Kapitel 1 - Neuanfang

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Ich fand Neuanfänge schon immer schrecklich. Sich andauernd wechselnde Umgebungen, neue Menschen und unbekannte Situationen. Für eine Person, wie mich, sind konstante Routinen und das Alleinesein, die einzigen zufriedenstellenden Umstände, die mir meine Seele beruhigen. Vielleicht auch das Leiden anderer, aber wer würde denn einem Spaß der Art widerstehen können? 

Mit diesen Eigenschaften betrat ich letztes Schuljahr die Nevermore Academy. Ohne jeglichen Erwartungen gegenüber Anderen, mit mehr Mordlust, als ich das jemals zugeben könnte. Warum? Dieser gezwungene Schulwechsel fühlte sich anfangs genauso an, wie die fünf vorherigen auch. Kein Zentimeter von mir hatte den Wunsch auf dieser Schule zu bleiben. Wieso denn auch? Der einzige Unterschied war nur, dass sie für Außenseiter aufgemacht wurde. Der selbe Ablauf, was, die mir schon überaus bekannte, Eingewöhnungswoche, ohne Kontakt zu den Eltern, beinhaltete. Diesen Teil genoss ich am meisten, da diese Zeit mir die Möglichkeit gab meinen Fluchtsplan zu perfektionieren. 

Ich bin jedoch gescheitert. Nein, nicht nur, weil ich geblieben bin. Das ist letztendlich meine Entscheidung gewesen. Mein Scheitern lag an meiner geschwächten Gefühlslage. Ich fing an zu fühlen, um mich um Anderen zu sorgen. Ich wurde verblendet durch Menschen, deren Kontakt ich überhaupt nicht als wünschenswert betrachtete. Es ist aber dennoch passiert. 

Das konnte nur eines heißen. Mein Wiederkehren basierte nicht mehr auf Gleichgültigkeit, was faktlich gesehen mein Ende bedeuten sollte. Natürlich hätte ich mich eher von der chinesischen Mauer geschmissen, als diesen bedauernden Tatsachen eine Stimme zu geben. Die größte Lektion des letzten Semesters war die Erkenntnis meiner erbärmlich leichtsinnigen Art meinen Mitmenschen zu vertrauen. Doch dank den beiden, Laurel Gates und Tyler, wurde ich wieder daran erinnert, worin meine Prioritäten liegen sollten.

Lurch hielt an, während ich einen letzten Blick auf meinen Eltern warf. Déjà vu. Heulerei meiner Mutter, knifflige Tricks und Tipps meines Vaters und eine überemotionale Umarmung meines Bruders. Ein Neustart, doch die selbe Geschichte.

Ich blickte auf Thing, auf die buchstäbliche rechte Hand meines Vaters, und nickte in seine Richtung. Die Zeit des Abschieds ist gekommen.

Während er die Runde machte, nahm ich mir die Zeit, um ihn mir besser anzuschauen. Die kaum verheilte Wunde an seinem winzigen Körper ist die tägliche Mahnung mich in meinen Normalzustand der Kälte und des Desinteresse zurückzuführen. Ich muss so kämpfen, wie ich das am besten kann: Alleine.

Nur wusste ich in dem Moment noch nicht, dass der erste Fehlschlag mich sofort nach dem Betreten meines Zimmers erwartete. Ich öffnete die Tür und Erinnerungen schlugen mir ins Gesicht. Der Schlag war noch stärker als gedacht, ich war froh, dass ich mich an der Türklinke festhalten konnte. 

Enid war noch nicht anwesend. Ihre farbenlose Seite des Zimmers erweckte jedoch ein ungewöhnliches Gefühl in mir. Theoretisch war ich mir hunderprozentig sicher, was der Knoten in meinem Hals bedeutete. Den spürte ich schon seit einer Weile, doch nur ausschließlich bei den quälenden Gedanken an die Nacht des Hyde-Angriffs.

Ich dachte wirklich, dass ich meine Emotionen besser unter Kontrolle hätte. Doch all'meine harte Arbeit gegen denen anzukämpfen, erwies sich überaus mangelhaft. Ich brauchte nur einen einzigen Schritt in unser Zimmer zu setzen, um mich wieder mitreißen zu lassen.

Wie armselig.

Seufzend verließ ich endlich den Eingangbereich. Mit Thing's Hilfe wurde es mir nach genau 15 Minuten möglich, mich mit meiner Schreibmaschine zu meinem Schreibtisch zu setzen. Zum selben Schreibtisch, an dem ich meinen vierten Roman fertig schrieb.Nun war ich bereit für das nächste Kapitel. Aber eher ich anfangen konnte, hörte ich ein lautes Klopfen an der Tür. Ich drehte mich mit einem genervten Gesichtsausdruck um.

Die Wenclair Story - Gegensätze ziehen sich an (In Bearbeitung)Where stories live. Discover now