14. Tag der "offenen" Tür

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"Schau mal!", erschreckte mich Flo von der Seite, indem sie mir ein komisch aussehendes weißes Spielzeug vor die Nase hielt. Kurz zuckte ich zusammen und hätte fast den Eimer mit Wasser fallen lassen, mit dem ich die Becher für die Wassermalfarben auffüllen sollte. Mit gerunzelter Stirn starrte ich das Ding vor meiner Nase an.

"Was ist das?", fragte ich, bevor ich endlich erkannte, dass es sich um ein kleines Mini-Skelett handelte.

Flo schaute mich enttäuscht an, ließ das Skelett sinken und machte den Mund auf: "Kennst du diese Ausgrabungsspielzeuge nicht, wo du so einen Meißel und einen kleinen Hammer dazubekommst? So ein Set habe ich mir gestern gekauft und diesen Dino für dich ausgegraben!"

"Und was ist das für ein Dinosaurier?", fragte ich verdutzt, stellte den Wassereimer auf dem Tisch ab, nahm das Spielzeug in die Hand und betrachtete es.

"Ein Triceratops!"

"Mädchen?!", erklang eine nervige Stimme hinter uns.

Wir drehten uns gleichzeitig um und warteten auf die bevorstehende Schikane: "Ich möchte, dass ihr eure zuständigen Räume blitzblank hergerichtet habt, bis die ersten Besucher kommen. Ihr wisst doch, desto schöner das hier alles am Tag der offenen Tür ist, desto mehr Geld wird in die Kassen gespült. Also hopp, hopp!"

"Jawohl", stöhnte ich und warf Flo einen warnenden Blick zu: "Ich pack' den hier schnell in mein Schließfach." Dabei wirbelte ich mit dem Dino-Skelett vor ihrem Gesicht herum.

"Ich komm' mit!", sagte sie spontan und folgte mir bis zu meinem Schließfach, in das ich den Dino packte, bevor wir uns auch schon wieder auf den Weg zu unseren Räumen machten. Flo hatte ihren Raum schon längst fertig, aber ich hatte heute früh mal wieder verschlafen. Plötzlich spürte ich einen harten Ellenbogen zwischen meinen Rippen.

"Aua! Was zum...?", weiter kam ich nicht, denn Flo zog mich hinter die nächste Ecke.

"Da ist jemand in deinem Raum!", zischte sie und lugte hinter der Ecke hervor. Meine Rippe reibend, schob ich sie zur Seite und schaute selber einmal schnell um die Ecke, durch die Glasscheiben des großen Kunstraums, doch das was ich dort sah, ließ mich nur noch stockend atmend.

Was machte er hier? Wenn er außerhalb der Besucherzeit hier gesehen werden würde, würde man ihn so was von anzeigen! Zügig schritt ich auf die Tür zu und betrat den Raum.

In diesem Moment drehte er sich voller Überraschung in meine Richtung und lächelte mich an, doch ich hatte nun keine Zeit für Nettigkeiten und schubste ihn in den Teil des Raums, der für Leute, die an den Fensterscheiben vorbeigingen, uneinsichtbar war.

"Hast du deinen Verstand verloren?", flüsterte ich ihm zu und war mir dabei gar nicht richtig bewusst, wie nah sich unsere Gesichter dabei befanden.

"Das vorhin am Telefon war ein Scherz! Du solltest nicht herkommen!", sagte ich und tippte mit meinem Zeigefinger auf seinem Brustkorb herum.

Taddl schienen meine Warnungen aber nicht gerade zu erreichen, denn er grinste immer noch und biss sich auf die Lippe, um nicht in Gelächter auszubrechen, da ich sonst noch wütender werden würde. Schnell löste ich meinen Blick von seinen Lippen, schritt ein Stück zurück und zog meine Kleidung gerade. Ich fasste es einfach nicht, er grinste immer noch!

"Herr Taddl Tjarks! Das ist keineswegs lustig!", schnaufte ich wütend und verschränkte meine Arme vor der Brust. Langsam kam er auf mich zu und umfasste meine Schultern.

"Abby, das ist alles geklärt. Da war so eine nette Frau am Eingang und die hat mich gleich hereingelassen", lächelte er und umarmte mich, was von außen sehr bescheuert ausgesehen haben muss, denn hatte ich meine Arme immer noch vor meinem Körper verschränkt.

"Hatte diese Frau strähnige blonde Haare und trug einen Parka?", nuschelte ich an seine Schulter, die gegen mein Gesicht gepresst war.

"Ja, ja das hatte sie", antwortete er und ließ mich los, immer noch lächelnd.

"Dann war das eine meiner Kunstlehrerinnen und die lässt sich bekannterweise sehr auf das äußere Erscheinungsbild von Menschen ein. Ach ja, noch eine Frage: Warum so glücklich?"

