Kapitel neun

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Sie fühlte sich eigenartiger weise nicht unwohl, als sie auf der Terrasse der Villa stand und den „Garten", begutachtete, der eher aussah wie ein Trainingslager. Es waren große Kisten überall verteilt, in denen Waffen gelagert waren, Zielscheiben standen abseits. Speere steckten im Boden und das Gras war teilweise platt getreten oder komplett abgeschabt. Die Terrasse jedoch war wunderschön, mit einer Nische und einem kleinen Tisch, in der Zoe saß und schlürfend ihren Eistee genoss. „Lexi! Komm", rief Angelo über den Rasen hinweg und winkte. Seufzend ging sie die wenigen Stufen hinab. Ehrlich gesagt wusste sie nicht genau, warum sie sich darauf eingelassen hatte sich von dieser Familie trainieren zu lassen. Sie war immerhin ein Mensch. Doch Phoenix hatte vermutlich recht. Sie musste lernen sich zu verteidigen, wenn noch mehr wie Xeno kamen. Also war sie nun hier und ließ sich von Angelo zeigen wie man mit Pfeil und Bogen umging. Hudson saß auf einer der Kisten. Angelo stellte sich in Position, erklärte ihr warum er sich so platzierte wie er es tat. Die Sonne ging hinter dem Horizont unter, spiegelte sich auf dem glatten Meer und warf Angelo in eine goldene Silhouette. Er erinnerte sie an eine Statue.
„Sicher dass du nicht von Adonis abstammst?", fragte sie, bevor sie darüber nachdenken konnte und wurde rot, als Angelo sie angrinste. Hudson hinter ihnen kicherte in sich hinein.
„Sehr sicher. Aber anscheinend sehe ich Apollon sehr ähnlich", meinte er.„Wieso Apollon?", sie durchforstete ihre Erinnerung, doch nichts über diesen Gott.
„Also, ich weiß ja nicht wie viel Leonidas dir bis jetzt gesagt hat, aber wir stammen von Poseidon ab. Mein Vater und sein Zwilling, Onkel Leonidas, Tante Agape und Onkel Heron, Phoenix' Vater, sind die Kinder von Poseidon. Und ihre Mutter, unsere Großmutter, war ein Halbblut. Sie stammte von Artemis", erklärte er langsam, damit sie mitkam. Sie versuchte es. „Artemis ist also eure Urgroßmutter".
„Genau. Und ihr Zwillingsbruder war Apollon. Und ich sehe ihm sehr ähnlich", widerholte er. „Es kommt zwar relativ selten vor, aber es passiert immer wieder dass Nachkommen wie ihre göttervorfahren aussehen".
Sie runzelte die Stirn. „Interessant... Und wem siehst du ähnlich?", wendete sie sich an Hudson. Dieser grinste schellmisch. „Es reicht, dass ich aussehe wie ich".
Sie verkniff sich ein Schmunzeln und konzentrierte sich auf ihr Training.

~

Zoe summte ununterbrochen vor sich her, doch es störte Kleo nicht. Sie beobachtete das Menschenmädchen schon eine ganze Weile und wurde nur sicherer ihrer Meinung, dass sie nicht hergehörte. Sie hatte noch kein einziges Mal die Mitte der Zielscheibe getroffen. Erbärmlich.
Sie verstand nicht, warum ihr Bruder seine Zeit mit ihr vergeudete. Oder ihre Cousins. Oder überhaupt ihre ganze Familie. Selbst Zoe schien sie zu mögen. Mit verschränkten Armen ging sie hinunter und setzte sich neben Hudson. Nur dieser bemerkte sie. Seine Aufmerksamkeit richtete sich jedoch sofort wieder auf das Mädchen. Kleo kam nicht umhin, wohin seine Augen immer wieder hinwanderten und stieß ihm mit dem Ellenbogen in die Rippen.„Perversling".
„Ich kann nichts dafür, ich bin ein Mann".
Für diesen dämlichen Spruch, hätte sie ihm am liebsten die Rippen gebrochen.

„Du schaffst das. Du hast in der kurzen Zeit, mehr erreicht, als ich erwartet habe", sagte Angelo zu Alexandra. Diese blickte mit zusammengekniffenen Augen wütend zur Zielscheibe, als wäre sie schuld daran, dass sie unfähig war.
„Ich habe den Rand getroffen, Angelo", zischte sie. Kleo grinste in sich hinein. Das Menschenmädchen war also doch nicht nur dieses schüchterne, kleine Ding, was sie vorgab zu sein.
„Ja, das sind aber siebzig Meter", erwiderte Angelo und hob eine Braue. Stimmt, die Zielscheibe war so weit entfernt. Das Menschenmädchen dürfte nicht einmal den mittleren Punkt erkennen.
Das Holz des Bogen knackte, als sie ihre Faust fester darum schlang.
„Du schaffst das", widerholte Angelo. „Und wenn es nicht heute ist, oder auch nicht morgen, ist es auch nicht schlimm. Das muss man eben trainieren".
Seine Worte schienen sie zu beruhigen. Seufzend ließ sie den Bogen sinken, nachdem sie den letzten Pfeil abschoss und den äußersten Ring traf. „Na gut".
„Das reicht fürs erste", nickte ihr Bruder lächelnd.
Das Menschenmädchen bedankte sich erleichtert und räumte die Waffe auf.

Dark Halo - Asche & LichtWhere stories live. Discover now