Kapitel 6 - Pech

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Der Psychologieunterricht bereitete mir jeden Tag Kopfschmerzen. Jedem wurde ein Partner zugewiesen. Natürlich bekam ich den einzigen Gorgonen der Klasse, Ajax.

Enids On-Off-Beziehung mit ihm, fing letztes Jahr an, ging über den Sommer und jetzt wurde anscheinend alles auf Eis gelegt. Ajax's ständige Heulerei wurde dezent nervtötend, nachdem er nach jeder Begegnung mit Enid, zimperlich um ihre Vergebung gebettelt hatte. Nicht, dass er überhaupt etwas falsches angestellt hatte, sagte mir Enid. Seine anhängliche Art wurde für sie offensichtlich zu langweilig.

Enid wollte den Jungen, tat alles dafür, um ihn zu kriegen und dann spuckte sie ihn so leicht aus, als hätte sie Essensreste zwischen den Zähnen gehabt. Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach, besagt die Redewendung. Nicht in Enid's Fall. Sie wurde kein bisschen schwach. Sie konnte erbarmungslos zuschauen, wie Ajax immer mehr in den Boden versank. Ich war unglaublich beeindruckt von ihr. 

- "Ajax, du versperrst mir den Weg." - sagte Enid an der Tür unseres Zimmers.

Der Gorgone, der mit einer Tafel Schokolade in seiner Hand vor Enid kniete, rührte sich nicht von der Fläche.

- "Bitte, E, ich brauche dich. Nimm mich zurück. Ich werde mich verbessern."

Ich saß an meinem Schreibtisch, mit dem Rücken zu den Geschehnissen, für die äußere Erscheinung des Desinteresses.

- "Ich werde dich noch ein letztes Mal nett darum bitten, zur Seite zu gehen. Ich komme zu spät zum Unterricht!" - stand Enid wütend über ihn.

- "Ich liebe dich mit ganzem Herzen, Enid Sinclair. Komm, bitte, zurück zu mir." - jammerte er.

Dann kam etwas, was mich jederzeit zum Lächeln bringen konnte. Ich hörte, wie Enid ihre schwert-ähnlichen Krallen ins Spiel brachte. Ich drehte meinen Kopf leicht in deren Richtung und sah Enid's bunte Hand in der Nähe von Ajax's Hals.

- "Steh auf, Ajax und lass mich in Ruhe!" - drohte sie ihm.

Besiegt rutschte er mit hochgehaltenen Händen auf die Seite und sah zu, wie Enid mit ihrem pinken Rucksack den Raum verließ. Er saß noch einige Sekunden lang auf dem Boden, bis er dann doch weinend aufstand.Ich glaube, er hätte in dem Moment Dr.Kinbott's Hilfe stark benötigt, wäre sie nicht umgebracht worden.

Tja. Pech gehabt.

- "Alles klar, Schüler, aufgepasst!" - klatschte einmal Mr.Davidson die Hände zusammen. - "Wir haben zehn Gruppen gebildet, jedes Paar bekommt sein eigenes Thema. Ich erwarte von euch ein 30-seitiges Berichtsheft und eine 15-minütige Präsentation über eure Ergebnisse Ende dieses Semesters."

Wir standen um einen kleinen Tisch herum und guckten zu, als unser Lehrer den Hut voller Zettel genau in die Mitte legte. Die erfreute Gesichter und das laute Kichern waren, wie geschmolzenes Wachs in meinen Ohren. Schmerzhaft und benebelnd. Das auch nicht auf der angenehmen Art und Weise.

- "So Mr.Petropolus, Sie sind dran." - nickte Mr.Davidson in unsere Richtung.

Ich werde Miss Gray niemals verzeihen. Nicht nur ist Psychologie eine erfundene Wissenschaft als Beruhigung für psychisch schwache Menschen, sondern auch eine Abzockerei für die Medizinindustrie. Jeder ist für sich verantwortlich, fiktive Gedankenspiele bringen niemanden in seinem Leben weiter.

Ajax holte einen tiefen Atemzug und nahm einen Zettel aus dem Hut. Er wandte seinen gequälten Blick zu mir, bevor er laut vorlas, was darauf stand.

- "Gefühlsanalyse: Gefühle erleben, vestehen und deuten."

Meine Augen weiteten sich und mir fiel nur ein einziges Wort ein.

- "Nein." - sagte ich und griff sofort nach meinem Rucksack.

Die Wenclair Story - Gegensätze ziehen sich an (In Bearbeitung)Where stories live. Discover now