Enklave (6)

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Sie nahmen Fahrt auf, die Lichter verbanden sich zu einer Linie, verschwammen dann zu Farbstreifen. Klares Blau in der Mitte, das zu den Rändern hin mit dem Grau des Tunnels verschmolz. Der Untergrundtransporter schwebte in seinen festgesteckten Grenzen nahezu lautlos. Wenn Baldor genau hinhörte, vernahm er noch das unterschwellige Brummen – oder sein Kopf spielte ihm einen Streich.

"Das ist das Transportsystem der Konzerne", erklärte Toby und lotste sie zu verführerisch komfortabel aussehenden Sitzen. "So kommen wir innerhalb einer halben Stunde dorthin, wofür ihr zu Fuß und gegen die Widrigkeiten der Stadt Tage gebraucht hättet."

"Großartig", brummte Sergej, ließ ich in einen der Sessel plumpsen und starrte mit verschränkten Armen an die Decke. Er war wohl der Einzige, dem das nicht so richtig zu gefallen schien. Von diesem Transportsystem hatte er nichts gewusst.

"Die Konzernbosse und die VIPs laufen eben nicht gerne zu Fuß", schob Toby hinterher und Sergej verdrehte die Augen.

Klara sank in den Sitz neben ihm. Ihre Augen wanderten unruhig hin und her. Nein, Sergej war nicht der Einzige, der sich nicht wohlfühlte. Sie hatte fast alle ihre Ratten zurücklassen müssen. Eigentlich alle, aber bevor sich die Türen schlossen, hatten sich ein paar von ihnen noch hineingezwängt – ungesehen vom Reporter. Sie kauerten in den Ecken unter den Sitzen.

Mit einer Handbewegung ließ Toby einen fünften Stuhl aus dem Boden wachsen und einen Tisch in der Mitte, gedeckt mit Menschen-Snacks und einer Schale roter Kekse. Baldor schob sich auf den Sessel am Fenster – Sergej und Klara gegenüber –, fischte einen der Kekse heraus und schnupperte daran.

Planktonkekse! Genüsslich biss er hinein.

Ja, genau so kümmerte man sich um den Sohn des Präsidenten! Selbst wenn er einen kleinen Zwischenstopp einlegte, um in dieser Show aufzutreten, waren sie immer noch schneller als auf dem geplanten Weg. Und es war sicherer. Diese Calu-Spinner würden ihn jetzt nicht mehr einholen.

"Wie genau wird diese Show ablaufen?", fragte Baldor und schob sich einige Krümel, die sich auf dem Weg auf seine Lippen verirrt hatten, zurück in den Mund.

"Im Vorfeld führen wir ein ausführliches Interview, in dem wir alle Gebiete abdecken, die in irgendeiner Art interessant sein könnten. Eine Auswahl stellen wir in einem Iveinterview nach. Den Rest schneiden wir in die nachfolgende Reportagen hinein, in denen wir Stück für Stück mehr Informationen über deine Welt, deine Fähigkeiten und deine Sicht auf di Erde zeigen wollen. Du hast nicht zufällig Bildmaterial von deiner Heimatwelt, das wir verwenden können?"

Hatte er gehabt. Sein Korallenkommunikator lag irgendwo im Urwald zwischen der Absturzstelle und der Zitadellenstadt. "Tut mir leid, es ist nichts mehr übrig."

"Das ist wirklich schade. Hmm. Es bestünde natürlich die Möglichkeit, diese Erinnerungen auszulesen, wenn du dich in einen Kältekammer ..."

"Stopp!", fuhr Sergej dazwischen. "Daran braucht ihr gar nicht denken. Überhaupt, wie lange wollt ihr Baldor für den Quatsch festhalten? Wochen?"

"Nein, nein. Uns ist schon klar, dass Baldor ein vielbeschäftigter Mann ist. Ein oder zwei Tage vielleicht, später noch das eine oder andere Interview, je nachdem wie gut er ankommt oder wie sich seine Situation bei uns entwickelt. Im Gegenzug bauen wir für euch ein positives Bild in der Öffentlichkeit auf und stellen Kontakte her."

"Bla, bla. Das ist doch alles vager Quark. Die Einzigen, die wirklich davon profitieren sind die Typen bei Madun Media. Wie wollt ihr garantieren, dass auch Baldor was davon hat?"

"Hey", schaltete Baldor sich ein. "Es ist besser als nichts." Nicht, dass Sergej diese Chance noch kaputt machte, nur weil er das Schlimmste vermutete.

Sergejs zog die Stirn in Falten und ein Schatten legte sich über seinen Augen. Sein Mund wurde zu einem grimmigen Strich. Ja, das passte ihm gar nicht. Würde Baldor sich am Ende mit der Gruppe verkrachen, wenn sich der Medienkonzern oder die Kontakte als ertragreicher herausstellten? Würde er sich von ihnen trennen müssen? Früher hätte er keinen Moment gezögert, aber allein der Gedanke, Sergej und Klara wegzustoßen, nachdem sie ihn bis hierher geholfen hatten, fühlte sich mies an. Er blickte von Sergejs grimmigem Gesicht zu einer langgezogenen Halle, an der sie in Sekunden vorbeisausten. "Die Menschen dort oben müssen tatsächlich die ganzen Strecken laufen, die wir hier entlangdüsen?" Er lenkte das Thema besser in andere Bahnen.

Tobende TentakelWo Geschichten leben. Entdecke jetzt