"Keine Ahnung", grinste er und schlängelte sich an mir vorbei auf dem Weg zu Flo, die uns die ganze Zeit hinter dem Türrahmen belauscht hatte.

"Ich mag das nicht. Das ist gruselig", grinste ich nun auch und stellte die beiden einander vor, bis auf einmal ein strenges Gesicht mit strähnigem blonden Haar und einem Dutt hinter der Glasscheibe auftauchte. In diesem Moment zuckte ich stark zusammen und spürte den Drang wegzulaufen.

Sie pochte einmal an die Scheibe, um Taddls Aufmerksamkeit zu erhaschen und fing dann an zu sprechen, was ein wenig durch das Glas gedämpft wurde: "Wie heißen Sie nochmal? Ich kann mich nicht erinnern, Sie je auf einer Liste von meinen Kunststudenten gesehen zu haben!"

Flo schaute ihn panisch an und flüsterte: "Lauf!"

Taddl blickte nun genauso ratlos wie ich und fragte: "Wohin?"

Wieder klopfte die nervige Lehrerin an die Fensterscheibe und machte Anstalten, zur Tür zu laufen. Doch in diesem Moment fasste ich Taddls warme Hand und lief ruckartig los. Als er verstand, dass ich ihm helfen wollte, ließ ich seine Hand los und wir stürmten aus dem Raum. Nun fing mein Gehirn an zu rattern: Die einzige offene Tür war der Haupteingang, der bewacht wurde und der Hintereingang, den alle Lehrer benutzen, denn alle anderen Türen, die beispielsweise zum Campus hinausführten, würden erst in einer halben Stunde geöffnet werden. Also mussten wir wohl oder übel durch den Hintereingang. Taddl folgte mir durch das ganze Uni-Gebäude und da uns kein Professor oder anderweitige Respektpersonen über den Weg liefen, verbreitete sich in mir die Hoffnung, dass wir es doch noch rausschaffen würden.

Doch natürlich musste mir das Schicksal mal wieder meine eigene zerstörte Hoffnung ins Gesicht schlagen, als der Mentor für das Fach Kunst vor uns stand.

"Aha, Abby. Wer ist denn das? Das ist aber kein Student. Du weißt, dass es nicht gern gesehen wird, wenn ein Fremder vor so einem wichtigen Tag noch durchs Gebäude schleicht?", fragte er mich und zog mahnend eine Augenbraue in die Höhe. Oh mein Gott, ich würde so was von strafarbeiten müssen!

Einzelne elektrische Schläge fuhren durch meinen Arm, als auf einmal Taddls Finger die meinen berührten, er mich bedeutend ansah und ich nach wenigen Sekunden verstand, was er vorhatte.

Schnell schloss er seine Hand um meine, und allein diese kleine Geste ließ mein Herz in den höchsten Tönen schlagen und ich wurde nervös. Das einzige, auf was ich mich gerade konzentrieren konnte, war meine Hand in seiner warmen. Kurz spürte ich einen leichten Druck an meiner Hand, da Taddl sie kurz drückte. Einmal räusperte ich mich und sprach dann mit sicherer Stimme: "Das ist mein Freund."

Der Professor sah kurz auf unsere Hände und dann wieder zu mir: "Das sehe ich. Es ist trotzdem verboten."

"Aber Professor, er ist gerade erst aus Amerika gekommen! Ich habe ihn seit einem Jahr nicht mehr gesehen!", maulte ich und drückte diesmal Taddls Hand.

"Hello, sir", sagte er in einem mächtig gespielten Akzent, doch der Professor schien uns zu glauben und sagte, er würde diesmal ein Auge zu drücken. Schnell löste Taddl unsere klebrigen Hände voneinander. Als wir dann endlich aus der Uni waren und auf einer großen Wiese standen, brachen wir beide in großes Gelächter aus.

"Wie verrückt war das denn?", lachte Taddl, während ich lachend das Glitzern in seinen Augen betrachtete. Jedoch fand ich auch wieder schnell zur Besinnung: "Du solltest gehen."

"Das stimmt, allerdings", lächelte er und zog mich in eine feste Umarmung, die ich zögernd, aber dennoch, das erste Mal, erwiderte.

Als ich mich wenige Sekunden später wieder auf dem Weg zum Hintereingang befand, rief er noch: "Danke, Abby. Das hat echt Spaß gemacht, und hat Wiederholungsbedarf!", und ließ mich grinsend zurück.

"Und Ludwig klingt einfach cool. Yeah, ich bin Ludwig. Mmh. Also an alle Ludwigs da draußen: Manu findet euren Namen nicht cool. Aber ich find' Ludwig ist so ein cooler Name wie Ssss-Mario."- Taddl (Ike, ike.. ike.. | Super Smash Bros.)

Drawn Love (Taddl FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt