten, bestimmt", murmelte sie und blickte in die richtige Richtung. Lexi nickte. „Ja. Aber ist nicht der Rede wert".
Sie verdrehte die Augen und wendete sich wieder ihr zu. „Mach dir nichts draus, du schüchterst sie nur ein".
Sie runzelte die Stirn. „Ich würde niemals jemanden einschüchtern".
Sid lächelte in sich hinein. „Nicht so. Ich meine sie sind wegen dir eingeschüchtert. Wegen deinem Aussehen, deiner Ausstrahlung. Und die Blicke die dir ihre Partner zuwerfen, oder auch hinterher...". Sie lachte, als Lexi sie weiterhin verwirrt anstarrte. „Oh man. Du bist scharf, okay. Heiß, brennend heiß, Mädchen", sie grinste. „Wäre ich lesbisch, würde ich meine Hände in deiner Anwesenheit nicht bei mir behalten können".
Lexi kicherte so lange in sie hinein, bis sie keine Luft mehr bekam und sie einige Kunden anstarrten. Sie sagte dazu nichts, denn dass hatte Sid schon einige Male behauptet und jedes Mal lachte sie sie aus.
Sie schüttelte den Kopf und seufzte. „Und wäre ich ein Mann, puh... Ich würde dich vögeln bis in den Morgen".
Ihr Lachen wurde lauter, Tränen traten ihr in die Augen. „Hör auf, bitte", schniefte sie. Sid grinste immer noch und wendete sich ab. „Wenn du nur wüsstest".

Dark Halo - Asche & LichtWhere stories live. Discover now